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Wie die Ukraine den Weg zur neuen Putin-Union versperrt


Wladimir Putin war Augenzeuge der Unruhen in Dresden am 5. Dezember 1989: In seiner Biografie "Aus erster Hand: Gespräche mit Wladimir Putin im Jahr 2000, beschreibt Putin auch, wie er telefonisch Hilfe von einer sowjetischen Militärbasis anforderte, die erst nach Stunden eintraf und die Versammlung auflöste.

Die Unfähigkeit oder der Unwille des russischen Militärs, in Dresden schnell einzugreifen und den Aufstand niederzuschlagen, war offenbar ein Schlüsselerlebnis für Major Putin, das ihm bewies, dass die Sowjetunion gerettet werden konnte, wenn sie so energisch reagiert hätte wie Deng Xiaoping im Juni 1989 bei der blutigen Niederschlagung des Studentenprotests auf dem Tianmen, dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. "Zweihundert Tote können China zwanzig Jahre Frieden bringen", soll Deng erklärt haben. Tatsächlich hat der Frieden bislang über 30 Jahre gedauert.
Die Kombination von Dresden und Tianmen soll Putin davon überzeugt haben, dass extreme Brutalität gerechtfertigt ist, wenn sich die Geschichte an einem Wendepunkt befindet.

Diese Strategie hat er bereits mehrfach mit Erfolg angewandt: in Tschetschenien, in Georgien/Abchasien, in Krim/Donbass und in Syrien.

Seit angeblich zwanzig Jahren bereitete er die Annexion der Ukraine vor, die er als Eckpfeiler für die Errichtung der neuen Putin-Union als Sowjetunion rediviva braucht.

Am 24. Februar 2022 war es dann so weit. Die Gelegenheit schien günstig zu sein. Die Olympischen Winterspiele in Peking waren zuende gegangen. In Washington hatte Joe Biden die Macht übernommen, eine Schlafmütze, wie Freund Trump Putin überzeugend dargestellt hatte. In Deutschland war die erfahrene Angela Merkel durch einen Nobody ersetzt worden, der in einer Koalition mit grünen Baumstamm-Umarmern zu regieren begann. In Frankreich herrschte Macron, ein Grünschnabel. In Großbritannien regierte ein irrlichtender Johnson, der sich mit dem Brexit selbst in den Fuß geschossen hatte.

Dieser 24. Februar, ein fabelhafter Tag, denn die Geheimhaltung war perfekt gelungen. Nicht nur die ganze Welt glaubte den endlos wiederholten Dementis des Kremls; selbst der ukrainische Präsident Selenskij bezeichnete die amerikanischen Warnungen als unnötiges Gekreische. Sein Land zog also ohne jede Vorbereitung in den Krieg!

Putin träumte wahrscheinlich von Hitlers Einmarsch in Österreich 1938: von jubelnden Menschenmengen, Blumensträußen für die Soldaten. Stattdessen, wie man weiß, gab es einen blutigen Krieg mit vielen Rückschlägen für die Invasoren.

Nach dem Scheitern von Plan A ging Putin zu Plan B über: Modell Tianmen/Tschetschenien/Syrien. Das Ziel: die totale Zerstörung der Ukraine: so gründlich, dass die restliche Wirtschaft und die Infrastruktur auf Jahrzehnte hinaus nicht mit Russland konkurrieren könnten. Ein Land ohne funktionierende Krankenhäuser, ohne Schulen, ohne Universitäten; so hoffnungslos, dass die Menschen freiwillig ins benachbarte Russland auswandern würden, um dort eine Existenzgrundlage zu finden. Wie Russland Plan B umsetzt, beschreibt der frühere Box-Weltmeister und heutige Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko:

"Es ist eine Lüge der Russischen Föderation zu behaupten, dass sie nur militärische Ziele angreifen", sagt Klitschko. Vielmehr griffen die Russen die ukrainischen Städte an. "Städte wie Irpin, Butscha oder Borodjanka gibt es nicht mehr." Aus Sicht Klitschkos sei es inzwischen Ziel des russischen Militärs, so viele Zivilisten wie nur möglich zu töten. "Nach solchen Angriffen kann man Russen nur Faschisten nennen, weil sie Frauen, Kinder und Zivilisten umbringen. Die Bilder sprechen für sich."

Der Atlantic Council in Washington, DC meint:

Die Strategie würde wahrscheinlich Angriffe auf zivile Gebiete, die Zerstörung von Städten und die Unterbrechung der Versorgung beinhalten, was zu einer Hungersnot führen könnte, so die Analyse. Die Organisation zog später Parallelen zu einer vom Kreml in den 1930er Jahren künstlich herbeigeführten Hungersnot, der Millionen von Ukrainern zum Opfer fielen - ein sowjetischer Versuch, "die ukrainische Nation zu unterwerfen".

Da bietet sich die Ukraine als Testgebiet für neue, tödlichere Waffen an:

Moskau hat bekannt gegeben, dass es "Hyperschallraketen des Typs Kinzhal" eingesetzt hat, um "ein großes unterirdisches Raketendepot der ukrainischen Streitkräfte in der Region Iwano-Frankiwsk" im Westen des Landes anzugreifen. Dies teilte das Verteidigungsministerium heute mit und wurde von der Nachrichtenagentur Ria zitiert.

Doch auch die Umsetzung dieses Plans stößt auf Schwierigkeiten. Das Werk der Zerstörung braucht mehr Zeit. Um Zeit zu gewinnen, lässt Putin nun Ablenkungsmanöver in Form von Gesprächen, zivilen Fluchtkorridoren, Andeutungen möglicher Kompromisse, angeblichen Waffenstillständen zu, um gleichzeitig die Zerstörung energisch voranzutreiben. Während über unterschiedliche Meinungen im Kreml spekuliert wird, kann Putin in Wirklichkeit keinen Schritt weichen, denn es gilt: alles oder nichts! Mutmasslich ist es Putin ganz recht, wenn Millionen Ukrainer fliehen und ihr Land verlassen. Auf nimmer wiedersehen!

Ein Ende des Krieges ohne russischen Sieg ist für ihn undenkbar. Die Sanktionen, die drohenden Reparationsforderungen in Höhe von Hunderten von Milliarden, die mögliche Beschlagnahme der russischen Währungsreserven zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine, die Entschädigung der ukrainischen Kriegsopfer - die Rache der belogenen Russen für den gescheiterten Krieg - das Ende des Weltmachttraums - der Hohn der Welt und die Herablassung Chinas - das Arsenal an Albträumen scheint für Putin grenzenlos.

Was ist nun zu tun? Wenn es den russischen Streitkräften nicht gelingt, Kiew einzunehmen und Selenskij zu beseitigen - was immer wahrscheinlicher wird -, dann gibt es für Putin nur eine Option: den Krieg so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, denn jeder Friedensschluss würde Putins Lebenswerk zu Fall bringen. Eine Ukraine, die weiter existiert, die lebensfähig ist und die vom Westen gehätschelt würde, ist für Putin und seine Clique unvorstellbar. Und wie sollen Ukrainer und Russen je wieder zusammen leben angesichts des neuen Hasses auf beiden Seiten?

Sollte es jedoch den Ukrainern gelingen, dank besserer Kampfmoral und genug Waffen, den Invasoren die Initiative zu entreissen, dann -- aber nur dann -- würde es sich für Putin empfehlen, die bittere Pille des Friedens zu schlucken, denn die Weiterführung des Krieges brächte ihm nur Nachteile.

                                                                                                                               Heinrich von Loesch

 

Russkij Mir - "Russische Welt" ist der Name einer politischen und kulturellen Stiftung, die 2007 von Präsident Putin ins Leben gerufen wurde. Zugleich ist Russkij Mir auch ein geopolitischer Begriff, vergleichbar mit dem Begriff "Deutschtum" in den 1920er und 1930er Jahren. Wie damals Deutschland versucht der Kreml heute, russophone und russophile Elemente in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion für seine imperialen Ziele zu mobilisieren. In dieses Narrativ passen auch die von Putin so gern verwendeten Begriffe "Historisches Russland" und "Heiliges Russland", moderne Entsprechungen von Begriffen wie "Volkstum", "Auslandsdeutschtum", "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" usw., die in den 1920er und 1930er Jahren verwendet wurden, um die Deutschland durch den Versailler Vertrag auferlegten Sanktionen rückgängig zu machen.

Russkij Mir soll wahrscheinlich auch den Erfolg älterer Begriffe kopieren, die wie "Umma" (Gemeinschaft der Muslime) oder "Oekumene" (Gemeinschaft der Christen) religiöse Gefühle geopolitisch fungibel machen.

- ed 

Die unmittelbaren Lehren aus diesem Krieg sind:

      • Putins Angriff hat die Ukraine endgültig von einem geografischen Konzept in eine stolze Nation verwandelt.
      • Selenskij ist es gelungen, den Westen zu einer gemeinsamen Aktion zu galvanisieren, deren Stärke die Welt in Erstaunen versetzte.
      • Wie so oft in seiner Geschichte hat Russland seine Macht überschätzt. Mit einer Wirtschaft von der Größe Spaniens sind die Möglichkeiten, selbst das zweitstärkste Militär der Welt einzusetzen, begrenzt.
      • Wie immer, wenn Russland unter Druck gerät, gleitet die Staatsmacht von der Despotie und Autokratie in die Diktatur ab und möglicherweise weiter zum Stalinismus.
      • Russlands Kriegsführung kennt immer nur zwei alternative Ziele: Sieg durch Unterwerfung des Feindes oder Sieg durch völlige Vernichtung des Feindes und seines Landes. Letzteres geschieht zurzeit.
      • Ukrainer sind keine Sanftheitsapostel. Nach Jahrzehnten der Unterdrückung ihrer Sprache durch das Sowjetregime ist es kaum verwunderlich, wenn russischsprachige Minderheiten mancherorts im Schulwesen benachteiligt wurden.

 

Zapzarap, saprali!

Fünf mit "Zehntausenden von Tonnen" Getreide beladene Schiffe sind aus einem Hafen in der Ukraine verschwunden. Berichten zufolge wurden die Schiffe und ihre Ladung von Russen in der Hafenstadt Berdjansk im Südosten der Ukraine gestohlen.  Die Schiffe wurden von russischen Schleppern ins Asowsche Meer geschleppt, teilte die Kommunikationsabteilung des ukrainischen Ministeriums für Kultur und Informationspolitik am Montag unter Berufung auf den Gouverneur der Region und Augenzeugen mit

Kommentar:  Der Redakteur erinnert sich seiner Erfahrungen 1945/46 als er als "Elektrospezialisti" für die Rote Armee arbeitete (Lohn: Kascha, Brot), die ihn vermuten lassen, dass sich auch in dieser Hinsicht die Russische Armee nicht von ihrer ruhmreichen Vorläuferin unterscheidet.

 Update:

Zelensky sagt:  "In Kiew wird gefoltert, vergewaltigt, Kinder werden entführt, unsere Waren werden zerstört und mit Lastwagen weggebracht. Das letzte Mal wurde dies in Europa von den Nazis getan.."

 

Subtiler Humor

Land A überfällt Land B. Land B wehrt sich, Land A ärgert sich deswegen und erklärt, dass die Regierenden von Land B Kriegsverbrecher seien und zur Verantwortung gezogen würden. Peloton oder Workuta?

 

Berlin im Visier von Putins Russland: Zelenskijs Enthüllung

In dem Film, über den die Agentur "Adnkronos" berichtet, wendet sich Zelensky an Deutschland und sagt: "Wir kämpfen für unsere Rettung gegen eine der grössten Armeen der Welt, gegen Raketen, Bomben, Artillerie, Flugzeuge und Hubschrauber, auf die die Russen bereits "Nach Berlin" schreiben, weil sie über die Ukraine hinausgehen wollen. Sie wollen überall hingehen und zu dir kommen."

 

 "Moskau könnte kleinere Atomwaffen einsetzen".

Ulrich Kühn, Atomwaffenexperte an der Universität Hamburg und der Carnegie Endowment for International Peace, ist davon überzeugt, dass Moskau in seinem Krieg gegen die Ukraine kleinere Atomwaffen einsetzen könnte, d.h. solche, die weit weniger stark sind als die Bomben, die im August 1945 Hiroshima und Nagasaki zerstörten. "Die Chancen sind gering, aber sie steigen", sagte Kühn in einem Interview mit der New York Times. "Der Krieg läuft nicht gut für die Russen", fügte er hinzu, "und der Druck des Westens nimmt zu." Laut Kühn könnte der russische Präsident Wladimir Putin anstelle der ukrainischen Truppen einen Nuklearangriff auf ein unbewohntes Gebiet durchführen, um seine Absicht zu signalisieren, in Zukunft weitere tödliche Angriffe durchzuführen. "Es ist schrecklich, über diese Dinge zu sprechen", kommentierte Kühn, "aber wir müssen bedenken, dass dies eine Möglichkeit wird".

 

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