Flüchtlinge in Gaza?

 

Seit 1949 gibt es das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Seit 74 Jahren kümmert sich diese Organisation um die Palästina-Flüchtlinge, von denen es 2019 laut UNRWA noch 5,6 Millionen gibt, darunter 1,9 Millionen, die derzeit Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen und 1,2 Millionen, die Nahrungsmittelhilfe erhalten. Es versteht sich von selbst, dass die Mitarbeiter der Hilfsorganisation überwiegend Palästinenser sind.
Gestatten Sie mir eine kleine persönliche Abschweifung:

Ihr Autor war selbst ein Flüchtling: Er wurde im Sommer 1946 in einem Viehwaggon von Österreich nach Deutschland (ins "Altreich") deportiert, zusammen mit Roma, die aus dem KZ Mauthausen befreit worden waren, und anderen DPs (Displaced Persons). Niemand, den ich kenne, würde sich heute, fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als Flüchtling bezeichnen. Soweit sie noch leben, sind sie alle irgendwo integriert, vielleicht erinnern sie sich an den guten Labskaus aus Corned Beef, den uns irgendeine Hilfsorganisation auf dem Bahnsteig spendiert hat, oder an die Lieder, die wir abends mit den Roma in der offenen Waggontür gesungen haben: "Heimat, deine Sterne...".
Ihr Autor fragt also: Wie kann es sein, dass es 74 Jahre nach dem Ende eines Krieges immer noch Flüchtlinge in Palästina gibt, oder "Geflüchtete", wie die Neuankömmlinge aus dem globalen Süden jetzt genannt werden.

Wer sind diese 5,6 Millionen, von denen die UNRWA spricht? 

Im Laufe des Krieges begann die Flucht oder Vertreibung vieler palästinensischer Araber. Die Gründung Israels gilt für die Palästinenser als Katastrophe (Nakba). Die jüdischen Flüchtlinge wurden größtenteils in den Staat Israel umgesiedelt; viele der arabischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen leben noch immer in Flüchtlingslagern, die von der UNRWA betrieben werden. (Wikipedia)

Ein paar Greise dürften die letzten Vertreter der ersten Generation sein. Bei den so genannten Flüchtlingen handelt es sich also fast ausschließlich um Vertreter der zweiten, dritten, vierten Generation von Palästinensern nach dem Ende des Krieges.

Die Bevölkerung des Gazastreifens weist eine hohe Wachstumsrate von 3,3 Prozent pro Jahr im Jahr 2019 auf. Das bedeutet eine Verdoppelung innerhalb von 21 Jahren. Derzeit leben 2,1 Millionen Menschen in Gaza.
Wie kommt es, dass einige dieser Menschen in Lagern leben und internationale Hilfe erhalten? Man kann davon ausgehen, dass ein Teil der ursprünglichen Lagerinsassen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte die Lager verlassen haben und sich außerhalb selbständig gemacht haben. Gleichzeitig hat aber die verbleibende Lagerbevölkerung stark zugenommen, so dass die Lager unter dem Strich nicht kleiner geworden sind.

Hier eine persönliche Abschweifung:

Die Palästinenser, die ich kenne, leben nicht in Lagern. Sie sind das Hilfspersonal der Scheichs am Persischen Golf. Sie sind den Menschen am Golf dank ihrer Bildung überlegen, sind gefragte Fachkräfte im Wettbewerb mit Ägyptern, sind Unternehmer oder Politiker wie Ahmad Shukeiri. Diese Palästinenser haben sich, genau wie die deutschen Flüchtlinge nach 1945, hochgearbeitet, ein erfolgreiches Leben geführt - und irgendwann vergessen, dass sie als Flüchtlinge angefangen haben.

Zurück zum Gazastreifen: Dort leben 2 Millionen Araber, die man gewöhnlich Palästinenser nennt. Flüchtlinge? Keine Frage, wenn es sich um Menschen handelt, die von israelischen Siedlern im Westjordanland vertrieben wurden und nach Gaza kamen. Aber die dritte, vierte Generation der Nachkommen der Opfer von 1948? Warum sollte man sie als Flüchtlinge bezeichnen? Sicherlich gibt es Bedürftige, aber warum sollte man die Bewohner der Lager immer noch Flüchtlinge nennen und ihnen ein spezielles UN-Hilfswerk widmen? Die Situation heute:

Fast 600.000 Binnenvertriebene sind in 150 Einrichtungen des Palästinensischen Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) im Gazastreifen untergebracht, teilte die UN-Agentur per X mit. Die Unterkünfte seien viermal so voll, wie es die Kapazität zuließe. "Viele Menschen schlafen auf der Straße, da die bestehenden Einrichtungen überlastet sind", hieß es. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden. (UNRWA)

Wer sind diese "Binnenflüchtlinge"? Wie viele von ihnen sind möglicherweise Opfer der israelischen Bombardierung des Gazastreifens, zusätzlich zu den ständigen Bewohnern der dritten und vierten Generation in den Lagern? Wie üblich sind die von der UNRWA gelieferten Informationen undurchsichtig.

Jeder, der wie der Autor UNRWA-Lager besucht hat, wird bestätigen, dass die Organisation gute Arbeit leistet. Sie sorgt für ihre Lagerinsassen; die Lager selbst sind längst zu dauerhaften Einrichtungen geworden. Ein Trostpflaster für die Araber?

Heinrich von Loesch
 
Update

Etwa 80 % der Bevölkerung der Enklave - 1,7 Millionen von 2,1 Millionen - sind Nachkommen von Flüchtlingen, die während des Krieges von 1948, der zur Gründung Israels führte, aus dem Gebiet des heutigen Israels geflohen sind - ein Ereignis, das die Araber als "Nakba" oder Katastrophe bezeichnen.

Viele flohen 1948 freiwillig, nachdem ihnen von den arabischen Armeen, die den Krieg begonnen hatten, versprochen worden war, dass sie innerhalb weniger Tage in ihre Häuser zurückkehren würden, während andere von der Haganah, dem  militärischen Arm des jüdischen Staates, gewaltsam vertrieben wurden. (Gianluca Pacchiani)

 

PS

Die Beziehungen zwischen dem UNRWA und der Hamas sind schlecht. Seit Jahren versucht die Hamas, die Hilfsorganisation für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. De facto hat sie die Pflicht der Regierung, die Bevölkerung des Gazastreifens zu versorgen, an die UNO abgetreten und die Steuereinnahmen weitgehend in die eigene Kriegskasse gelenkt. Es ist auch davon auszugehen, dass die Stürmung der UNRWA-Lebensmittellager und die Plünderungen von der Hamas initiiert wurden.

 

Kommentar

Ein palästinensischer Staat?

Außenminister Antony Blinken, Ex-Präsident Barack Obama und zahlreiche andere haben sich für einen eigenen palästinensischen Staat ausgesprochen.Die Vorgeschichte dieses Projekts ist lang:

Nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedeten die Vereinten Nationen (UN) 1947 einen Teilungsplan für das Mandatsgebiet Palästina, der die Schaffung unabhängiger arabischer und jüdischer Staaten und eines internationalisierten Jerusalem empfahl.

 Die israelische Unnachgiebigkeit, die Gewalt der Siedler im Westjordanland, der Verlust der politischen Autorität von Mahmoud Abbas, die Verachtung der Palästinenser für die Rolle der Palästinensischen Autonomiebehörde bei der Erfüllung der israelischen Sicherheitsanforderungen und der zerstörerischen Militär- und Siedlereinfälle, die Förderung der Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten am Persischen Golf durch die USA, ohne dass die palästinensische Frage als wesentlicher Bestandteil dieses Prozesses behandelt wurde, und das Auftauchen militanter Gruppen in den Städten des Westjordanlandes, die sich der Palästinensischen Autonomiebehörde widersetzen - all dies hatte tödliche Folgen.

Eine Gallup-Umfrage ergab, dass nur 24 % der im Westjordanland, im Gazastreifen und in Ostjerusalem lebenden Palästinenser eine Zwei-Staaten-Lösung befürworten, gegenüber 59 % im Jahr 2012. Junge Palästinenser waren deutlich weniger begeistert als ihre Eltern.

Warum also wird der separate Staat für die Palästinenser wieder lautstark gefordert, obwohl weder Israel noch die Palästinenser ihn wollen? Die Idee dieses Staates führt ein Eigenleben, losgelöst von der Realität, weil sie eine bequeme "Lösung" zu bieten scheint und deshalb immer wieder wie ein U-Boot auftaucht.

 

Die UNRWA?

Die UNRWA ist ein Ungeheuer aus Urzeiten. Die Organisation wurde gegründet, als es einen echten Bedarf für eine geflüchtete oder vertriebene Bevölkerung gab, und wurde jahrzehntelang als Trostpflaster für die Araber aufrechterhalten. Inzwischen hat sich die Welt verändert. Das Hochkommissariat für Flüchtlinge UNHCR, eine Organisation mit weltweiter Zuständigkeit, wurde gegründet.

Zweifellos ist das UNRWA jetzt besonders gefordert, denn der Gaza-Krieg hat viele hunderttausende neue Flüchtlinge hervorgebracht. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die Arbeit des UNRWA auf lange Sicht großen Schaden angerichtet hat. Millionen seiner Kunden haben Sozial-und Nahrungsmittelhilfe erhalten, die ihnen ein armes, aber sorgenfreies Leben ermöglichte. Generationen von arbeitsfähigen jungen Männern wuchsen ohne vollwertige Arbeit und Zukunftsperspektive auf und waren leichte Beute für radikale Ideen aller Art, die nur durch ihren Hass auf Israel, Amerika, den Westen und das UNRWA geeint wurden. Es ist an der Zeit, über die schrittweise Abschaffung des UNRWA nachzudenken oder über ihre Eingliederung in das UNHCR. .Was sollte jedoch mit den "Kunden" des UNWRA geschehen?

Wohin mit den Palästinensern?

In Gaza gibt es keine Alternative zu der Existenz in den Lagern und der Abhängigkeit von dem Hilfswerk. Im Prinzip sollte Auswanderung möglich sein. In Wirklichkeit jedoch will keiner der arabischen Staaten hundertausende oder Millionen Palästinenser aufnehmen, selbst wenn ihr Bildungsniveau eine Bereicherung der Wirtschaft versprechen würde. Ägypten ist mit seinen mehr als hundert Millionen bereits stark übervölkert. Die Monarchien am Golf haben Angst vor den republikanisch und islamistisch gesinnten Palästinensern. Die von den Hamas-Kriegern am 7. Oktober in Israel verübten Greuel haben den Ruf der Gaza-Bewohner schwer beschädigt und ihre Chancen, im Westen Unterschlupf zu finden, beeinträchtigt. Es scheint, als ob es in der Welt keinen Platz für Palästinenser gibt.

 

Noch einmal: die UNRWA

"Denn die USA sind auch dumm genug, die UN-Agentur UNRWA weiter zu finanzieren. Das ist eine der korruptesten Organisationen, die es bei der UNO gibt. Und das will schon etwas heißen. Allein im Jahr 2021 waren die USA der größte Einzelspender des UNRWA und schaufelten erstaunliche 338 Millionen Dollar.

Auch andere Länder wurden für dumm verkauft.
Die EU gibt in diesem Jahr mehr als 100 Millionen Dollar für Gaza aus. Aber selbst die EU-Länder geben dem UNRWA nicht so viel Geld wie die USA. Die USA sind bei weitem der größte Geber. Der nächstgrößte Geber ist Deutschland mit 176 Millionen Dollar, die jährlich an die Organisation gehen. Insgesamt haben die US-Organisationen in den letzten Jahren Milliarden von Dollar nach Gaza geleitet. Und all diese Gelder sind nicht in die Verbesserung des Lebens der Palästinenser geflossen, sondern in den Bau von Palästen für die Hamas und von Tunneln für ihre Waffen und Terroristen."

Douglas Murray -- New York Post

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