„Es ist zu spät für die Linke“, klagt François Ruffin
Der Ex-LFI-Abgeordnete François Ruffin urteilte am Dienstag, dass die Neue Volksfront „das Fenster der Gelegenheit“ zum Regieren verpasst habe, und betonte, dass man „de facto“ in den von Emmanuel Macron heraufbeschworenen politischen Waffenstillstand eingetreten sei, „weil es keine Kämpfer“ auf der Linken gebe.
„Es ist zu spät, wissen Sie, in der Politik geht es darum, den Kairos des Augenblicks zu ergreifen. Wir hatten ein Fenster der Gelegenheit, das uns offen stand, wir konnten hineinschlüpfen und sagen, voilà, vielleicht werden wir nicht alles tun, aber es gibt Dinge, die wir tun können“, bedauerte er auf France 2 und hoffte, dass sich dieses Fenster ‚im Herbst wieder öffnen‘ könnte.
Der wortgewandte François Ruffin geißelte auch die Haltung von Jean-Luc Mélenchon, von dem er sich distanzierte. „Was zu zählen scheint, sind weniger die Interessen der Franzosen als die Präsidentschaftswahlen und er, während er bereits viermal gegen den RN verloren hat“, kritisierte er bei France 2 und ging dabei auch auf seine Äußerungen gegenüber der Tageszeitung La Repubblica ein.
Zur Erinnerung: Jean-Luc Mélenchon behauptete am Sonntag, dass die „endgültige Wahl Frankreichs zwischen“ ihm und „Le Pen“ fallen werde. Das ist keine sehr appetitliche Wahl“, meint François Ruffin. Die Linke wird sich fragen müssen, wer am besten geeignet ist, den RN zu schlagen“, schloss er.
Während die Deutschen den 70. Geburtstag von Angela Merkel feiern, feiert die Republikanische Partei in Milwaukee ihren neuen Star: Donald Trumps Vizepräsidentschaftskandidaten J. D. Vance. Die Wahrscheinlichkeit, dass Vance am 15. Januar nächsten Jahres Vizepräsident der USA wird, steigt täglich. Er ist ein vehementer Gegner von Hilfen für die Ukraine und fordert die Ukraine angesichts ihrer personellen und materiellen Unterlegenheit auf, sich unterzuordnen.
Mit einer defensiven Strategie kann die Ukraine ihre wertvollen militärischen Kräfte schonen, das Ausbluten stoppen und Zeit für die Aufnahme von Verhandlungen gewinnen.
Das Problem ist, dass Putin, wenn jemand, der der US-Macht so nahesteht wie Vance, sich derart äußert, ermutigt wird, seine Forderungen zu erhöhen. Es wäre naiv anzunehmen, dass Putin die Ukraine-Vorschläge eines Präsidenten Trump (wie von Orban skizziert) in toto akzeptieren wird. Putin wird mehr fordern und mehr bekommen, nämlich die gesamte Ukraine, nicht nur das bereits von Russland besetzte Gebiet. Den Resten des ukrainischen Militärs droht im besten Fall Sibirien, im schlimmsten Fall sofortiger Genickschuss, wie Ex-Präsident Medwedew angekündigt hat.
Iwano-Frankiwsk ist eine charmante westukrainische und galizische Stadt, die Touristenführungen in mehreren Sprachen (außer Russisch) anbietet. Die Oblast bildet ein schmales Tor zum Westen, zur Slowakei und nach Ungarn. Beide Länder sind Mitglied der NATO und beherbergen so genannte multinationale battlegroups. Das hindert ihre Regierungen jedoch nicht daran, offen russophil zu sein. Der Ungar Viktor Orban präsentiert sich gerne als Freund Putins, der Slowake Robert Fico bewundert Orban und kopiert ihn.
Eine interessante Frage: Was wird passieren, wenn Putins Truppen von Iwano-Frankiwsk aus nach Westen vorrücken und in die Slowakei und Ungarn einmarschieren? Wird die jeweilige Regierung die Russen als Freunde empfangen und sie nach Westen, nach Wien, durchwinken? Was wird die battlegroup tun? Wird sie die Regierung fragen, ob sie verteidigt werden will?
Auch interessant: Was würde die österreichische Regierung tun, wenn die Russen in Ödenburg, Pressburg und Steinamanger auftauchen und Wien bedrohen? Würde sich Österreich auf seine Neutralität und Nichtmitgliedschaft in der NATO berufen, wie sie im Staatsvertrag von 1955 verankert ist?
Am 26. Oktober 1955 beschloss der Nationalrat das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs. Zehn Jahre später bestimmte der Nationalrat diesen Tag zum österreichischen Nationalfeiertag.
Würde Österreich die russischen Truppen in Richtung Salzburg, Braunau und Schärding durchwinken?
Von Iwano-Frankiwsk nach Passau sind es 1170 Kilometer, das ist die gleiche Entfernung wie von Berchtesgaden nach Kopenhagen.
Heinrich von Loesch
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Überraschend schnell hat sich die französische Linke auf einen Kandidaten für das Amt des Premierministers als Nachfolger von Gabriel Attal geeinigt: Es ist eine Frau: Huguette Bello aus La Reunion. Die 1950 geborene Bello ist eine enge Mitstreiterin von Jean-Luc Mélenchon, dem Führer der Insoumises, der sie unterstützt.
Sie sei nichts anderes als Mélenchon mit einer Perücke, schimpfen die Macronisten. Sie genießt auch die Unterstützung der Kommunisten, denen sie vor der Gründung ihrer eigenen reunionistischen Partei Pour La Réunion (PLR) angehörte. Die Kommunisten haben Bello als Kompromisskandidatin vorgeschlagen.
Die Haltung der Grünen zu ihr ist noch unklar; sie haben ihre eigene Kandidatin: Marine Tondelier. Auch die Sozialdemokraten haben eine Frau im Angebot: Ericka Bareigts. Eine der drei Damen wird es wohl werden.
--ed
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Der Kreml hat vor kurzem RuWiki gestartet, eine Kopie der ursprünglichen Wikipedia-Website, die als "orwellianisch" bezeichnet wird. Welche Bedeutung hat dieses Projekt in der Strategie der Desinformation und Informationskontrolle der russischen Regierung?
Das RuWiki-Projekt geht auf das vergangene Jahr zurück. Es ist für den Kreml absolut vorrangig und dient, ein ganz bestimmtes Ziel zu erfüllen: die Kontrolle der Massen.
Wikipedia, die größte Online-Enzyklopädie der Welt, wird von einem Team von Freiwilligen verwaltet. Um die Objektivität der Online-Informationen zu wahren, stellen diese Redakteure eine eher objektive und ausgewogene Sicht auf ein Thema dar. Einige Artikel, insbesondere im Zusammenhang mit der Ukraine oder der sowjetischen Geschichte, werden logischerweise als gegen die russischen Interessen gerichtet betrachtet.
Einige zertifizierte Wikipedia-Redakteure haben beschlossen, sich an alternativen Projekten wie RuWiki zu beteiligen, um dem Kreml zu dienen. Hinter diesem Projekt steht Vladimir Medeyko, der zuvor in die russische Wikipedia involviert war und direkt von Wikimedia Russia aus agiert hatte.
Geschichtsumschreibung, Verbreitung von Fake-News ... Die Artikel in RuWiki dienen dazu, die russischen Bürger gemäß den Wünschen des Kremls und seiner Doktrin der hybriden Kriegsführung gegen den Westen "umzuerziehen". Heutzutage hat RuWiki nichts mehr mit einer Enzyklopädie zu tun, die von Natur aus objektiv sein soll: Es ist schlicht und einfach ein Propagandawerkzeug. Moskau verfolgt damit ein doppeltes Ziel: seine Politik abzusichern.
Für Moskau geht es also um zweierlei: die Abriegelung seiner Innenpolitik, aber auch darum, über den russischen Raum hinauszugehen, indem man sich beispielsweise an die Ukrainer oder russischsprachige Bürger in Zentralasien wendet.
Die Medien der zivilisierten Welt, der UN-Sicherheitsrat und viele Prominente waren schockiert, als russische Raketen ein Kinderkrankenhaus in Kiew zerstörten.
Der pro-russische Blogger Jason Hinkle behauptet, eine ukrainische Patriot PAC3-Rakete habe das Krankenhaus zerstört. Das (russische) Verteidigungsministerium dementierte die offensichtliche Lüge (dass eine russische Rakete das Krankenhaus angegriffen habe) und verwies darauf, dass Kiew regelmäßig zu solchen Provokationen greift. Problem: Warum liest der Weltsicherheitsrat keine russischen Zeitungen, bevor er entscheidet?
Völkermord ist eine bekannte Methode zur Lösung ethnischer, regionaler oder geopolitischer Konflikte. Es ist üblich, den Opfern die Schuld zu geben. Vielleicht haben die Kinder in Kiew selbst um die Bombardierung gebeten, natürlich als Provokation. Von der Zerstörung Karthagos über Karls des Grossen Kampf gegen die Sachsen bis zum Holocaust war Völkermord eine weit verbreitete Praxis, die von den Tätern ohne Skrupel und manchmal sogar mit offensichtlicher Freude praktiziert wurde. Seit 1945 und den Nürnberger Prozessen haben die Modernisierung des Lebens und die Intensivierung der Medien eine neue Sensibilität entstehen lassen, die den Völkermord in seinen verschiedenen Formen ablehnt und anprangert. Diese Abscheu vor dem Völkermord ist jedoch kein weltweites Phänomen, sondern beschränkt sich auf den globalen Westen. Die Tatsache, dass China, Indien, Brasilien, Ägypten und Südafrika nichts gegen den Krieg Russlands in der Ukraine einzuwenden haben, hilft Russland und lässt den Westen naiv und unglaubwürdig aussehen.
Für den globalen Süden ist die Ukraine nur eine rebellische Provinz und der von Russland angestrebte und zum Teil bereits praktizierte Völkermord lediglich eine Disziplinierungsmaßnahme, die sich die rebellische Ukraine selbst eingebrockt hat.
Dass im Zuge des angestrebten Völkermordes die ukrainische Sprache, Geschichte und Kultur zerstört werden, juckt den Süden nicht. Shit happens, wie schon Forrest Gump wusste.
Mehrere Ethnozide oder Völkermorde finden derzeit statt, ohne dass die Öffentlichkeit davon sonderlich Notiz nimmt. Die Armenier in Berg-Karabach, die von den Aseri vertrieben wurden; die Dar Fertit und andere "Afrikaner" in Darfur, die von den "Arabern" verfolgt werden; die Rohingya in Myanmar; die Tagaeri und die Tarmenane in Ecuador; die Kuki-Christen in Manipur, die von Meitei-Hindus verfolgt werden; die Tibeter und Uiguren in China.
Die Toleranz der Öffentlichkeit gegenüber Völkermord nimmt mit der geografischen und kulturellen Entfernung zu. Weiß der Durchschnittsamerikaner, wo die Ukraine liegt? Wahrscheinlich nicht. Der durchschnittliche Pole hingegen verfolgt gespannt die Ereignisse in dem Nachbarland, das einst zu Polen gehörte.
Die Deutschen wären vermutlich weniger begeistert von einer Fußballmeisterschaft, wenn gleichzeitig in Frankreich, Österreich oder Polen Krieg und Völkermord stattfänden.
Völkermord ja, aber bitte nicht nebenan.
--ed
"Es zieht sich ein roter Faden durch, dass die Ukraine als solche nicht existiert, nicht existiert hat und nicht existieren sollte. Hier, in diesen Lehrbüchern, wird gesagt, dass es kein ukrainisches Volk gibt, sondern nur ein gemeinsames russisches Volk. Den Ukrainern wird das Recht auf Selbstbestimmung, auf ihre Geschichte, auf ihre Kultur und auf ihre Sprache komplett genommen."Ist Mord normal? Ist die Zerstörung von Kultur normal? Ist die Zerstörung von Bildung normal? Wie man das nennt? Das nennt man Genozid."
Wladimir Putin, Präsident Russlands: "Die sowjetische Führung hat die sowjetische Ukraine erschaffen. Vorher gab es in der Menschheitsgeschichte keine Ukraine." Die Ukraine als Staat, ihre Landesgrenzen, Identität und Geschichte – das alles stellt Russlands Präsident Putin in Frage und propagiert die Einheit alles "Russischen".
Wenn die Ukraine so russisch wäre, wie Putin behauptet: warum wehrt sie sich dann verzweifelt mit abertausenden von Toten gegen die gewaltsame Russifizierung?
Es ist offensichtlich. Putin versucht, den von ihm organisierten Völkermord in der Ukraine zu erklären: Als Befreiung, als Entnazifizierung. Als eine Heimkehr ins Reich. Wie dem auch sei, die große Mehrheit der Russen glaubt ihm, und mit ihnen der globale Süden, der wie Putin den Völkermord für ein bewährtes Instrument der geopolitischen Problemlösung hält.
Russland ist Teil des globalen Südens. Völkermord ist ein Phänomen, das sich durch die russische Geschichte zieht. Lange vor Stalin und dem Holodomor (3 - 7 Millionen tote Ukrainer) schreckten die Zaren nicht davor zurück, störende Völker wie die Tscherkessen (600.000 bis 750.000 Tote) oder die zentralasiatischen Türken (500.000 Tote) zu vernichten. Zwischen 25.000 und 140.000 Wolhynien-Deutsche überlebten die Deportationen während des Ersten Weltkriegs nicht, und schätzungsweise 150.000 Muslime (Türken und Kurden) fielen 1917 den russisch-armenischen Truppen und Milizen in der Türkei und im Iran zum Opfer.
Wie erfolgreich Völkermord sein kann, zeigt der Fall der Tscherkessen: By 1864, three-fourths of the population was annihilated, and the Circassians had become one of the first stateless peoples in modern history.
Angesichts dieser historischen Tradition ist es unwahrscheinlich, dass Wladimir Putin jemals für seinen ukrainischen Völkermord zur Rechenschaft gezogen werden wird (wie Juliya Nawalnaja fordert). Wie die Zaren und Stalin wird er als große Figur in die russische Geschichte eingehen, denn er ist bestrebt, Stalins Werk der Zerstörung der Ukraine zu vollenden.
Ironischerweise wird die Ukraine für Russland umso wertvoller, je länger Putin sich um die Vernichtung des Nachbarlandes bemüht. Man sollte meinen, dass eine zerbombte, verminte und entvölkerte Ukraine für die Eroberer wertlos wäre, aber das Gegenteil ist der Fall.
Nicht nur die sonnenverwöhnte Krim, die Strände des Asowschen Meeres und die enormen Bodenschätze der Ukraine bereichern Russland; durch die jahrelange Verteidigung hat die Ukraine eine Modernisierung und Verwestlichung erreicht, über die Russland nur staunen kann. Das ukrainische Militär, so klein es aufgrund von Personalmangel auch sein mag, ist wahrscheinlich das erfahrenste und schlagkräftigste in Europa.
Die ukrainische agrarbasierte Wirtschaft, die früher arm und dem ressourcenreichen Russland völlig unterlegen war, wird derzeit umfassend modernisiert und geniesst Zugang zu moderner westlicher Technologie und Unternehmensführung.
Zum ersten Mal in einem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zwingt der Westen die Ukraine zur Abschaffung der Korruption: ein Fortschritt, von dem Russland nur träumen kann. Mit anderen Worten: die Ukraine errichtet einen modernen, weltoffenen Staat des 21. Jahrhunderts, den Putin nutzen könnte, um seinen Russen zu zeigen, wohin die Reise gehen muss.