Italien zittert vor bail-in, haircut und Troika
Lars Feld, einer der fünf Weisen des Wirtschaftsrats beim FInanzminister, hat in Italien ein Erdbeben losgetreten mit einem Interview im Corriere della Sera. Professor Feld. Ordoliberaler in Freiburg, erklärte, dass Italien nach dem am 1. Januar in Kraft tretenden neuen EU-Mechanismus seine schuldenbeladenen Banken nicht mehr durch den Staat retten oder ihnen mit verborgenen Subventionen helfen dürfe. Stattdessen müssten die Eigner von Bankobligationen und die Konten über 100.000 Euro beitragen, die Schulden zu tilgen und die Bilanzen zu bereinigen. Bail-in heisst das Stichwort, aus Zypern sattsam bekannt; haircut ist das Verfahren, das die Schere bei Bankkonten oberhalb 100.000 Euro ansetzt.
Falls das Verfahren zu finanziellen Turbulenzen führen sollte und der italienische Staat sich wegen des steigenden spread nicht mehr am Markt finanzieren könnte, meint Feld – dem Nähe zu Finanzminister Schäuble attestiert wird – dass die Regierung ja Hilfe beim Europäischen Stabilitäts-Mechanismus ESM suchen und sich damit die Troika nach Rom holen könne. Das würde helfen, die Ansteckung Europas durch italienische Turbulenzen zu vermeiden.
Eine kalte Dusche für Italien, das sich dank der Reformen der Regierung Renzi und der langsam anspringenden Wirtschaft schon aus dem Gröbsten heraus wähnte.
Unter dem Titel “Banken in Panik” antwortete Alberto Bagnai im Fatto Quotidiano mit einem offenen Brief an Lars Feld. Er rechnet vor, dass Berlin seine Banken mit 250 Milliarden gerettet habe, während es nun Italien verbiete, das Gleiche zu tun.
Feld hat freilich dieses Argument im Corriere schon schlau beantwortet: “Damals wäre es unsinnig gewesen, die Sparer zu treffen, denn die finanzielle Ansteckung war schon Wirklichkeit. Es herrschte finanzielle Krise, wie erinnerlich. Diesmal ist die Lage anders. Wir wissen nicht, ob eine Gefahr der Ansteckung existiert, Daher gibt es keinen Grund, die Restrukturierung und den bail-in zu vertagen.”
Ob Italien die Logik dieses Sophismus begreifen und akzeptieren wird, ist mehr als fraglich. Bagnai jedenfalls findet, dass in Europa die Starken offenbar gleicher sind als die anderen und listet genüsslich alle früheren deutschen Verstösse gegen EU-Regeln auf, vom Defizit höher als 3 Prozent bis zu den Landesbanken, den Sparkassen und der HSH Nordbank. Er plädiert, kaum überraschend, für eine Europäisierung des Risikos von Bankpleiten durch eine europäische Bankkonten-Versicherung.
Luigi Guiso hält den neuen EU-Mechanismus für nicht funktionsfähig. Er rechnet damit, dass die meisten Sparer nicht genug Marktkenntnis haben, um rechtzeitig zu erkennen, ob ihre Bank bedroht ist und es sich empfiehlt, das Guthaben abzuziehen oder die Bankobligation abzustossen. Geht die Bank pleite, so sind meist die Ersparnisse eines Lebens verloren, sagt Professor Guiso. Im Falle der vier italienischen Grossbanken rechnet er damit, dass Millionen Sparer ruiniert würden.
Obgleich der Staat nunmehr die Banken nicht mehr retten dürfe, so würde die Katastrophe ihn doch zwingen, einzuschreiten. “Die Anteilnahme des Staates, der die Türe versperrt ist, käme durch das Fenster wieder herein. Es wäre schwierig für die Regierung, dem Druck, die Verluste der Sparer zu kompensieren. zu widerstehen”
Die jüngst von der Pleite der vier Kleinbanken Banca Etruria, Banca delle Marche, CariFerrara und CariChieti ausgelösten Unruhen illustrieren dramatisch Guisos Argument. Selbst Brüssel könnte Rom mutmasslich nicht bremsen, falls Italiens Regierung sich gezwungen sähe, Kreditoren der Grossbanken zu entschädigen.
Benedikt Brenner