Es gibt laut Pew Research 5,760,999 Moslems in Frankreich, oder 8.8% der Bevölkerung. Jeder Elfte fühlt sich betroffen, wenn Präsident Emmanuel Macron die Mohammed-Karikaturen verteidigt und dem islamischen Terror den Kampf ansagt. Denn es ist nicht irgendein Terror, von links, von rechts, von Anarchisten, Basken oder Korsen, es ist ganz spezifisch Terror einer religiosen Gemeinschaft, der alle Moslems angehören und in deren Namen das Unsägliche geschieht.
Für alle Moslems bedeuten die Karikaturen des Propheten Blasphemie, weil Mohammed für sie das Äquivalent zu Jesus für die Christen darstellt, nämlich eine Gottheit. Nicht Gottes Sohn, sondern Gottes Mund. Durch ihn hat Gott den Koran offenbart, das Gesetz für alle Menschen und alle Zeiten.
Ich hatte unlängst das Privileg, dem Gebet frommer Kunsthändler von der Kurdensippe Miri in Berlin beizuwohnen. Nach dem Gebet entspann sich ein Gespräch uber den Koran als Quelle des Wissens im Vergleich zur modernen Wissenschaft. Alles Wissenswerte findet sich im Koran, wenn man nur gründlich genug liest, hörte ich. Dass es Vorläufertexte des Koran in Syrien gab, auf die sich Mohammed stützte – unbekannt. Es kann keine Vorläufer für Gottes Wort gegeben haben, wie es Mohammed verkündete.
Dass Gottes Sprachrohr nicht karikiert werden darf, sollte ein gutwilliger Nicht-Moslem verstehen. meint man. Doch es geschah, und jeder elfte Bewohner Frankreichs könnte sich betroffen gefühlt haben, Von Trauer über die Instinktlosigkeit der nicht-moslemischen Mitmenschen über Zorn bis zu Hass dürfte die Spannweite der Reaktionen gereicht haben. Hass provoziert Terror, vor allem bei einer so gereizten, religiös überempfindlichen Minderheit wie den Moslems.
Präsident Macron hat nun beschlossen, den islamistischen Terror gründlich zu bekänpfen. Dabei ähnelt er Xerxes, der das Meer peitschen liess, weil ein Sturm seine Brücke vernichtet hatte. Bei fast sechs Millionen Moslems gibt es nicht nur organisierte Islamisten, sondern ein unendliches Potential an einsamen Wölfen, die sich irgendwann berufen fühlen könnten, den Propheten zu rächen.
Die Stimmung in Frankreich ist aufgeheizt: spätestens seit Houellebecq steckt die Furcht vor dem Islam, vor dem Elftel der Mitmenschen, den alten Franzosen “de souche” in den Knochen. Selbst ein im Prinzip so lächerliches Objekt wie eine Serie Karikaturen wird verteidigt wie der Flugzeugträger Charles de Gaulle.
Die Fronten sind klar: auf einer Seite eine Mehrheit, die ein Land weiterhin so führen will, als gäbe es die Minderheit garnicht oder besser: als füge sich die Minderheit fugenlos in den Lebensstil der Mehrheit ein. Auf der anderen Seite eine Minderheit, die sich stark fühlt und fordert, dass der Lebensstil ihren Bedürfnissen angepasst wird.
Mit seinem Feldzug gegen den islamistischen Terror bekämpft Macron Symptome, nicht Ursachen. Terror gibt es überall, wo der Islam mit anderen Religionen und Lebensstilen kollidiert. Dabei können durchaus auch Moslems in der Opferrolle stecken, wie Indien, Myanmar und die Philippinen zeigen. Terror und Gewalt lassen sich nur minimieren, wenn die Politik auf Toleranz, Interessenausgleich und Integration drängt.
Dass Macron sich als ein Roland im Kampf gegen die Sarazenen stilisiert, wird nur Houellebecq amüsieren.
Heinrich von Loesch
Update
Canada:s premier Justin Trudeau, after a discussion with French president Emmanuel Macron, responded to a question about the right to show a caricature of the Prophet Mohammed, "freedom of expression is not without limits".
"We owe it to ourselves to act with respect for others and to seek not to arbitrarily or unnecessarily injure those with whom we are sharing a society and a planet."
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Es war ein schöner Tag im Sommer 1944. Ich sass in einem Friseurstuhl in Prägarten, Gau Oberdonau, (jetzt Pregarten, O.Ö.) und mir wurden die Haare geschnitten, Façon mit Scheitel. Während der Friseur an mir schnippelte, unterhielt er sich mit einem anderen Kunden.
“Stellen Sie sich vor, ich habe einmal sogar dem Führer die Haare gschnitten". Man hörte den Stolz in seiner Stimme, als er erklärte, wo und weshalb ihm diese Ehre zuteil wurde. Was für Haar der Führer hat?
"Genau so wie der Bub hier, genau so", erläuterte der Friseur. Der Bub, das war ich. Und bin ich immer noch.
Ein Glück, dass meine tüchtige chinesische Friseurin nichts davon ahnt. Sie könnte ja heimlich meine abgeschnippelten Haare aufkehren und in eine Auktion von Nazi-Memorabilia geben. Als die letzte Strähne, oder so.
Horrorvision.
Heinrich von Loesch
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Man staunt: Rom vierzig Jahre jünger! Die grosse Stadtreinigung namens Corona hat die Touristen und ihre Busse verschwinden lassen. Parkplatz gibt es, wo nie einer zu finden war, Der Verkehr ist so dünn wie vor Jahrzehnten, vor allem jetzt gegen Monatsende, wenn das Geld fürs Benzin fehlt. Die Autos und Motorräder sind noch alle da, geparkt in den Wohnvierteln.
Die meisten der chinesischen Souvenirläden bei den Sehenswürdigkeiten sind geschlossen, ebenso die zahllosen Eisdielen, Pizzerien und Mini-Restaurants. Rostige Rolläden verbergen die Symbole des Massentourismus.
Ferruccio, ein befreundeter Antiquitätenhändler in der Via dei Coronari ist Pessimist. “Es kommt nie wieder, wie es war.” Er steht vor seinem Laden auf der Strasse. Es ist Freitag nachmittag, die beste Verkaufszeit: kein Kunde in Sicht. Anders Italo, der wohl älteste Händler in der Via dei Banchi Vecchi: “Der Antiquitätenhandel überlebt, der hat immer Kundschaft.” Beide Strassen litten jahrelang unter dem Vordringen des Billigtourismus mit seinen Modelädchen und Snackbars. Ohne die Touristen sind die Römer zwar wieder unter sich, aber Frohsinn will nicht aufkommen. “Die Wirtschaft liegt am Boden”, meint Ferruccio,”und wird nicht wieder.”
Nun gibt es Momente, die an das alte Rom der Dolce Vita erinnern. Die elegante Bourgeoisie taucht wieder auf, die sich lange Zeit vor dem Massentourismus verkrochen hatte. Elegante junge Paare, die durch die Altstadt flanieren wie einst auf der Via Veneto. Sie vielleicht ein Modell, so selbstsicher auftretend wie Ivanka Trump. Er im klassischen dunkelblau-weissen Segeldress. Anita Ekberg rediviva? Audrey Hepburn hat die Vespa aber gegen einen Elektroroller getauscht, mit dem sie graziös ihrem Cicisbeo hinterherfährt, Gregory Peck mutmasslich.
Statt Audrey Hepburn bezaubert ein anderer Star aus Übersee derzeit die Römer: Tom Cruise. An drei Stellen in der Stadt sind Strassen gesperrt, damit Cruise Auto=Verfolgungsjagden in rasendem Tempo filmen kann, bis zu zwanzig Mal die gleiche Szene. Nebenher grüsst Cruise die Römer auf italienisch und mit Gesichtsmaske; das Volk jubelt artig. Für einen Blick auf Tom Cruise warten sie brav an den Strassensperren. Und das zwei Wochen lang.
Keine Frage: für die klassischen Rombesucher und Pilger ist das Virus ein Geschenk. Auch fällt auf, dass die Stadt sauberer, ordentlicher geworden ist. Die Monate des Lockdown und der Krise haben Rom offenbar viel Schmutz erspart. Selbst überraschend viele Strassen sind neu asphaltiert worden.
Die Kehrseite der Medaille wird in den nächsten Wochen sichtbar werden, wenn die Arbeitslosenhilfen der Cassa Integrazione auslaufen. Dann werden die Schlangen vor der Essensausgabe der Klöster und Stiftungen noch länger werden als sie es schon sind.
Erstaunlich ist, dass die zigtausende Zuwanderer aus Asien und Afrika == legal und illegal -- die Krise bislang überstanden haben. Sie scheinen alle noch da zu sein: die Bangladeshi, die Araber, die Afrikaner, die fliegenden Kleiderhändler, die freiwilligen Tankwarte, die Scheibenwischer an den Kreuzungen.
“Die Ausländer werden durchgefüttert vom Staat, bekommen Unterkunft, Essen und Taschengeld, während unsere Rentner mit 400 Euro im Monat hungern”, meint Arturo, der einen Stand am Markt der Conca d’Oro betreibt. Während er über die Ausländer schimpft, verrichtet Mahmud, sein Bangladeshi-Gehilfe die Arbeit, die Arturo als Behinderter nicht mehr leisten kann.
Kann Mahmud genug italienisch, um die Tiraden des Chefs zu verstehen? Ich schaue ihn an, er verzieht keine Miene. Er kennt wohl seinen Chef. Nicht viele Bangladeshi in Rom haben einen halbwegs festen Job.
Benedikt Brenner
Update
Das Ende des Monats ist erreicht, die Löhne und Gehälter sind gezahlt, und der Römer Verkehr ist über Nacht wieder “normal” geworden. Was Räder hat, ist wieder auf der Strasse und die Parkstreifen sind voll, voll, voll. Man könnte meinen, dass gerade die Wirtschaft wieder anspringt. sähe man nicht hunderte von Verkaufs- und Vermietschildern an Läden, Pizzerien und Restaurants. Wer je von einem Lädchen in Rom träumte, vielleicht mit Sicht auf den Lateran oder das Kolosseum – er oder sie hat jetzt die Qual der Wahl.
An den bancarelle, den fliegenden Ständen am Strassenrand mit ihren Minipreisen brummt hingegen das Geschäft. Statt in den Modeboutiquen des Zentrums dickes Geld zu lassen, decken sich die Römerinnen bei den Bangladeshi mit Second-Hand-Ware und Billigartikeln vom Grabbeltisch ein. Gratis gibt es dazu bengalische Musik mit lasziven Damenstimmen aus dem Hallraum. Überhaupt die Bangladeshi! Nurul, Inhaber eines Stands, verrät, dass es 30-40.000 seiner Landsleute in Rom gibt. "Sie sind überall. Es gibt so viele, dass der Wettbewerb unter ihnen hart ist. Mit unseren niedrigen Preisen machen wir den Handel kaputt", meint er lächelnd. Und natürlich alles steuerfrei.
"Immerhin zahlt der Standvermieter Steuern auf seine Einnahmen", sagt Nurul. Stimmt auch nur teilweise, denn die beiden Römer bancarelle-Dyopolisten Tredicine und Proietti haben derzeit Fiskus und Kriminalpolizei am Hals wegen ihrer wenig orthodoxen Praktiken.
"So viele Ausländer", sagt Nurul. Die Chinesen haben ihren eigenen Radiosender, der volkseigene Musik abspult. Die Rumänen haben mehrere Zeitungen. Und die Restaurants? Was auch immer das Menü bietet: die Italiener arbeiten vorne, wo Kontakt mit den Kunden vonnöten ist. In der Küche, unsichtbar, werkeln die extracomunitari, die Nicht-Europäer. Sie produzieren fleissig und still die echte römische Küche. Manche unter ihnen, wenn sie gut italienisch können, dürfen auch vorne bedienen, in den billigeren Pizzerien und Restaurants.
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Es gibt ein Italien, das radelt, und ein Italien, das bremst
Alvise, ein italienischer Freund, sagt in Richtung suf den Recovery Fund, mit dem Europa Italien helfen will: Ich würde Italien kein Geld geben. Das wird verloren gehen.
Italiens Medien berichten, wie sich die Mafias darauf vorbereiten, den goldenen Segen aus Brüssel abzugreifen. Seit Wochen werden Firmen, die wegen der COVID-Einbussen in Schwierigkeiten gekommen sind, von den Mafias becirct, deren Geld zu nehmen. Cosa Nostra, Ndrangheta, Camorra, Sacra Corona Unita & Co suchen stets nach Gelegenheiten zur Geldwäsche, und die Schieflage zahlreicher Firmen bietet ihnen dazu unverhoffte Möglichkeiten. Italiens Justiz beobachtet das Geschehen und wendet in steigendem Umfang ein Gesetz an, das es ermöglicht, Mafia-infizierte Firmen von staatlichen Aufträgen auszuschliessen.
EinVersuch, die vom Recovery Fund zu finanzierenden staatlichen Aufträge den Mafias vorzuenthalten. Längst sind die kriminellen Gesellschaften nicht mehr auf den Süden beschränkt, auf Kalabrien, Kampanien, Sizilien und Apulien; inzwischen dominieren sie auch industrielle Länder des Nordens; Lombardei, die Aemilia und Ligurien. Während Italiens Öffentlichkeit grosse Hoffnungen an den Recovery Fund knüpft und eine Art von froher Erwartung herrscht, bereiten die Mafias ihren Fischzug vor.
Doch die organisierte Kriminalität ist nur eines der Probleme Italiens; wahrscheinlich sogar ein kleineres. Das grösste Problem ist die Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung und allsr staatlichen oder parastaatlichen Monopole und Oligopole. Ein Beispiel:
Vor etlichen Jahren starteten Chinesen in Italien eine Mobiltelefon-Firma namens 3it. Preiswert und zuverlässig etablierte sie sich schnell im Markt. Irgendwann jedoch schien den Chinesen das Unternehmrn in Italien nicht lukrativ genug und sie verkauften an den italienischen Konkurrenten WIND in Kombination mit einem ägyptischen und anderen Investoren.
Kaum waren die Italiener am Ruder, gab es Probleme. Der Dienst wurde kompliziert, teurer und unzuverlässiger, Zu Spitzenzeiten ist das Netz selbst in Stadtzentren sehr langsam oder bricht stundenweise zusammen.
Ein anderes Beispiel: Der grosse italienische Gasversorger ITALGAS hat schon 2005 alle Beratungsstellen geschlossen und erlaubt Kunden und Installateuren nur noch, sich per FAX oder Email zu melden. Es gibt zwei Hotlines für ganz Italien: eine für Explosionsgefahren, und eine für alles andere. Letztere ist nicht etwa mit Technikern besetzt, sondern führt in ein Call Center. Je nach Laune oder Andrang werden Anrufe gleich weggeklickt oder von Leuten beantwortet, die ein wenig oft falschen Rat spenden, aber keine Entscheidungen treffen können. Um den Erfolg einer Reparatur nach einer Schadensmeldung an ITALGAS zu übermitteln, muss ein Installateur einen mehrseitigen Fragebogen ausfüllen und seine Zulassungsdokumente beifügen – deshalb die antike Übermittlung per FAX. In Italien ist eben alles kompliziert und bürokratisch, seufzt der Installateur.
In der Tat: beim Übergang von der analogen zur digitalen Verwaltung ist alles noch komplizierter geworden. Ohne eine italienische Email-Adresse (ausländische landen im Spamfilter) und ohne ein italienisches Handy (ausländische werden nicht erkannt) lässt sich der Alltag in Italien nur mehr als voll digitaler Italiener bewaltigen. Kein Wunder, dass Millionen ständig auf ihr Smartphone glotzen. Alte und digital Unbegabte bleiben aussen vor.
So tüchtig und kreativ die italienischen Radler immer noch sind, die Bremser bleiben ihnen auf den Fersen, dank ihrer bewährten Fähigkeit, selbst einfachste Vorgänge zu komplizieren und die Komplikationen als Fortschritt zu deklarieren. Die Bürokratisierung soll verhindern, dass Kriminelle und furbi Vorteile erheischen. Furbi sind Schlaumeier, die es in Italien zahlreich gibt, und deren furbizia als besonderer Erfolg dank überlegener Intelligenz gilt.
Kein Wunder, dass Ausländer in diesem Bremsgeflecht der Inkompetenz und Bürokratisierung Chancen erspähen und sie wahrnehmen, meist zur Überraschung und zum Missvergnügen der Italiener, vor allem der Gewerkschaften und anderen Interessenverbände. Ausländische Investoren zu vertreiben ist schon seit einem halben Jahrhundert ein Lieblingssport der Gewerkschaften, für die jeder ausländische Investor a priori ein Ausbeuter ist, dem man das Handwerk legen muss.
Wer sich in diesem fremdenfeindlichen Klima nicht entmutigen lässt und durchsetzt, sind vor allem die Chinesen. Von der chinesischem Textilindustrie in Prato bei Florenz bis zu den Abertausenden China-Lädchen für Haushaltswaren, Spielzeug, Tinnef aller Art und Billigtextilien haben sich die Chinesen mit Fleiss und Zähigkeit einen schönen Anteil an Italiens Wirtschaft erarbeitet. Die offizielle Seidenstrassen-Ideologie gibt ihnen Rückenwind aus Peking. Triest, Ancona, Tarent und Genua sind Häfen, um deren Kontrolle sich chinesische Konzerne bemühen. Wie schon erfolgreich in Griechenland praktiziert, lockt China mit seinen Investitionen vor allem, wenn es einem Land wirtschaftlich schlecht geht.
Wenn man so will, ist Italiens Anteil am Recovery Fund eine Art Anti-China-Programm. Es könnte sein, dass Brüssel die Angst umtreibt, dass das Covid-geschwächte Italien wie Griechenland in die Seidenstrassen-Gemeinschaft abgleitet, wenn Europa nicht dagegen hält.
Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob Italien nicht zu seiner Rettung ausgerechnet die Chinesen braucht. Ein Beispiel: An der Via della Magliana in Rom, einem eher ärmlichen Viertel aus den 1960er Jahren, lebt ein buntes Völkergemisch. Asiaten, Afrikaner, Roma und Araber zu etwa gleichen Teilen mit Italienern.
Ein kleiner Platz mit einem Denkmal, das wie ein Bombensplitter aussieht. Eine Cafébar-Imbiss mit ein paar Tischen vor der Tür. Vor drei Jahren gab der italienische Besitzer auf. Er konnte sich nicht durchsetzen gegen die Araber und Roma, die die Tische einnahmen, wenig konsumierten und dort ihre Geschäfte abwickelten. Kein Platz mehr übrig für die italienischen Kunden. So verkaufte er an Chinesen.
Sie kamen mit kräftigen jungen Männern, die von den lokalen Baristas das Metier und die Fachsprache lernten. Zwar blieben die italienischen Baristas, aber hinter der Kasse sass nun eine Chinesin. Drei Jahre später arbeitet nur noch ein Italiener hinter der Bar, sorgt für die bewährte Qualität. Das Viertel hat sich mit den Chinesen arrangiert, die immer korrekt sind und selten lächeln. Man schätzt die Sauberkeit. Die Roma sind verschwunden, die Araber weniger zahlreich; dafür haben sich alte Damen des Quartiers wieder etabliert.
Wenn man eine solche Entwicklung beobachtet, frägt man sich, ob Italien zu seiner wirtschaftlichen Gesundung nicht vor allem Chinesen braucht, eine massive chinesische Unterwanderung. Nur sie bringen die Geduld, die Zähigkeit und den Fleiss auf, um sich gegen die Bremser durchzusetzen. Sie lernen die Sprache, sie sind bereit, sich den lokalen Gepflogenheiten anzupassen. Ein chinesischer Espresso lässt sich von einem italienischen nicht unterscheiden.
Will man wie Freund Alvise Italien lieber kein europäisches Geld geben, dann bleibt nur die Wahl, die Griechenland erlebt hat: die Troika. Von Brüssel und Frankfurt unter Kuratel gestellt zu werden ist der Alptraum aller italienischen Regierungen, auch der gegenwärtigen Conte II. Ein so grosses, so wichtiges Land darf sich nicht entmündigen lassen, das ist Roms Credo, egal welcher Partei man zuhört,
Gibt es denn keine Alternative zur Troika? Vielleicht doch, wenn man seinen Nationalstolz wegsteckt und Ausländer ins Land holt, Chinesen zum Beispiel, die der lahmen Wirtschaft auf die Beine helfen.
Weitgehend unbemerkt hat die Regierung dafür die Weichen gestellt. Die neue Einwanderungspolitik ist das genaue Gegenteil der fremdenfeindlichen Hasspolitik der Regierung Conte I, die von Matteo Salvini und der Lega dominiert wurde.
Die neue Einwanderungspolitik versteht Migranten als eine Bereicherung. Sie bringen durch ihre Arbeit jährlich eine halbe Milliarde Euro mehr Steuern ein als der Staat für ihre Betreuung ausgibt, hat das Statistikamt ISTAT errechnet.
Italien besitzt die am stärksten schrumpfende Bevölkerung Europas. Also ist Einwanderung vonnöten, denken vor allem die derzeit dominierenden Sozialdemokraten. Da uns die Einwanderer frei Haus geliefert werden, wollen wir sie aufnehmen und gleichmässig im Land verteilen, damit sie sich möglichst schnell in die italienische Gesellschaft integrieren. Keine Flüchtlingslager mehr, keine Arbeitsverbote! Stattdessen Sprachkurse und Integrationshilfen.
Diese neue. positive Einwanderungspolitik ist wegweisend für Europa. Sie folgt dem Vorbild der USA, wo während Jahrhunderten die Einwanderung unterstützt wurde und das Land dadurch zur Weltmacht Nunmer Eins aufstieg.
Durch die spektakuläre Wende hat Italien Druck sus dem europäischen Konflikt um die Verteilung von Flüchtlingen und Migranten genommen. Gleichzeitig aber besteht die Gefahr, dass der einwanderungsfeindliche Teil der Italiener den Schwenk übelnimmt und die Linke bei den nächsten Gelegenheiten abstraft.
Immerhin ist es der Regierung erst einmal gelungen, eine einwanderungsfreundliche Politik als echte Alternative zur europäischen Abschottung in den Raum zu stellen. Vielleicht gelingt es, einen Teil der Xenophoben zum Nachdenken zu bewegen. Vielleicht wären sie doch bereit, das langfristig Unvermeidliche zu akzeptieren, wenn es in die richtigen Bahnen gelenkt und in einen Bonus für die lahmende Wirtschaft verwandelt wird. Die nächsten Monate und Wahlen werden zeigen, ob Roms kühnes Experiment gelingt.
Benedikt Brenner
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Zum dritten Mal befasst sich die Deutsche Rundschau mit den Abenteuern der Evangelischen Kirche im Mittelmeer. Zweimal ist die Kirche gewarnt worden. Nun ist die Katastrophe wie erwartet eingetreten. Das Schiff der Kirche und ihrer Mitabenteurer in der NGO Sea Eye, die Alan Kurdi, irrt durch das Meer auf der Suche nach einem Hafen. Italien lehnt ab, Malta sowieso; nur Marseille – von wo die Alan Kurdi gestartet war – erklärt sich bereit, das Schiff anlanden zu lassen und die Bootsleute aufzunehmen. Paris aber verbietet das und schickt die Alan Kurdi zurück nach Italien.
Das alles war vorhersehbar und vorhergesagt. Von Anfang an haben wir empfohlen, die aus Seenot geretteten Bootsleute (Flüchtlinge oder Migranten) auf kürzestem Wege nach Deutschland zu verbringen. Italien würde sich sicherlich nicht weigern, die Alan Kurdi in, sagen wir, Porto Empedocle anlanden zu lassen, wenn die Bootsleute direkt vom Hafenkai – ohne italienischen Boden zu betreten – zum Flughafen Agrigent gefahren und von dort entweder mit der Luftwaffe oder mit Chartermaschinen (die es gegenwärtig billig im Überangebot gibt) nach Deutschland geflogen würden.
Der Bund sollte Verantwortung übernehmen für die Abenteuer seiner parastatalen Institution, der Evangelischen Kirche, und ihr mit der Luftwaffe zu Hilfe kommen. Wenn er das nicht tut, handelt er genauso verantwortungslos wie die Kirche an den 125 Bootsleuten, die nun verzweifelt auf der Alan Kurdi erfahren müssen, dass sie menschlicher Müll sind, den niemand haben will. Italien nicht, Frankreich nicht, und Deutschland bislang auch nicht.
Menschen, die Gefangene einer Organisation von Abenteurern sind, die ihnen Rettung versprach und sie nicht liefern kann, weil sie vergessen hat, die erwartbaren Folgen ihres Handelns zu überdenken. Bedford-Strohm ist nicht Carola Rackete. Wenn sich am Ende doch ein Küstenstaat erbarmt und die Bootsleute herein lässt, wird der Bischof seine Lektion hoffentlich gelernt haben und sich mit Berlin absprechen, bevor er die Alan Kurdi in ein weiteres Abenteuer schickt.
Heinrich von Loesch
Update
Sardinien hat sich erbarmt. Aber nur für drei, vier Tage Schutz vor dem Sturm bei einer Insel ausserhalb von Arbatax, ohne anlegen, ohne Ausschiffung der Passagiere: Danach geht die Odyssee weiter.
Update II
Rom gestattet die Ausschiffung der Passagiere und erklärt, 80 Prozent von ihnen würden in andere Länder weitergeleitet. Heftige Proteste der Lega.