Jamaika oder Neuwahlen?
Die Regierungsbildung in Deutschland ist diesmal schwierig. Die Wähler haben den Politikern durch den Rechtsruck einen eindeutigen Auftrag gegeben: sie wünschen eine Mitte-Rechts-Koalition von CDU/CSU, AfD und FDP. Die Politiker der bürgerlichen Parteien sträuben sich: sie verabscheuen jegliche Koalition mit den Rechts- und Linksextremen AfD und Linke. Das ist verständlich und legitim, zumal nicht sicher ist, ob die AfD überhaupt koalitionsbereit wäre.
Eine Regierungsbeteiligung der AfD wäre in der Tat schwer vorstellbar. Ihr Führungspersonal mit seinen antisemitischen Reflexen und Reichsbürger-ähnlichen Flausen mit dem Innen- oder Aussenressort plus Vizekanzlerposition zu betrauen, fordert einen starken Magen.
Wer denkt, dass sich die bürgerlichen Politiker angesichts dieser Alternative in Harmonie und Kompromissbereitschaft üben würden, irrt. Es zeigt sich, dass der Leim, der diese angedachte Jamaika-Koalition zusammen halten soll, nicht die Sorge um die Zukunft Deutschlands sein würde, sondern lediglich die Abwehr der Rechtsextremen. Nicht ein gemeinsames Streben eint die potentiellen Koalitionäre, sondern ein gemeinsamer Feind. Ein schwacher Klebstoff: es fällt nicht schwer, einer Jamaika-Koalition -- so sie zustande kommt -- ein kurzes Leben zu prophezeien.
Angesichts der Flucht der SPD in die Opposition aus Furcht vor einer weiteren, zermürbenden GroKo bleibt nur die Alternative erneuter Wahlen, falls sich die Jamaika-Parteien nicht einigen können. CDU-Chefin Angela Merkel warnt zurecht vor Wahl-Spekulationen: wer weiss, wie die Wähler auf das Trauerspiel gescheiterter Koalitionsgespräche reagieren werden. Vielleicht würde sich das Wahlergebnis nicht wesentlich von dem vorigen unterscheiden. Vielleicht würden die Wähler den Ball zurück in das Feld der bürgerlichen Parteien werfen; vielleicht aber würden sie die AfD weiter stärken und dadurch Verhandlungen über eine Mitte-Rechts-Koalition erzwingen und Deutschland in schwere innere und äussere Konflikte stürzen.
Das Ergebnis der letzten Wahl hat gezeigt, dass viele Wähler enttäuscht und gereizt sind. Die Unfähigkeit der Politiker und Beamten, die Masseneinwanderung zu managen und die Bürger – vor allem die Frauen – einigermassen zu schützen, hat die Identifikation der Wähler mit ihrem Staat beschädigt. Ob sich daran seit der letzten Wahl viel geändert hat, ist fraglich.
Heinrich von Loesch