AfD im Hühnerstall
Aufregung in Deutschland: eine rechtsradikale Partei im Bundestag. Die AfD eine neue Volkspartei? Sind so viele Deutsche über Nacht zu NS-Nostalgikern und Antisemiten geworden?
Mitnichten. Viele haben die Rechtsausleger nicht wegen, sondern trotz ihrer giftigen Sprüche gewählt. Manches erinnert an den ehemals kometenhaften Aufstieg der Piraten-Partei bis 2012, die sich danach zerlegte, abstürzte und im Nichts verschwand. Auch damals waren die Piraten nur ein Fanal der Protestierer: schnell gewählt, schnell vergessen.
2017 war wieder eine Protestwahl. Da alle bürgerlichen Parteien sich als HiWis in einer Merkel-Koalition anboten, blieben Protestwählern nur drei Möglichkeiten: AfD wählen, Linke wählen oder garnicht wählen. Es hatte sich herumgesprochen, dass eine nicht abgegebene Stimme ein Stimme für Merkel sei. Also eilte das seiner demokratischen Pflicht bewusste Volk der Protestierer in grosser Zahl zu den Urnen. Linke wählen? Brr! Also blieb nur die AfD als Möglichkeit, Protest auszusprechen.
Protest wogegen? Gegen nochmal vier Jahre Merkel. Gegen noch mehr unkontrollierte Einwanderung: Hunderttausende, von denen der Staat nicht weiss, wer sie sind, wo sie sind, was man mit ihnen machen soll.
Köln-Silvester, Anis Amri und viele andere traurige Fälle haben den Deutschen gezeigt, dass ihr Staat den Gefahren der Einwanderung hilflos, konfus und unfähig ausgesetzt ist – jener Einwanderung, der Angela Merkel eigenmächtig Tür und Tor geöffnet hat.
Noch mehr solche Einwanderung? Noch mehr staatliche Fehlleistungen? Nein danke, sagten die Protestierer. Die Krise ist ebenso wie eine Merkel- auch eine Staatskrise. Das Heer der mit Steuer-Euros gemästeten Beamten versteht die Probleme nicht; wendet die Vorschriften, falls vorhanden, falsch oder garnicht an. Angst vor dem Verdacht des Rassismus und der Diskriminierung lähmen Legislative und Exekutive: viele Bürger rächen sich, indem sie eine klar rassistische Randpartei ins Zentrum wählen. Sie tun das nicht, weil sie plötzlich Rassisten geworden wären. Sie tun es auch nicht aus Daffke, um Merkel eins auszuwischen. Sie tun es, um Schlimmeres zu verhindern: weitere Kölns, weitere Anis Amris.
Das ist ebenso legitim wie aussichtslos. Zwar wird die Existenz der AfD in den Parlamenten die bürgerlichen Parteien zwingen, einen Teil ihres Phlegmas abzustreifen und die Einwanderungskontrolle zweckgerechter zu gestalten mit dem Ziel, mehr Schlawiner aus dem Land zu befördern und weniger von ihnen hereinkommen zu lassen.
Die Proteste der diversen religiösen Zentralräte gegen den angeblichen Rassismus der AfD-Wähler sind nur teilweise berechtigt: die antisemitischen Sprüche einiger, möglicherweise kurzlebiger, AfD-Schranzen reflektieren keinen Gesinnungswandel des Elektorats. Die Islamophobie der AfD bedeutet keine Änderung in der traditionell guten Einstellung der Deutschen zu “ihren” Türken. Wenn es dabei in letzter Zeit kriselt, dann ist daran kein aufflammender Rassismus schuld, sondern ein autokratischer Politiker in Ankara, der Deutschland zu seinen Feinden erkoren hat, von der türkischen Gemeinde in Deutschland aber glühend verehrt wird.
Dennoch zeigt die Wahl, dass es – unabhängig von den Türken – Probleme im Verhältnis zwischen Deutschen und einwandernden Moslems gibt. Wie Wahlanalysen zeigen, hat nur ein sehr geringer Teil der Akademiker AfD gewählt. Die Leute mit der hohen Bildungsstufe sind sich bewusst, dass Einwanderung unausweichlich ist, dass Deutschland ein Multi-Kulti-Land wird, dass Leute unterschiedlichster Farbe und Religion deutsche Personalausweise haben werden. Ein klassisches Einwanderungsland eben.
Diese Erkenntnis der Gebildeten ist in den niedrigeren Bildungsstufen noch nicht angekommen. Hier versteht man Deutschland noch als deutsches Land alten Stils und wundert sich über die neuen Farben und Stile, die sich vor allem innerorts zeigen. Doch das eigentliche Problem der weniger Gebildeten ist die stille Drohung, die seit Köln und seinen Vorläufern und Nachfolgern von der sichtbaren Existenz der Männer mit den schwarzen Vollbärten und ihren Damen in unterschiedlichen Formen der Verkleidung ausgeht. Das Problem wird nicht geringer, wenn Einwanderer und Konvertiten ihre Ethnizität und Religiosität auch noch demontrativ zeigen, um sich von der Umwelt abzusetzen – klassisches Immigranten-Verhalten, wie es beispielsweise die Deutschen in "Neuyork" und "Pennsylvanien" generationenlang zeigten.
Dass feindliche Gefühle gegen Einwanderer und entsprechende AfD-Wahlerfolge vor allem in solchen Bundesländern auftreten, die nur wenige Einwanderer aufweisen, mag mit ihrer geografischen Lage zu tun haben. Vielleicht büssen Migranten aus Nahost und Afrika für die osteuropäischen Diebesbanden, die Ostdeutschland seit Jahren verunsichern. In Bayern wurde die AfD zweitstärkste Partei vor allem in Landkreisen, die der nahe an der österreichischen Grenze liegen, an der die Balkanroute endet.
Allen, die der AfD-Erfolg aufgescheucht hat, sei gesagt: die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass nach vier Jahren der Spuk vorbei sein wird. Die Deutschen bleiben Demokraten. Sie werden wieder bürgerlich wählen, sobald Merkel ausgestanden ist und der Staat soweit ertüchtigt wurde, dass er die Migration ohne Krise zu steuern fähig ist.
Heinrich von Loesch