Aktion für Amerika?

   

   Ende September sagte mein holländischer Freund, ein Mathematiker und Ökonometriker, zu mir: “Trump wird siegen, das ist ganz sicher!” Er liest zwar die New York Times täglich, aber daher konnte er sein Wissen nicht bezogen haben. Offenbar kennt er die USA besser als die meisten Beobachter und Medien. Oder er ist mit Arie Kapteyn befreundet, dem holländischen Umfragespezialisten, der als Einziger das Wahlergebnis, in der Los Angeles Times, richtig vorhergesagt hat.

   Nun ist das Damoklesschwert gefallen, und die Saison der Erklärer ist angebrochen, die versuchen, das Unbegreifliche begreiflich zu machen. Ein Wort fasst die Erklärungsversuche zusammen: whitelash (aus “backlash”und “white”) Die Rache des weissen Mannes, vor allem des kleinen weissen Mannes. Die Statistik zeigt jedoch, dass nicht die kleinen Leute, sondern die besserverdienenden (>$50.000 p.a.) Weissen den Ausschlag gaben. Sie marschierten geschlossen zur Urne und wählten Trump: Vater, Mutter und erwachsene Kinder.

   Mit erstaunlicher Geschwindigkeit übt sich die Welt im Kotau vor dem eben noch verlachten und verteufelten Trump. Nur Wenige , wie Michael Moore und Jean-Claude Juncker, bezweifeln weiterhin Charakter und Qualifikation des Frischgewählten. Die Mehrheit jedoch hofft, dass es nicht so schlimm kommen wird, dass das Washingtoner System den Neuling zähmen wird.

   Trump steht vor der Wahl: er kann entweder Kreide fressen, sich die Republikaner untertan machen, durch sie und mit ihnen regieren und als einer ihrer grossen Helden in die Parteigeschichte eingehen. Oder er kann an den Republikanern im Kongress vorbei regieren mit einem eigenen Klüngel: seiner Tochter Ivanka, seinem Schwiegersohn Jared Kushner. mit Industrie-Protektionisten und Bank-Liberalisierern, die ihm seine Milliardärsfreunde wie die Koch Brothers und Carl Icahn gerne zur Verfügung stellen.

   Zwei Themen, bei denen die Republikaner mit Trump frontal kollidieren würden sind Protektionismus und Dekrete. Seit Jahrzehnten ist die GOP dem Freihandel verpflichtet: sie erachtet ihn als Quelle des Wachstums und Wohlstands. Nicht so Trump: für ihn führt Freihandel zu Verarmung und Arbeitslosigkeit des kleinen amerikanischen (weissen) Mannes. Dekrete des Präsidenten (executive orders)  sind das Instrument, mit dem Obama seine Entscheidungen gegen den Willen des Kongresses durchgesetzt hat – zum masslosen Zorn der Republikaner. Sollte Trump dieses Verfahren kopieren, so ist mit einem Aufstand der Republikaner zu rechnen, bei dem alle nun mühsam unterdrückten Aversionen gegen ihn erneut aufleben würden.

   Sollte Trump sich zügeln und als braver Republikaner regieren, so ist ihm national und international viel Beifall sicher und eine Wiederwahl möglich, wenngleich er seine angebliche Klientele, die kleinen Weissen, enttäuscht haben wird. Die wohlhabenden Weissen jedoch werden ihm dankbar sein, vor allem, wenn es ihm gelingt, die Minderheiten – die unter den Demokraten so stark wurden – in die Schranken zu verweisen.

   Zeigt sich Trump jedoch so eigensinnig und egoistisch, wie man es von ihm gewohnt ist, und baut er sich eine eigene Machtstruktur auf – eine Art “Aktion für Amerika”– () in Konkurrenz zum mainstream der Republikaner, so wird seine Amtszeit turbulent werden. Seine Feinde unter den Republikanern werden auf die Gelegenheit lauern, ihm per impeachment ein Bein zu stellen und ihn (mit begeisterter Hilfe der Demokraten) durch seinen relativ beliebten und qualifizierten Stellvertreter Mike Pence zu ersetzen. Die Chance, dass Trump binnen zwei Jahren eine impeachment-würdige Verfehlung liefert, wird auf 50 Prozent geschätzt. Schon jetzt sind seine Beziehungen zu Russland suspekt und beunruhigen konservative Republikaner.

   Bislang zeigt er sich durch die Grösse und Würde seines neuen Amtes beeindruckt. Sein teilweiser Rückzug in der Frage der Obama’schen Gesundheitsreform lässt hoffen. Man wird sehen, was er mit den 1,5 Millionen Illegalen machen wird, die sich in der Hoffnung auf Legalisierung durch die Obama-Regierung mit Namen und Adresse gemeldet haben. Sie sitzen jetzt auf dem Präsentierteller um von der Polizei abgeholt zu werden, so sie nicht erneut untergetaucht sind oder das Land bereits freiwillig verlassen haben.

   Wie sagte doch Ronald Reagan zu seinen Republikanern: “Was auch immer geschieht, stoppt nicht die Einwanderung!”

--ed

(♦)

  Der künftige Chefstratege im Weißen Haus, Steve Bannon erklärte in einem Interview: "Wir werden eine komplett neue politische Bewegung schaffen". Trumps "neue politische Bewegung" könne 50 Jahre regieren, meinte er.

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