SZ: Im Zeitalter der Verlangsamung
Mit einem Artikel von Jan Willmroth hat die Süddeutsche Zeitung (Wirtschaftsteil 30/31.7.16, 23) entdeckt, dass sich das Wirtschaftswachstum nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Industrieländern schrecklich verlangsamt habe. Da wird der Ober-Ökonom Lawrence Summers zitiert, der von “saekularer Stagnation” spricht. Da wird beklagt, dass die Computerisierung des Lebens und der Wirtschaft nicht einen Produktivitätsschub bringe, wie ihn seinerzeit die Erfindung der Dampfmaschine und des Fliessbands bewirkt hätten.
Von dem rekordverdächtigen Produktivitätszuwachs um 4,1 Prozent 1977 sei die deutsche Wirtschaft auf mickrige 0,6 Prozent 2015 abgesackt. Natürlich spekuliert der Artikel über “Entwicklungen”, die angeblich “das Wachstum ausbremsen” und liegt damit voll im Trend des modischen Kultur-, Umwelt- und Globalpessimismus.
Dabei hätte ein bisschen Kopfrechnen zeigen können, dass die These von der Verlangsamung den Tatsachen widerspricht. Im Jahre 1977, auf voller Höhe des Wirtschaftswunders, erzielte Deutschland mit 4,3 Prozent Wachstum des Brutto-Inlandsprodukts von 13.000 US Dollar eine Zunahme des Pro-Kopf-Einkommens um 533 Dollar. Im Jahre 2016 wird Deutschland bei 55.000 Dollar BIP und einer Zunahme um 0.6 Prozent das Pro-Kopf-Einkommen (inflationsbereinigt) voraussichtlich um 330 Dollar steigern.
So weit zeitlich auseinanderliegende historische Daten überhaupt verglichen werden können, erweist sich die Differenz der Einkommenszuwächse als recht undramatisch: Der gegenwärtige Zuwachs entspricht 62 Prozent des Wertes von 1977. Da kann von Verlangsamung wohl kaum die Rede sein. Wie solide das deutsche Wachstum sich grafisch darbietet, hat der Internationale Währungsfonds in einer Zeitreihe gezeigt, die immerhin bis 1990 zurückreicht.
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