Der türkische Aussenminister Mevlüt Çavuşoğlu droht den USA mit Abbruch der Beziehungen weil sie die kurdisch-arabische Miliz YPG in Nordsyrien unterstützen. Ein Novum in den Beziehungen zwischen NATO-Mitgliedern. Lachhaft, könnte man meinen. Warum sollten die Türken sich in den Fuss schiessen?

   Das Fehlen diplomatischer Beziehungen zu den USA wäre für Ankara ein schweres Handicap. Nicht nur militärisch und wirtschaftlich sind beide Staaten eng verbunden: die Türkei hat auch viele Jahre lang Hilfsgelder von Washington erhalten. Im Jahr 2016 unterstützte Amerika die Türken mit 155 Millionen Dollar, vor allem als Beitrag zu den Aufwendungen für Syrien-Flüchtlinge und zur Verbesserung des Haselnuss-Exports.

   Nicht erst seit dem versuchten Staatsstreich im Juli 2015 hat Ankaras aggressives Auftreten seinem Ansehen in Europa schwer geschadet. Massenverhaftungen, Abschaffung der Pressefreiheit und der parlamentarischen Immunität haben die Türkei zum politischen Paria in Europa gemacht. Nun will die Türkei offenbar den Paria-Status auch in den USA erlangen, vergleichbar mit Venezuela und Iran.

   Weshalb dieses suizidiale Streben?

   Es gibt zwei Erklärungsansätze: das Dogma der Moslembrüder und die bevorstehenden Wahlen.

   Die regierende AK-Partei hat, besoffen von ihrer noch jungen Machtfülle und ihrem Erfolg alle Masstäbe über Bord geworfen. Realitätsferne Dogmatiker haben das Sagen: sie sehen die Türkei als den einzigen, richtigen Gottesstaat der Sunniten, dessen Aufgabe es ist, schrittweise die Gemeinschaft der Gläubigen (Umma) und danach die ganze Welt dem richtigen Glauben zuzuführen.

   Noch ist das Land nicht ganz unter der Fuchtel der AKP. Drei Wahlen gilt es 2019 zu gewinnen: Regional-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Noch ist nur etwa die Hälfte der Türken bereit, ihr Kreuzchen bei der AKP zu machen, so weit Umfragen zu trauen ist.

   Das bewährteste Mittel, Wahlen in der Türkei zu gewinnen, ist es, den Nationalismus anzufachen. Nichts löst mehr Begeisterung im türkischen Wahlvolk aus, als ein kleiner Krieg gegen die verhasste Minderheit der Kurden, ergänzt durch ein bisschen Unterdrückung der religiösen Minderheiten der Alawiten, Sufis, Jesiden und Christen.

   Insofern führt der Weg zur Erlösung der Welt durch die Moslembrüder über den Kampf gegen die Kurden, die ironischerweise auch brave Sunniten sind.

   Aus der Perspektive eines Dogmatikers in Ankara gesehen ist Amerikas Freundschaft mit den kämpferischen Kurden in Syrien daher als doppelt feindlich zu werten: zum Einen behindert es den Herrschaftsdrang der Türken, zun Anderen blockiert es das Vordringen des echten Glaubens. Ein doppeltes Ärgernis also, das schärfste Massnahmen fordert.

   Zu den Qualifikationen der Zeloten in der AKP gehört nicht unbedingt Weltläufigkeit.  In der Perspektive des “Alles Wissen der Welt steht im Koran” ist die Türkei eine Weltmacht, die bestimmt, was richtig ist und was falsch. Was Ankara sagt ist Gesetz, und die Welt hat sich danach zu richten. Dass die USA trotz mehrerer Ermahnungen sich nicht danach richten, ist tadelnswert und verlangt Bestrafung.

   Soweit die Grundstimmung. Nun aber kommt Mevlüt Çavuşoğluins Bild. Als Aussenminister mit langer Brüssel-Erfahrung ist er weltläufig genug um zu wissen, mit welcher Reaktion auf seine Worte zu rechnen ist. Dass er trotzdem immer wieder mit radikalen Vorschlägen auffällig wird, hat Gründe.

   Die AK-Partei ist kein monolithisches Gebilde. Seit ihrer Gründung 2001 ist sie schrittweise von einer islamisch orientierten liberalen und Wirtschaftspartei zu einer konfessionell-dogmatischen Partei geworden. Die Liberalen unter Führung des ehemaligen Premiers, Aussenministers und Präsidenten Abdullah Gül haben die Partei entweder verlassen oder wurden hinausgedrängt. Letztes Opfer der Säuberung war der “Professor” und ex-Premier Ahmet Davutoğlu.

   Die jetzt regierende eiserne Garde stellt den inneren Kreis dar, der Präsident Recep Tayyip Erdoğan trotz der inneren Zwistigkeiten und einem nur mühsam unterdrückten Korruptionsskandal treu blieb. Dazu gehören Ministerpräsident Binali Yildirim – angeblich langjähriger Vermögensverwalter der Erdoğan-Sippe – , der AKP-Gründervater Bülent Arınç, und eben Mevlüt Çavuşoğlu.

   Die Aufmerksamkeit des Auslandes ist seit Jahren auf Erdoğan fixiert. Er wird als Urheber der Demontage der Demokratie seit Juli 2015 gesehen. Er müsse abtreten, damit die Türkei zu Rechtsstaatlichkeit zurückkehren könne.

   Dabei wird nicht erkannt, dass Erdoğan trotz seines unbezweifelbaren Narzissmus nur das eloquente Aushängeschild der AKP-Hardliner ist. Sein Charisma ist einzigartig und unersetzlich für die AKP. Doch hinter ihm stehen Andere, die das Werk fortsetzen würden, sollte ihm etwas zustossen. Leute wie Çavuşoğlu, die härter, dogmatischer sind, als es Erdoğan je war. Er hat sich doch ein Mass an Realismus, an Kompromissbereitschaft bewahrt, das den Hardlinern abgeht. Das zeigte sich unlängst in seinem Verhältnis zu Putin, das er binnen weniger Monate von böser Feindschaft zu Freundschaft mutieren liess.

   Es ist daher fraglich, ob sich Erdoğan bereit fände, den Abbruch der Beziehungen zu Washington ins Auge zu fassen.  Çavuşoğlu hat die USA zusätzlich verunglimpft, indem er unterstellt, Washington habe Kämpfer des Islamischen Staats entkommen lassen, um einen Vorwand zu haben, gemeinsam mit der YPG den Kampf gegen den IS fortzusetzen. “The U.S. is not touching Daesh members in Syria as an excuse to continue working with YPG/PKK terrorist group.”  Andere Beobachter meinen hingegen, die Schonung der übrig gebliebenen IS-Kämpfer durch die Amerikaner verfolge den Zweck, sie als nützliche Feinde der iranischen Expansion in Syrien zu nutzen.

   Dass die türkische Invasion in der syrischen Grenzprovinz Afrin trotz grossen Aufwands an Militär, arabischen Söldnern und Material bislang nur zäh vorankommt, facht die in Ankara herrschende Paranoia an, die in Amerika mittlerweile einen Feind statt eines NATO-Verbündeten sieht, der "Allianzen mit Terrorgruppen" unterhält, wie der türkische Premier Binali Yildirim klagt. Der grosszügige Umgang mit dem Begriff Terrorgruppe macht Ankaras Anspruch nicht glaubhafter. Washington wird sich nicht vorschreiben lassen, wen es sich in Syrien als Alliierten aussucht.  

Ihsan al-Tawil

 

   The 2013 Polity world map of democracies vs. autocracies and their mixed forms called anocracies shows distressingly few blue countries, i.e. true democracies. The democracy index of several countries had to be downgraded since they lost some of their democratic attributes and gained more autocratic features. Turkey comes to mind, Egypt, Hungary, India, Cambodia and Poland. The blue patches are shrinking.

Polity IV 2013Original by Countakeshi - http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b8/BlankMap-World-large-limited-recognition.png, http://www.systemicpeace.org/polity/polity4.htm, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=37242047

   A temporary phenomenon? Will democratic upheavals topple dictatorships like it happened in the past? The sad answer is no. The “Arab Spring” movement was perhaps the last event in history which showed popular masses taking to the streets and forcing governments to resign – at least temporarily.

   Autocracies are fast developing surveillance and control systems which are much more effective than traditional repression and police rule. The dictators’ new digital toolbox contains sophisticated instruments such as face recognition, data collection and analysis, DNA sample banks, all elaborated and analyzed with artificial intelligence.

   China, for instance, is already well advanced in the art of reading people’s minds and anticipating their behavior and intentions. By compiling and evaluating all data on a person’s telephone, internet and smartphone communications, plus shopping habits, travel, education, entertainment and social activities, the government will soon know every citizen better than the person him- or herself. In China, Big Brother is about to become reality. Other governments will follow. Egypt, Turkey, Hungary are on the way.

   Perhaps there is only a time window of five to ten years left in these countries for citizens to protest or rise up against an oppressive government. After that, the government will be in full control of people’s minds. Consequently, there will only be two types of citizens remaining: the majority of people who behave and do not even dream of criticizing or opposing the government, and the minority scared stiff, vegetating in jail or on death row. Huge new penitentiary facilities will have to be built, and there will be a search for safe places, especially islands like Alcatraz, Guantanamo or Imrali, the Turkish prison island.

   Turkey, in fact, is persecuting all people who dare to criticize the war against Kurds in Turkey itself and in neighboring Syria and Iraq. People are arrested for having on the smartphone the “ByLock” messaging app  which allegedly serves communications among members of the “terrorist” Gülen sect,  or for supporting petitions on change.org. Turkey plans to build 228 additional prisons to reduce severe overcrowding in existing facilities by some additional 50,000 people arrested since July 2016. More being arrested almost every day.

   Calming a restive population is the vital need of all autocracies. Modern technology offers a low-cost approach which can obviate the enormous expense of traditional secret policing and snooping with its oppressive and error-prone toolkit. Autocracies which master the art of modern mind control become virtually invincible from within. No dissidents, no opposition, only happy, quiet citizens. The only way such a system could collapse is because of internal rivalries among the ruling clique. However, the collapse would in all likelihood not lead the country to more democratic governance but to another, perhaps even more fearsome autocracy.

   As surveillance and mind control technologies are fast advancing and spreading, every year that passes is a boon for dictatorships. For them, for the first time in human history, the promise of eternal, unchecked rule is beckoning. Where does that leave democracy?

 Heinrich von Loesch

 Update

"Chinese police have used facial recognition technology to locate and arrest a man who was among a crowd of 60,000 concert goers."

 

   We’re hearing a lot about healthcare and Medicaid these days, and Medicare remains in the background as Congress seeks to reform the Affordable Care Act.

   If you’re over the age of 65 or caring for someone with a disability, you have at least some familiarity with Medicare and Medicaid. You probably know that your lifetime of work entitles you to Medicaid and Medicare to help cover medical costs.

   But when it comes down to the nitty-gritty details, you may feel a bit confused. What’s the difference between the 2? Who falls under Medicare and who falls under Medicaid? Do you have to pay for benefits? How much do you pay? Frankly, it can be a bit overwhelming.

   We’re going to clear up any confusion and give you a simple, clear breakdown of the 2 programs and what’s included in each.

   While this article certainly won’t make you an expert, it will help you more easily navigate a world that seems complex and confusing.

What Is Medicare?

   Medicare is a federally facilitated health insurance program for adults 65 and older, as well as some younger people with disabilities or individuals with end-stage renal disease (ESRD). The law was signed by President Lyndon B. Johnson in 1965 and was created as a way to help older adults cover the cost of medical care.

   When he signed the bill, Johnson said: “In 1935 the passage of the original Social Security Act opened up a new era of expanding income security for our older citizens. Now, in 1965, we are moving once again to open still another frontier: that of health security. For an older person, good health is his most precious asset. Access to the best our doctors, hospitals, and other providers of health service have to offer is his most urgent need.” 

   Since the inception of Medicare, it has also been expanded to cover a few other groups, including those who:

  • Have received at least 24 months of Social Security disability benefits or a disability pension from the Railroad Retirement Board (RRB).
  • Have permanent kidney failure (ESRD) and need routine dialysis or a kidney transplant.
  • Have amyotrophic lateral sclerosis (Lou Gehrig’s disease).

   In 2003, President George W. Bush signed the Medicare Modernization Act (MMA) into law, which created the Medicare Part D program to provide prescription drug subsidies for those on Medicare.

   When Bush signed the bill, he said: “[…] Our government is finally bringing prescription drug coverage to the seniors of America. With this law, we’re giving older Americans better choices and more control over their healthcare, so they can receive the modern medical care they deserve.

   Prior to turning 65, an individual must get his or her insurance through his or her employer, his or her spouse’s employer, or an individual policy. Without pursuing one of these options, the uninsured person may have to pay a fee, often called a “penalty” or “individual mandate.” However, when you turn 65, you are eligible for Medicare. You can use Medicare as your only insurance option or in tandem with insurance you have through an employer, spouse, or former employer.

   Medicare is broken down into several different parts.

   Together, Parts A and B are called Original Medicare. Part A provides assistance for hospital bills. Most people have already paid their Part A premiums through their taxes (assuming they’ve worked in the U.S. for at least 10 years).

   Part B provides assistance for doctor’s visits, as well as other medical services such as screenings for particular diseases. Some things covered by Part B include:

  • Durable medical equipment (canes, walkers, manual wheelchairs and power mobility devices, etc.).
  • Doctor and nursing services such as yearly wellness visits.
  • Medically necessary X-rays, as well as laboratory and diagnostic tests.
  • Outpatient hospital services.
  • Some ambulance services.
  • Drugs to support organ transplants.
  • Prosthetic devices.
  • Specific vaccinations such as flu and Hepatitis B shots.
  • Outpatient maintenance kidney dialysis treatments.

   Enrollment in Part B is voluntary and does require paying a small monthly premium and annual deductible. If you have additional insurance through an employer or spouse, it may be unnecessary to enroll in Part B since you have that additional coverage. However, if you don’t enroll and don’t have another policy, you could find yourself paying higher out-of-pocket costs.

   Before turning 65, most people get health insurance through group plans offered by their employer or their spouse’s employer. People who are self-employed or who don’t have health insurance through their job may buy individual policies on their own.

   Part C, which is also known as Medicare Advantage, is a type of Medicare plan provided through private insurance companies that combines Parts A and B (and usually includes Part D, too). These plans can be customized to fit an individual’s needs and cover hospital visits, doctor’s visits, and prescription drugs.

   Part D plans are private plans that give assistance to people who have Parts A and B. This assistance helps them pay for prescription drugs, and the premium is a small amount each month.

   It is essential to remember that Medicare doesn’t usually cover every health expense. Some services, such as dental and vision, don’t fall under the traditional Medicare umbrella and must be either covered through private plans or Medicare Advantage. Unless you have additional insurance or fall into a low-income bracket, you will probably still pay some premiums, deductibles, and copays.

   Medicare usually only covers a small portion of a skilled nursing facility stay. If the requirements are met, Medicare will fully cover the first 20 days of a stay and then only partially cover the next 80 days.

   An example of one of these requirements is that a patient typically must have been hospitalized for 3 consecutive days. Additionally, the care provided must be seen as medically necessary.

   Medigap plans are purchased through private companies and cover expenses not covered by Original Medicare. As Kiplinger notes: “Beneficiaries of traditional Medicare will likely want to sign up for a Medigap supplemental insurance plan offered by private insurance companies to help cover deductibles, copayments, and other gaps. You can switch Medigap plans at any time, but you could be charged more or denied coverage based on your health if you choose or change plans more than 6 months after you first signed up for Part B.”

What Is Medicaid?

   Unlike Original Medicare, which is administered strictly by the federal government, Medicaid is a joint program administered both by the federal and state governments. Each state must:

  • Determine who is eligible.
  • Determine the scope of what Medicaid covers outside of mandatory eligibility groups, such as low-income families.
  • Set payment rates.
  • Administer the program.

   States must also decide what services are covered by their Medicaid plans. However, there are some federal standards that must be met by every plan. The services that must be included are:

  • Inpatient and outpatient hospital services.
  • Doctor services.
  • Family planning services and supplies.
  • Rural health clinic services.
  • Home healthcare for eligible individuals.
  • Prenatal care.
  • Vaccines for children.
  • Nursing facility services for individuals over age 21.
  • Lab and X-ray services.
  • Pediatric and family practitioner services.
  • Nurse-midwife services.
  • Federally qualified health center (FQHC) services and ambulatory services.
  • Early and periodic screening, diagnostic, and treatment (EPSDT) for children under age 21.

   There are also numerous Medicaid services that states can provide and receive matching funds from the federal government. The services often include prescription drugs, rehab and physical therapy, transport services, and more.

   Because each state sets its own eligibility standards, qualification can depend on income, age, pregnancy status, disability status, citizenship, and other factors. To see if you qualify, you’ll need to research your state’s particular requirements.

   Each state sets its own Medicaid eligibility guidelines. The program is geared toward people with low incomes, but eligibility also depends on meeting other requirements based on age, pregnancy status, disability status, other assets, and citizenship.

Dual Qualification

   Approximately 8.3 million people in the United States qualify for both Medicare and Medicaid. Often, those who qualify for both programs are those in poorer health who need more care than either program can provide on its own.

Despite these challenges, it is worth seeing if you qualify if your expenses aren’t covered by Medicare alone. The independent agents with HealthMarkets have experience with both Medicare and Medicaid. They can help determine if you are eligible, as well as assist with plan enrollment.

Conclusion

   Hopefully, Medicare and Medicaid will remain in place, as they offer valuable care to those in vulnerable positions at little to no cost.

   And while it certainly can be confusing to navigate, people at companies such as HealthMarkets can help find what’s best for you—whether you’re eligible for Medicare or qualify for both Medicare and Medicaid. HealthMarkets’ agents are experienced in helping those who are eligible for Medicare or both Medicare and Medicaid find the plan that meets their needs.

   Everyone deserves healthcare. Lyndon B. Johnson recognized that when he signed Medicare and Medicaid into law. George W. Bush understood that when he enacted Part D plans.

   We wholeheartedly agree.

John Hawthorne

   Der erste “Weltreport über Ungleichheit prophezeit soziale und wirtschaftliche Katastrophen, falls kein Mittel gegen die wachsende Ungleichheit gefunden wird. Thomas Piketty, der Autor des Bestsellers Das Kapital im 21. Jahrhundert und seine Co-Autoren haben massives Zahlenmaterial vorgelegt, das die zunehmenden Exzesse des Reichtums angesichts arm bleibender oder verarmender Massen dokumentiert. Im Extremfall, im Nahen Osten nämlich, beziehen die zehn Prozent Bestverdienenden zusammen angeblich 61 Prozent des Gesamteinkommens.

   So sehr man den Autoren zustimmen möchte, dass eine wachsende Einkommenskluft zwischen Oben und Unten bedrohlich anmutet, so unklar erscheinen die Gründe, warum die Entwicklung im heutigen Kapitalismus quasi naturgesetzlich abläuft, falls nicht kraftvoll gegengesteuert wird.

   Hier sei ein unorthodoxer Versuch einer Erklärung gewagt, die in ein Aktionskonzept mündet, das dem der Piketty-Adepten zuwider läuft. Und ziemlich viel mit Trumpismus zu tun hat.

 

Ein Tag wie jeder andere.

   Zwei Nachrichten liefen heute ein:

Ad 1: In Brescia, einer Industriestadt Norditaliens, wurde ein 14-Jähriger von der Polizei mit drei Kilo Kokain im Schulranzen geschnappt. Zuhause besass er weitere 12 Kilo des Rauschgifts. Im Rucksack befand sich auch eine Präzisionswaage, die er für den Verkauf der Ware im Bahnhofsviertel von Brescia brauchte.

Ad 2: Ayrton Little, ein 16-jähriger Afro-Amerikaner in Louisiana, wurde von der Elite-Universität Harvard zum Studium zugelassen. Riesige Freude bei Freunden und Familie.

   Zwei unterschiedliche Versuche junger Menschen, die tradierte Altersstruktur des Menschenlebens zu durchbrechen und Erfolg zu erzwingen lange bevor er Altersgenossen vergönnt ist. Frühes Unternehmertum, frühe Begabung kombiniert mit Fleiss – man denkt nicht von ungefähr an Wunderkinder-Beispiele unserer Tage: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ond Österrreichs Premier Sebastian Kurz.

 

Aber was hat das mit Pikettys Theorem zu tun?

   Ziemlich viel, nach meiner Meinung.

   Warum sind die oberen zehn Prozent weltweit so erfolgreich, während die neunzig Prozent auch fleissig strampeln und dennoch abgehängt werden? Sind die zehn Prozent begabter, fleissiger, von Haus aus begünstigter? Vielleicht. Doch das reicht nicht aus um zu erklären, warum ihr Anteil am Volkseinkommen wächst. Begabung, Fleiss, Heimvorteil könnten begründen, warum es in jeder Generation und jedem Land wieder zehn Prozent gibt, die mehr Erfolg haben als der Rest. Das sichert ihnen zwar einen überproportionalen Anteil am gesamten Einkommen – aber nicht jenen wachsenden Anteil, den Piketty behauptet. Dazu muss noch etwas anderes kommen.

   Aber was?

   Stellen wir uns als hilfreiche Denkfigur den Standardablauf eines Menschenlebens in der heutigen Wirtschaft als einen Hindernisparcours vor. Kaum hat man lesen, schreiben und denken gelernt findet man sich mit vielen dummen Menschen in einer Schule eingesperrt, die einem ungeheuer viel Zeit stiehlt, Kreativität hasst und nur zwei Fluchtwege lässt: nach unten (Typ Brescia) oder nach oben (Typ Harvard). Hat man Schule und vielleicht Wehrdienst überstanden, so steht der Weg ins Leben endlich offen.

   Unverdrossene wählen eine weitere Ausbildung und Spezialisierung, die erneut viel Zeit stiehlt und oft statt nützlicher Kenntnisse nur einen Titel liefert. Andere suchen direkt ihren Weg empor in die Region der zehn Prozent und sehen sich mit tausend Hindernissen konfrontiert: Berufe, die man nur ausüben darf, wenn man einen Titel, eine Zulassung hat. Kredit, den man nur erhält, wenn man die Zulassung hat und Sicherheiten bieten kann.

   Hat man trotz aller Hindernisse endlich seine einträgliche Nische gefunden und kratzt man schon am unteren Rand der Zehn-Prozent-Sphäre, so droht einem der allgemeine Jugendwahn, nämlich wegen fortgeschrittenen Alters aussortiert zu werden. Und noch ein paar Jahre später droht der endgültige Jobverlust, Verrentung genannt. Im oft besten Männer- oder Frauenalter wird man als Wirtschaftsabfall gestempelt, und die Steuer- oder Rentenbehörde verbietet einem womöglich weitere Arbeit oder bestraft Arbeitssucht oder Gewinnsucht mit einem scharf steigenden Einkommensteuer-Hebesatz.

 

Wider das Standardleben

   Das Standardleben der 90 Prozent verläuft also in einem ausgeklügelten System zur Verhinderung von sozialem und wirtschaftlichem Aufstieg. Schulzwang, Studium, Berufsausbildung, Qualifikation, Zulassung, Prüfungen, Zeugnisse, Diplome, Rentenbescheide, Friedhofsgebühren sind Instrumente eines repressiven Sozialwesens, welches das Individuum an seiner Entfaltung hindert, damit es nicht stört und der Gemeinschaft keinen Schaden zufügen kann.

   Analphabeten, Rechtsüberholer, Autodidakten, Traumtänzer sind nicht vorgesehen und nicht erwünscht.

   Um zu den zehn Prozent aufzusteigen braucht man entweder das Glück, durch Herkunft vor den Folterinstrumenten der modernen, kapitalistischen Gesellschaft und dem damit verbundenen Zeit- und Kraftverlust bewahrt zu werden, oder ungewöhnliche Stärke, um sich dagegen zu behaupten.

   So weit, so gut. Warum aber fällt den zehn Prozent ein wachsender Anteil am Kuchen zu? Ganz einfach, weil beim Aufstieg in die Zehn-Prozent-Zone die Folterinstrumente der Gesellschaft graduell unwirksam, belanglos werden. Niemand prüft, ob der Chef einer erfolgreichen Handwerksfirma lesen und schreiben kann. Er hat Leute, die das für ihn tun. Ein erfolgreicher Bankier braucht kein Studium der Betriebswirtschaft und des Bankwesens nachzuweisen, nicht einmal ein Abitur. Eine Spekulantin oder Investorin frägt man nicht, ob sie das Rentenalter überschritten hat. Das wäre zu unhöflich.

 

Keine Hindernisse für die Erfolgreichen

   Je höher der Zehn-Prozenter steigt, desto leichter kippen die Hindernisse weg, die die Gesellschaft auf den Parcours gestellt hat, desto geringer wird der Zeit- und Kraftverlust, den die Gesellschaft mit ihren Regeln verursacht. Dadurch ergibt sich ein Turbo-Effekt, der es dem Zehn-Prozenter gleichsam spielerisch ermöglicht, sein oder ihr Einkommen und Vermögen im Vergleich zu den 90 Prozent zu maximieren: arbeitend bis zur Bahre oder Demenz.

   Noch etwas unterscheidet die Zehnprozenter von den 90 Prozent: Bei den wirtschaftlich Erfolgreichsten darf man in einer auf Wettbewerb basierenden Wirtschaft vermuten, dass Maximierung des Einkommens und Vermögens ihre Haupt-Triebfeder ist.  Nicht notwendigerweise ist das auch bei den 90 Prozent der Fall. Man vergleicht gerne die deutsche Kanzlerin mit dem türkischen Präsidenten Erdogan -- zwei Politiker, die ähnlich lange an der Regierung sind. Kanzlerin Merkel wird eines Tages wohlhabend, aber nicht reich in den Ruhestand gehen; Präsident Erdogan und seine Familie haben ein riesiges Vermögen angesammelt, angeblich Milliarden; der Aufstieg zu den 10 Prozent ist ihnen fraglos gelungen.

   Das Beispiel Merkel zeigt, dass zu den Hindernissen, die die Gesellschaft errichtet hat, auch Lockungen gehören, die den aufstrebenden jungen Menschen vom Streben nach Aufstieg in die 10-Prozent-Schicht abhalten. Alle möglichen demotivierenden Zielsetzungen offeriert die Gesellschaft: Dienst am Volke, an der Partei oder der Arbeiterklasse, Berühmtheit, Menschenliebe oder Tierliebe, Ressourcenschutz, wissenschaftlicher oder sportlicher Erfolg: eine Myriade Zielsetzungen, die mit der Einkommens- und Vermögensmaximierung konkurrieren.

 

Oder Glück im Jenseits?   

Wichtig, wenn nicht gar dominant unter den konkurrierenden Lockungen, ist Religion.  Je weniger vereinbar die Religion das Streben nach Erfolg im Diesseits mit dem Streben nach Glück im Jenseits gestaltet, desto stärker werden die 90 Prozent von der Wohlstandsmaximierung abgelenkt.  Der Bettelmönch, die Klosterfrau und der islamische Selbstmord-Märtyrer stellen Extreme dar.

   Logischerweise fällt es den 10 Prozent in stark religiös geprägten Gesellschaften besonders leicht, sich von den 90 Prozent abzusetzen.  Als Ausnahme von der Regel gilt jene Variante des Calvinismus-Protestantismus, die angeblich wirtschaftlichen Erfolg im Diesseits als Anwartschaft für Glück im Jenseits ansieht.  Es wird gerne behauptet,  calvinistisches Denken habe inzwischen das ganze Christentum durchdrungen und dadurch das enorme wirtschaftliche Wachstum der vergangenen Jahrzehnte ermöglicht.

   In frühen Zeiten galt Einkommensmaximierung an sich als anrüchig.  Europas Elite beispielsweise strebte nach Waffenruhm, Heldentum, Grundbesitz, Untertanen, Kolonien, nach dichterischem oder künstlerischem Ruhm. Der nach 10-Prozent-Rang Strebende wurde gern als Koofmich verspottet, als Neureicher, als Angeber.

 

Mickrige performance

   Wenn die Gesellschaft dem jungen Menschen den mit Hindernissen und Lockungen gespickten Parcours vor die Füsse legt, darf sie sich nicht wundern, wenn die wirtschaftliche performance der neunzig Prozent mickrig bleibt.

   Die angelsächsischen Länder sehen die sich öffnende Schere zwischen den Einkommensanteilen der zehn und der neunzig Prozent traditionell locker, als quasi-naturgesetzliche Entwicklung und nicht sonderlich tadelnswert. Die Kontinentaleuropäer hingegen mögen diese Tendenz nicht und versuchen -- siehe Piketty & Co -- gegenzusteuern.

   Die klassische linke Reaktion verlangt, die von den repressiven Instrumenten der Gesellschaft erzeugte Problematik mit mehr Repression zu beantworten. Das Instrument der Wahl: stärkere Besteuerung hoher Einkommen und grosser Vermögen, kombiniert mit ausgleichender Sozialpolitik. Eine Bonanza für die Bürokratie.

   Die klassische rechte Reaktion im Sinne der US-Republikaner und ihres Präsidenten wäre es, die als repressiv erkannten Instrumente der Gesellschaft abzuschaffen oder abzumildern. Beispiel: home schooling statt Schulpflicht. Aufhebung jeder Art von Rentenalter. Befreiung von Versicherungspflicht und der Zwangsmitgliedschaft in Berufsverbänden. Abschaffung von Meistertiteln, Diplomen und anderen Voraussetzungen der Berufsausübung. Vor allem: Beseitigung der Einkommensteuer-Progression. Freie Fahrt dem Talentierten und Mutigen, wenn nötig auf Kosten der Gesellschaft.

   Jedes Land muss seinen Weg zwischen den Extremen suchen.

Heinrich von Loesch 

CHAIRMAN PAI CIRCULATES DRAFT ORDER TO RESTORE INTERNET FREEDOM AND ELIMINATE HEAVY-HANDED INTERNET REGULATIONS

WASHINGTON, November 21, 2017—Federal Communications Commission Chairman Ajit Pai released the following statement on his draft Restoring Internet Freedom Order, which was circulated to his fellow Commissioners this morning and will be voted on at the FCC’s Open Meeting on December 14:

   “For almost twenty years, the Internet thrived under the light-touch regulatory approach established by President Clinton and a Republican Congress. This bipartisan framework led the private sector to invest $1.5 trillion building communications networks throughout the United States. And it gave us an Internet economy that became the envy of the world.

   “But in 2015, the prior FCC bowed to pressure from President Obama. On a party-line vote, it imposed heavy-handed, utility-style regulations upon the Internet. That decision was a mistake. It’s depressed investment in building and expanding broadband networks and deterred innovation.

   “Today, I have shared with my colleagues a draft order that would abandon this failed approach and return to the longstanding consensus that served consumers well for decades. Under my proposal, the federal government will stop micromanaging the Internet. Instead, the FCC would simply require Internet service providers to be transparent about their practices so that consumers can buy the service plan that’s best for them and entrepreneurs and other small businesses can have the technical information they need to innovate.

   “Additionally, as a result of my proposal, the Federal Trade Commission will once again be able to police ISPs, protect consumers, and promote competition, just as it did before 2015. Notably, my proposal will put the federal government’s most experienced privacy cop, the FTC, back on the beat to protect consumers’ online privacy."

(More here)

 

Donald Trump is planning to ruin the Internet. The FCC's repeal is certain to draw a legal challenge from advocates of net neutrality. Many Democrats and some internet firms argue that without the rules, internet providers will threaten the openness of the internet. (The Independent)