Terroristen-Ausbildung in der Türkei ?

 

   Eine verheerende Breitseite gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan feuerte am 29. Juni der türkische Whistleblower Fuat Avni, indem er den türkischen Geheimdienst MİT beschuldigte, Terroristen für Daesh (IS, ISIS, ISIL) auszubilden.

   Fuat Avni, dessen Tweets von Millionen verfolgt werden, gilt als zuverlässiger Berichterstatter des Geschehens in Präsident Erdoğans engem Umfeld. Er hat bereits zahlreiche Korruptionsfälle und Unregelmässigkeiten aufgedeckt.

   Seine jüngsten Enthüllungen übertreffen in ihrer Tragweite alles Vorhergehende. Er beschuldigt MİT, mit Erdoğans Wissen und Billigung in grossem Umfang Terror-Rekruten für Daesh auszubilden und zu betreuen.

   Es gebe mindestens 70 militärische Rekrutierungszentren in der Türkei, viele davon in Istanbul, die tausende Rekruten ausgebildet hätten und als Flüchtlingsversorgungszentren getarnt seien.

   Fuat Avni – so sein Pseudonym – benennt die Sozialhilfestiftung und den Jugend- und Drogenverein in Istanbuls Stadtviertel Esenkent, beziehungsweise im Fatih-Distrikt, als Rekrutierungszentren für gefährdete und drogensüchtige Jugendliche, die zu Kämpfern und Selbstmordbombern für Daesh ausgebildet würden.

   Avni nennt mehrere Provinzen der Türkei, in denen Zentren dieser Art existieren, die ihre Rekruten mit Geld, falschen Pässen und Personalausweisen versehen und ihnen Unterkunft und Nahrung beschaffen.

   Unter den Rekruten befinden sich laut Avni auch Mitglieder von radikalen Organisationen wie der libanesischen Hezbollah und der Grossen Islamischen Untergrundkämpfer-Front (İBDA-C), einer türkischen salafistischen Terrorgruppe.

   Avni behauptet auch, dass MİT Waffen an Daesh liefere, dessen Verwundete in der Türkei behandeln lasse und dass die türkische Internationale Verteidigungs-Consulting Gesellschaft SADAT Kämpfer ausbilde. Die von Ex-Offizieren betriebene SADAT rühmt sich, Kämpfer in allen militärischen Disziplinen einschliesslich Unterwasser-Verminung und Fallschirmspringen auszubilden.

   Fuat Avnis Tweet wurde von dem Webportal Turkish Minute ins Englische übertragen. Das Portal, dessen Server angeblich in New York steht, ist die Fortsetzung der von der türkischen Regierung beschlagnahmten und geschlossenen englischsprachigen Webzeitung Today’s Zaman.

   Beide Medien können dem Erzfeind Präsident Erdoğans zugerechnet werden: dem in Pennsylvania residierenden Prediger Fethullah Gülen.   

--ed

 

Kommentar

   Es ist schwierig, den Wahrheitsgehalt dieses Tweets zu prüfen. Manches ist bekannt und bestätigt, beispielsweise die Behandlung verwundeter Daesh-Kämpfer in türkischen Krankenhäusern, die Lieferung von Waffen durch MİT nach Syrien -- an die Turkmenen-Milizen oder an Daesh? Dass Daesh jahrelang die Türkei als freundliche Etappe benutzen konnte, dass türkische Behörden den freien Reiseverkehr der Daesh-Rekruten und Kämpfer tolerierten, ist wohlbekannt.

   Dass Daesh Werbebüros in Istanbul und andernorts betrieb, ist auch bekannt. Aber dass tausende Kämpfer in Syrien und Irak aus der Türkei kommen, ist bislang nicht nachgewiesen. Man spricht von 900 - 1000 Türken unter den Foreign Fighters. Zu denen können sich natürlich Ausländer vieler Nationalitäten gesellen, die in der Türkei ausgebildet wurden -- Bosniaken, Albaner, Tschetschenen und Asiaten aller Art. Dass auch Hezbollah-Kämpfer ausgebildet werden, klingt nicht sehr überzeugend, denn die Hezbollah sind Schiiten und Assad-affin. Doch im Terrorismus ist vieles flüssig und können Widersprüche nicht ausgeschlossen werden.

 

 

Update

Eine der wenigen noch unabhängigen Tageszeitungen, Yeni Hayat, hat eine öffentliche Erklärung abgegeben, nachdem die Regierung ihre Nachrichten-Webseite im Gefolge eines Leitartikels blockierte, in dem die Zeitung klagte, dass 150 potentielle Selbstmordbomber in der Türkei frei herumlaufen, ohne dass die Autoritäten dagegen einschreiten. Hier ein Auszug aus der Erklärung von Yeni Hayat

 

"Censorship of ISIS news reports

The latest lead story published in our daily’s print edition was titled “150 ISIS suicide bombers are walking among us. Either capture them or resign.” This news report was based on court records in the investigation of an ISIS suicide attack that killed 105 people on Oct. 10, 2015 outside the Ankara Railway Station. Yeni Hayat brought the danger of the 150 potential suicide bombers named in the indictment walking freely on the streets to the public’s attention.

The same news story questioned why Interior Minister Efkan Ala has still not resigned from his post despite the fact that ISIS attacks have claimed more than 200 lives over the past year in Ankara, Bursa, Diyarbakır, Gaziantep, İstanbul and Suruç.

Over the past one week, our daily also reported on several individuals and entities that openly praised ISIS on Türksat TV channels in Turkey, along with publishing news pieces on ISIS recruiting centers in the country."

 

Update II

Präsident Erdogan ernannte den ehemaligen General Adnan Tanrıverdi, Besitzer der Söldnerfirma Sadat A.Ş. zum Chef seines

Beraterstabes.

 

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