Ein Notopfer für die Ukraine
Die jüngste Kehrtwende von US-Präsident Donald Trump erlaubt die Lieferung von amerikanischen Rüstungsgütern an die Ukraine, sofern die Ukraine für den Kauf bezahlt. Trump ist Geschäftsmann: Er wird sich freuen, wenn die US-Rüstungsindustrie mit dem Verkauf an die Ukraine gute Geschäfte macht (und als Dank einen weiteren Wahlkampf finanziert).
Es gibt nur einen Haken dabei: Der Ukraine fehlt das Geld für Einkauf in den USA. Hier kommt Europa, und insbesondere Deutschland, ins Spiel: Die europäische Rüstungsindustrie ist leider viel zu klein, um den aktuellen Bedarf der Ukraine zu decken.
Aber Europa hat etwas anderes, das jetzt genauso gut ist wie Waffen: Geld.
Europa steht am Scheideweg: Entweder gibt es der Ukraine das Geld, das sie braucht, um ihren Rüstungsbedarf zu decken, indem sie in den USA oder wo auch immer einkauft, oder Europa riskiert, dass ein siegreicher Putin seinen Traum verwirklicht: den Traum von russischen Panzern, die westwärts über deutsche Autobahnen rollen, von Güterzügen voller Beute und Häftlingen, die ostwärts in die Gegenrichtung rollen, von einem Quisling-Regime - vielleicht mit Sahra Wagenknecht - in Berlin, das die „Befreiung“ bejubelt.
Deutschland, also Westeuropas Vorhut Richtung Osten, steht vor der Wahl: den Kampf der Ukraine zu finanzieren oder zu riskieren, dass Putin seinen Traum verwirklicht, weil eine von Trump entkernte Nato wie gelähmt zusieht.
o.k., o.k.: Ganz so dramatisch ist die Situation nicht. Dank Frankreich und Großbritannien ist die Nato noch existent. Das gefährdungsbewusste Polen schützt noch immer die deutsche Ostgrenze. Die tapfere Ukraine ist noch nicht verloren.
Doch viele Fragen bleiben unbeantwortet:
Kann die Ukraine vier Jahre lang bis zu den nächsten US-Präsidentschaftswahlen durchhalten? Wird Trump nicht doch irgendwie weiterregieren können? Oder wird der crackpot Vance seinen Platz einnehmen? Oder ein anderer republikanischer Hardliner?
So oder so: Solange die Ukraine kämpfen kann, ist Europa relativ sicher. Die Ukraine bindet einen Teil der militärischen Macht Russlands und schützt Europa effektiv. Europa - vor allem Deutschland - sollte daher dafür sorgen, dass Kiew immer über genügend Waffen verfügt.
Praktisch gesprochen: Was muss geschehen? Europa, also Deutschland, sollte die Waffenkäufe der Ukraine finanzieren. Erforderlich ist ein
Ukraine- Notopfer
in Höhe der jetzt fehlenden amerikanischen Waffenhilfe, also rund 175 Milliarden Dollar über zwei bis drei Jahre. Das entspräche rund 160 Milliarden Euro oder knapp 80 Milliarden pro Jahr.
Wenn wir realistischerweise davon ausgehen, dass Italien und Frankreich wegen hoher Staatsverschuldung nicht zahlen wollen, Polen bereits vorbildlich in Verteidigung investiert hat und Großbritannien durch den Vormarsch der Reformpartei gelähmt ist, dann bleibt Deutschland als Hauptzahler des Notopfers übrig.
Die 80 Milliarden entsprechen rund 4 Prozent des gesamten deutschen Staatshaushalts.
Wenn jeder Haushalt - Bund, Länder und Gemeinden - vier Prozent in den Notopferfonds einzahlen würde, könnte die Ukraine erhalten, was sie braucht. Würden andere EU-Länder auch einen Beitrag leisten - die Niederlande, Dänemark, Belgien, Österreich -, - dann würde der Nothilfeanteil Deutschlands schrumpfen.
Wichtig ist jedoch die zeitliche Dimension: Das Geld würde der Ukraine nur helfen, wenn es rechtzeitig käme, zum Beispiel wenn Deutschland für seine Nachbarn in Vorleistung ginge.
Es ist ein Glück, dass Deutschland gerade eine neue Regierung bekommt, die solch ein ungewöhnliches Projekt mit Energie durch Bundestag und Bundesrat bringen könnte.
Heinrich von Loesch