Aufstand im Paradies
Martinique ist eine französische Insel in der Karibik. Für viele ist Martinique das Paradies oder zumindest der Ort, der der himmlischen Glückseligkeit auf Erden am nächsten kommt.
Ein mildes und gemäßigtes Klima, ein sauberes Meer, gute, meist braune Menschen, französische Kultur und Eleganz und eine fabelhafte tropisch-französische Küche mit so exquisiten Gerichten wie Blaff d'oursins, einem Stew von Seeigelrogen.
Fort de France, der Hauptort der Insel, lockt mit Schätzen wie der Bibliothèque Schoelcher, in deren uralten Folianten sich laut Lawrence Durrell Pestkeime verbergen, die ahnungslose Leser infizieren könnten.
Nun aber ist im Paradies eine Revolution ausgebrochen. Das Volk hat den Flughafen Aimé Césaire gestürmt und verwüstet; alle Flüge müssen auf die Nachbarinsel Guadeloupe umgeleitet werden. Ein Totalverlust für den französischen, amerikanischen und kanadischen Tourismus.
Brennende Barrikaden, brennende oder geplünderte Geschäfte und „Rowdys auf Motorrädern“: Die Lage auf der französischen Antilleninsel Martinique blieb am Freitag, den 11. Oktober 2024, trotz einer Ausgangssperre angespannt, da die Proteste gegen die hohen Lebenshaltungskosten anhielten.
Warum der Aufruhr? Die klassische Ursache, wie in Paris 1789: die Teuerung.
Martinique ist teuer. Das ist es schon seit Jahrzehnten. Es ist nicht nur der Tourismus, der die Preise treibt: Die Hauptursache ist vor allem die Anwesenheit der Metropolitains, wie die Franzosen aus Frankreich hier genannt werden. Die Verwaltung, die der Insel die Bürokratie eines französischen Departements übergestülpt hat, wird von Paris gehätschelt.
Für das Privileg, im Paradies zu dienen und zu leben, werden die Metropolitains mit ihrem Grundgehalt Niveau Paris plus einem 40-prozentigen Härtezuschlag belohnt.
Ihre überlegene Kaufkraft treibt die Preise auf der Insel in die Höhe. Die Klagen der Inselbewohner über die Inflation werden im fernen Paris kaum wahrgenommen.
Eine Revolution auf Martinique? Das kann doch nur ein Scherz sein, denkt man in Paris.
Aber es ist kein Scherz. Die Insulaner, die dank der guten Schulen nicht nur ihr Kreolisch, sondern auch einwandfreies Französisch sprechen, sind es leid, von Paris wie ein nettes, aber unwichtiges Anhängsel behandelt zu werden.
Sie revoltieren. Schon einmal hat eine Revolte auf einer Karibikinsel zur Unabhängigkeit von Frankreich geführt. Und sie war von Dauer: in Haiti.
Paris sollte vorsichtig sein. Die Revolution auf Martinique ist nicht lächerlich.
Burkhart Fürst UpdateUnd in Guadeloupe...Stromausfall in Guadeloupe: Ausgangssperre stellenweise verlängert, Strom allmählich wieder da
Guadeloupe verbrachte zwischen Samstag, dem 26. Oktober, und Sonntag, dem 27. Oktober, eine weitere Nacht unter Ausgangssperre. Die Maßnahme war als Reaktion auf die städtischen Gewalttätigkeiten nach einem allgemeinen Stromausfall auf der Insel ergriffen worden.
Ein Teil von Guadeloupe verbrachte die zweite Nacht in Folge unter Ausgangssperre, da die Präfektur diese Maßnahme am Samstagabend in einigen Bereichen als Reaktion auf die städtischen Gewalttätigkeiten, die nach einem allgemeinen Stromausfall aufgetreten waren, verlängert hatte.
Der Führer des RPPRAC (Sammlung zum Schutz der afrokaribischen Völker und Ressourcen), der Vereinigung, die im September eine Protestbewegung gegen die hohen Lebenshaltungskosten ins Leben gerufen hatte, die in nächtliche Gewalt ausartete, war am 12. November wegen Hausfriedensbruchs am Vortag in der Präfekturresidenz festgenommen worden.
Nach unseren Informationen führte seine Inhaftierung zu einer Störung der öffentlichen Ordnung. Etwa 350 Demonstranten versammelten sich in einer angespannten Atmosphäre. Etwa 60 von ihnen versuchten, den Verkehr auf der Höhe des Carrefour Dillon zu blockieren. Barrikaden wurden angezündet und die Ordnungskräfte, die Tränengas einsetzten, mit Wurfgeschossen beworfen. Es kam zu zwei Festnahmen.