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Italien: Letzte Ausfahrt Draghi

 

    Noch nie seit Benito Mussolini war Italiens Politik so sehr auf eine einzige Person zugeschnitten: Mario Draghi. Alle grösseren Parteien wollen ihn unterstützen, mit Ausnahme der Neofaschisten von Giorgia Meloni – doch selbst sie wurden von anderen Neofaschisten der Alleanza Nazionale AN aufgefordert, nicht gegen Draghi zu opponieren.

     Eine für italiensche Verhältnisse geradezu unglaubliche Einstimmigkeit. Offensichtlich hat der Salotto, die Politklasse, begriffen, dass Draghi Italien die letzte Chance vor dem endgültigen Absturz bietet.

     Er hat Staatspräsident Sergio Mattarella vor Annahme des Auftrags zur Regierungsbildung klar gemacht, dass er nicht bereit ist, die üblichen Machtspielchen des Salotto mitzumachen. Die Parteien scheinen das verstanden zu haben.

     Noch sind die Hoffnungen, die Draghi verkörpert, gross. Ein Italiener, den Brüssel und die Welt kennt und respektiert. Ein Manager, der als Chef der Europäischen Zentralbank bewiesen hat, dass er mit einem Wort den Euro und Italiens Finanzen retten kann. Ein Experte, dem man zutraut, dass er die Europäische Union modernisieren und Italien-freundlicher gestalten könnte.

    So gross sind die Hoffnungen, dass sie Super-Mario fast erdrücken könnten. Und sie erzeugen die bange Frage, was passiert, wenn Draghi nicht so liefern kann, wie Italien es erwartet? Die ersten Probleme tauchen schon bei der Gestaltung der Kabinettsliste auf. Wer bekommt die begehrten poltrone – die Lehnsessel der Ministerämter?

    Noch kritischer wird es, wenn Draghi sein Arbeitsprogramm und Budget vorstellt. Werden die Parteien ihre in jahrelangen Grabenkämpfen ausgefeilten Positionen einem gesamtitalienischen Interesse unterordnen – werden sie Draghis Machtwort schlucken, wenn er Knoten durchhauen muss?

     Die kommenden Wochen und hoffentlich Monate dürften spannend werden, für Italien und Europa. Brüssel, Berlin und Frankfurt werden Draghi die Däumchen halten, doch die Rating-Agenturen werden unbarmherzig zuschauen. Für sie gilt kein Draghi-Bonus.

 

Benedikt Brenner

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