Europa befindet sich in einem langfristigen Prozess der Transformation von alten sprachlich und kulturell weitgehend einheitlichen Stammesbevölkerungen zu international durchmischten Einwohnerschaften, die Sprache und Kultur der vorhergehenden Stammesbevölkerungen übernehmen und weiter entwickeln. Dadurch entstehen neue Bevölkerungen, die im Lauf der Zeit erneut Stammescharakter annehmen, wie dies bespielsweise in den USA, Australien oder Brasilien geschah und in Südafrika gegenwärtig zu beobachten ist..

   Es ist nicht verwunderlich, dass diese Transformation im alten Europa weniger reibungslos verläuft als in klassischen Einwanderungsgebieten wie Amerika oder Australien.

  Europa wird bewohnt von kopfstarken autochthonen Stämmen, die sich Nationalstaaten zugelegt haben und mit der Transformation unterschiedlich umgehen. Flexibel und positiv reagieren jene Stämme, die schon früh in den Prozess eingetreten sind.

   Schon vor dem I. Weltkrieg war in der Schweiz ein Viertel der Einwohner Ausländer (von denen eine Million bei Kriegsbeginn ausgewiesen wurden). Die klassischen Kolonialmächte – Grossbritannien, Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien, Niederlande, Italien – erlebten die Zuwanderung aus den Kolonien als ein Nebenprodukt der Kolonialherrschaft. Westdeutschland akzeptierte die starke Zuwanderung Ostdeutscher nach dem II. Weltkrieg, weil es sich ja um landlos gewordene Stammeszugehörige handelte.

   Seit den 1950er Jahren erfuhr das Stammes/nationalstaaliche Denken eine langsame Erweiterung, indem ganz Europa schrittweise in den Stammesbegriff aufgenommen wurde. Der Euro und Schengen sind Symptome des neuen europäischen Denkens.

   Die Welt hat diesen neuen Stammesbegriff noch nicht akzeptiert. Wenn man sich beispielsweise in den USA als “Europäer” vorstellt, wird man ärgerlich gefragt: “Aus welchem Land?” Die Spezies Europäer ist ein europäisches Konstrukt, dem die Welt bislang keine neue Stammesrolle zuerkennt. (Übrigens ein Grund, warum europäische Wirtschaft und Politik so oft missverstanden werden.) Allenfalls in Afrika kennt man “Europäer”, doch meist nur als Synonym für “les blancs”, die Weissen.

   Die demografische Transformation Europas verlief jahrzehntelang schleichend und weitgehend ungestört, bis eine kleine Zahl von Ereignissen das Geschehen enorm beschleunigte. Das wichtigste Ereignis war die Erfindung des Smartphones. Es ermöglichte, für relativ kleines Geld, Millionen Menschen erstmals weltweite Orientierung und Konnektivität. Mit dem Smartphone kann man reisen: man weiss immer, wo man ist, man kann erreicht werden und man kann erreichen.

Das Smartphone als Hermesstab

   Dank des Smartphones setzten die üblichen Kriege, Konflikte und die Armutsverzweiflung erstmals enorme Menschenscharen in Bewegung. In der Vor-Smartphone-Epoche erzeugten Konflikte wie in Somalia, Darfur, Irak und Afghanistan nur kleine Flüchtlingswellen, die an Europas Grenzen trafen.

   Zeitgleich mit dem Smartphone entstand eine Schlepperindustrie, die es beispielsweise erlaubt, in Dhaka (Bangladesch) als Paket eine Reise nach Europa samt illegaler Einwanderung und Betreuung bei Ankunft “sorglos” zu buchen.

   Als die ersten Hunderttausende Smartphone-bewehrt an Europas Grenzen eintrafen, war der Kontinent überrascht und hilflos. Das Smartphone wie den Hermesstab in Händen haltend, dem Gotte mit den geflügelten Schuhen gleich, trampelten die Flüchtlings- und Migrantenströme die Grenzen nieder oder kletterten nass an Land.

   Europas Politiker reagierten höchst unterschiedlich. Die italienische Nord-Liga forderte die Regierung auf, auf die Flüchtlingsboote im Mittelmeer zu schiessen und sie zu versenken. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel liess die Grenzen öffnen und alle hereinströmen, nicht ahnend, dass sie damit eine Lawine lostrat.

   Die unerwartete Beschleunigung der demografischen Transformation weckte in Europa die stets nur schlummernden Hunde der Fremdenfeindlichkeit. Dort, wo man bereits seit Jahrzehnten mit der Transformation lebt, also in den alten Kolonialländern, in der Schweiz und in Westdeutschland, hält sich die xenophobe Reaktion in Grenzen, wenngleich sie in Grossbritannien wesentlich zum Brexit-Entscheid beitrug und in Schweden, Italien, Dänemark und Westdeutschland die ursprünglich einwanderungsfreundliche Grundstimmung teilweise hinwegspülte. Dennoch zeigte eine kürzliche PEW-Umfrage, dass in allen Ländern Europas (Ausnahme Ungarn) die Bevölkerung nach wie vor mehrheitlich die Aufnahme von echten Flüchtlingen befürwortet.

Altväterliches Denken

   In jenem Teil Europas, den der Eiserne Vorhang vor Einwanderung bewahrt hatte, herrscht immer noch ein altväterliches Stammesdenken, das sich mit der beginnenden Internationalisierung der Einwohnerschaft garnicht anfreunden mag. Abschottung und nackte Xenophobie sind Symptome von Anpassungsschwierigkeiten, die möglicherweise jahrzehntelang die Politik dominieren werden, so lange bis die Demografie angesichts sterbender Kleinstädte und leerer Schulbänke den Widerstand gegen Einwanderung lächerlich machen wird.

   Dennoch werden selbst dort echte Flüchtlinge akzeptiert. Die Ausnahme Ungarns dürfte teilweise der extrem xenophoben Regierung und den von ihr kontrollierten Medien zuzuschreiben sein; teilweise auch der Angst vor der einheimischen Roma-Minderheit, die angeblich weit schneller wächst als die Mehrheitsbevölkerung.

   Auch die von der Dublin-Regel besonders betroffenen Staaten, die 2015 und danach die Flüchtlings- und Migrantenströme in Empfang nahmen – Griechenland, Malta, Italien, Spanien – erleben xenophobe Reaktionen in Bevölkerung und Politik.

   Obgleich die Migration stark zurückgegangen ist und nur mehr den Dimensionen entspricht, die vor 2015 als normal und nicht besorgniserregend empfunden wurden, hat sich die Stimmung gewandelt. Die aufgewachten Hunde der Xenophobie denken nicht daran, sich wieder auf ihr Bettchen am Kamin zurückzuziehen. Sie bellen weiter als sei nun jedes Jahr ein 2015. Wie ein deutscher Innenminister so schön sagte, versteht er die Migration als die Ursache aller politischen Probleme.

Jedes Jahr ein 2015?

   Italiens Innenminister Matteo Salvini kündigte unisono mit der EU-Kommission an, nun müsse kräftig repatriiert, also abgeschoben werden.

   Jede irreguläre Wanderungsbewegung, egal ob es sich um Flüchtlinge oder Wirtschaftsmigranten handelt, befördert eine Auswahl der Besten und der Schlechtesten. Die Besten, die Wagemutigen, fallen nicht auf, wohl aber die Schlechten. Sie füttern mit ihrem Verhalten die Hunde der Xenophobie und beschmutzen das Image ihrer Herkunftsgebiete, beispielsweise Nordafrikas.

Jedes Jahr im Frühjahr bringt Royal Air Maroc saisonale Migranten von Rabat nach Rom. Viele ambulante Strandverkäufer "vu' cumprà" für Italiens Strände, Taschendiebe nach Florenz und für den Bus 64 in Rom zwischen Termini und St. Peter. Das Flugzeug riecht streng, aber die Reisenden sind fröhlich; sie freuen sich auf die Saison.

   Kein Wunder, dass sich diese Länder mit Händen und Füssen gegen die zwangsweise Rückkehr ihrer kriminell aufgefallenen Landsleute wehren.

   Einen Vorteil hat der Smartphone-Schock von 2015 jedoch gebracht: er hat der Öffentlichkeit die ganze Spannweite der Reaktionen auf die Transformation der Bevölkerung gezeigt. Ungarns Viktor Orbán und Italiens Matteo Salvini setzen auf Zäune, Stacheldraht, Meer und Misshandlung um Migranten abzuhalten und abzuschrecken.

Verhasste Stammesbevölkerung

   Junge Aktivisten hingegen begrüssen und unterstützen die Einwanderung. Egal, aus welcher Gegend sie kommen und zu welcher Gruppe sie gehören, sind Migranten für die Aktivisten das willkommene Mittel um die verhasste Stammesbevölkerung des Landes möglichst schnell zu internationalisieren. Diese jungen Menschen würden am liebsten Millionen in Asien und Afrika motivieren, die schreckliche Reise nach Europa anzutreten. Dass private Rettungsschiffe sich vor der libyschen Küste mit Schleppern absprachen, ist wohl nicht nur ein Gerücht.

   So wie die USA dem Tag entgegensehen, an dem die Minderheiten zusammen die Mehrheit der Bevölkerung stellen werden, so erwartet Europa, dass irgendwann die mit “Migrationshintergrund” in der Mehrzahl sein werden. In Frankfurt/Main und München stellen sie mit 45 Prozent schon fast die Hälfte der Einwohnerschaft. Verläuft also die Entwicklung auf beiden Seiten des Atlantik ähnlich?

   Nicht ganz. Diskutiert wird in Amerika vor allem die Zuwanderung aus Lateinamerika. Diese Einwanderer sind meist nicht nur gut qualifiziert; sie sprechen auch eine europäische Sprache und sind fast durchweg Christen. Nicht so die Zuwanderer Europas. Leider sind viele von ihnen wenig oder garnicht qualifiziert oder verfügen über Kenntnisse und Fähigkeiten, die hier nicht gefragt sind. Viele sprechen zwar eine europäische Sprache, aber nur als Zweitsprache, und nur rund ein Fünftel von ihnen sind Christen.

   Deswegen hat sich in Europa eine Hilfs-und Integrationsindustrie für Zuwanderer gebildet. Teils staatlich, teils privat finanziert, leisten die Integrationshelfer enormen Beistand, ohne den vieles im Argen läge. In Amerika bleiben die Einwanderer weitgehend sich selbst überlassen und kommen dank Familie, Freunden und Landsleuten von selbst klar, ähnlich wie hierzulande die europäischen Binnenwanderer.

Ein grösseres Problem

   Wenn man die Migration als ein Problem betrachtet, dann ist dies in Europa ein weitaus grösseres als in den USA, trotz Präsident Donald Trumps vollmundiger Behauptungen. Millionen anglophoner US-Amerikaner, die freiwillig spanisch lernen, sind dadurch auch Integrationshelfer. Aber wieviele Berliner oder andere Deutsche lernen türkisch oder arabisch, Farsi, Urdu oder bengalisch?  (Oder polnisch, wenn man nur an die Nachbarn in 70 km Entfernung von Berlin denkt?)

   Drei Aspekte der Migration nach Europa sind bedeutsam: die meist andere Religion, die Vielzahl nicht-europäischer Sprachen, und die oft fehlende Schul- und Ausbildung, erschweren – im Vergleich zu den USA – die Integration der Neuankömmlinge. Das Problem ist janusköpfig: den Zuwanderern fällt es schwer, Europa zu begreifen (und seine Sprachen und Lebensformen zu akzeptieren); die Europäer stören sich an der Andersartigkeit und den ungewohnten Verhaltensweisen der Einwanderer.

   Dabei ist die Lage je nach Land verschieden. Wie der jüngste OECD-Bildungsbericht zeigt, zieht Nordeuropa relativ viele gut ausgebildete, arbeitswillige Migranten an; Italien ist hingegen sind bei jenen jungen Menschen beliebt, die offiziell weder einer Arbeit nachgehen noch in Ausbildung sind. Die NEET genannten fanulloni, Nichtstuer, geniessen entsprechend geringes Ansehen bei den Italienern, was ein Grund für die in letzter Zeit deutlicher hervortretende Fremdenfeindlichkeit sein kann.

Rom, via Ostiense, nahe der Metrostation: Auf dem Gehsteig liegt ein Häufchen Blätter und Abfall. Daneben steht ein Kästchen mit ein paar Münzen. Auf der Bank neben dem Gehsteig sitzt ein Schwarzafrikaner und hält einen Besen. Seht, wie ich mich nützlich mache, die Stadt reinige!  Tatsächlich fallen ein paar Münzen in die Schachtel. Die Römer sind gutwillig und nicht kleinlich. Drei Stunden später: die Schachtel mit dem Geld ist verschwunden, der Afrikaner mit dem Besen auch. Nur der Kehricht, der liegt immer noch da.

Rom, via della Magliana: Wieder ein Kehrichthaufen und ein Afrikaner mit Besen. Wieder eine Schachtel mit meistens Kupfermünzen. Zwei Stunden später: Mann und Geld sind verschwunden. Der Kehricht?  Ist auch verschwunden, offenbar sauber entsorgt. 

     In Frankreich ist die Islamisierungs- und Afrikanisierungshysterie in vollem Gange. Nicht erst seit Houellebecq wird das Land überschwemmt von Literatur, die den Untergang der Blutsfranzosen (Français de souche) als unausweichliche Folge der Zuwanderung aus der islamischen Welt und Afrika, kombiniert mit der angeblich höheren Fruchtbarkeit der bereits existierenden Minderheiten, darstellt. Kluge Demografen halten dagegen, zeigen auf, dass die Empirie das afrikanische Wanderungspotential Richtung Europa recht limitiert erscheinen lässt. Die Schwäche der demografischen Logik: alle richtig beobachteten Faktoren und Trends stammen noch aus der Vor-Smartphone-Epoche. Die Demografen begreifen nicht, dass die Smartphone-Technik die Wanderungstendenzen geölt hat: was bislang zähflüssig und lokal begrenzt war ist plötzlich quecksilbrig liquide und raumübergreifend geworden. Tausende Kilometer lassen sich auf einem Display überblicken.

Was bislang zähflüssig war ist plötzlich quecksilbrig liquide

   Das Chaos von 2015, als Hunderttausende in Europa ankamen, von denen man nichts wusste – weder ihre Nationalität, noch ob sie Flüchtlinge oder Wirtschaftsmigranten waren – hat zu zunehmend schärferer Unterscheidung geführt.  Echte Flüchtlinge sind die Königsklasse der Zuwanderer, der grosse Rest versteckt sich oder wird geduldet. Einige wenige werden repatriiert; viele von ihnen reisen wieder und wieder nach Europa, beispielsweise kriminelle Nordafrikaner, deren Lebenszentrum Europa ist.

Flüchtlinge sind die Königsklasse

   Die Sperrung der mittleren Mittelmeer-Route hat ein Problem geschaffen, das in seinem Umfang die Flüchtlingsbewegung mittlerweile überschattet: was tun mit den armen Teufeln aus dem Sahel und Zentralafrika, die unvermindert an die Meeresküste strömen und einen Schmuggler suchen, der sie irgendwie ins gelobte Europa bringt?

   Sie haben sich eigentlich staatenlos gemacht. Kein Land Europas will sie aufnehmen; ihr Heimatland will sie nicht zurücknehmen. Jedenfalls wird es ihnen nicht helfen, zurückzukehren, wenn sie irgendwo in Libyen, Ägypten oder Marokko mittellos gestrandet sind und vielleicht auch keine Papiere haben.

   Hinter sich die Sahara, vor sich das Meer und die libysche Küstenwache, sind sie -- leicht erkennbar durch ihr Aussehen und ihre dunkle Hautfarbe inmitten einer grossteils feindlichen Bevölkerung -- degradiert zu einer Art menschlichem Abfall, schutzlos Kriminellen und Sklavenhaltern ausgeliefert.

Libyen ist die Vorratskammer, in der die nigerianische Mafia "Black Axe" die Frauen lagert, die sie in Italien für Prostitution verwenden will. Indem sie die Kosten für die Überfahrt vorschiesst, verpflichtet sie die Frauen "abzuarbeiten". Black Axe betreibt vor allem Drogen- und Menschenhandel, gilt als extrem grausam, und operiert inzwischen in sieben oder acht italienischen Grosstädten. Entstanden in Nigerias Benin City, ist Black Axe ein halb religiöser, halb krimineller Kult mit Aufnahmeritualen und strenger Schweigepflicht, der Italiens Einwanderer-Vorstädte terrorisiert und in Palermo sogar die Cosa Nostra das Fürchten gelehrt hat.

   Nicht unser Problem, sagt Italiens starker Mann Matteo Salvini und das Volk jubelt ihm zu, weil er die Bilder von überladenen Schlauchbooten voll junger schwarzer Männer von den Bildschirmen entfernt hat.

   Nicht unser Problem, denkt so mancher Politiker in Europa, ohne es laut zu sagen und baut mit an der neuen Festung Europa, die Migranten abhalten und abschrecken soll wie die Zäune um die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla.

Knotenpunkt Agadez

   Agadez in Niger ist der südlichste Punkt der Festung Europa. Agadez ist die nördlichste Stadt der visafreien Zone der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS.  Hierhin strömen die Reisewilligen aus einem guten Dutzend Länder, noch hoffnungsvoll und gut gekleidet. Von hier starten die robusten Toyota-Pickups auf die Sahara-Route, übrigens die gleichen Fahrzeuge, die schon der Islamische Staat in Syrien und Irak benutzt.

   Agadez ist aber auch der Ort, an dem die von Algerien ausgewiesenen Deportierten eintreffen. Autobusse transportieren sie von den algerischen Küstenstädten auf der Nationalstrasse 1 bis kurz vor die Grenze mit Niger, die unsichtbar irgendwo im Sand und Geröll verläuft. Die Busse leeren sich für die Rückfahrt, und die Fahrgäste trotten mit ihrem Gepäck die Piste entlang in den ersten nigerischen Ort Assamakka, von wo es nach Agadez geht.

   Noch ist Europa in Agadez nicht präsent*). Zwar hat Brüssel die Regierung von Niger überredet, den Menschenschmuggel von Agadez Richtung Libyen zu verbieten, doch bislang ist das Schmiergeld der Schmuggler überzeugender als jede staatliche Autorität. Als wirksamer erweist sich die Nachricht, dass es im Mittelmeer keine Helferschiffe mehr gibt und die neue libysche Küstenwache die Schlauchboot-Passagiere nach Libyen zurückschafft.

   Ein Teil der Migranten weicht nun über Tamanrasset in Algerien nach Marokko aus. Teilweise hat sich die Migration auch nach Senegal verlagert, wo sie von Saint-Louis über Nouakchott in Mauretanien und die Westsahara nach Marokko und weiter nach Spanien führt. Eine Reise, noch länger und kaum weniger gefährlich ist als die Durchquerung der Sahara. Die marokkanische Polizei sammelt illegal eingewanderte Afrikaner nahe Tanger und der spanischen Exklaven ein und verfrachtet sie 800 Kilometer weit nach Tiznit nahe der Westsahara-Grenze, wo sie freigelassen werden, wohl in der Annahme, dass sie irgendwie verschwinden oder umkommen werden.

Tod und schlimmeres können die Verzweifelten nicht aufhalten

   Die Festung Europa arbeitet fleissig an ihrem dreifachen Festungswall – Sahara, nordafrikanische Staaten, Mittelmeer – ohne in Zeiten des Smartphones und des internationalen Zahlungsverkehrs mittels Western Union, Hawala und dergleichen die Massenwanderung unterbinden zu können. Tod und schlimmeres können das Heer der Verzweifelten nicht aufhalten. Armut und religiöser Fatalismus überzeugen sie, das Wagnis einzugehen, selbst wenn nur Wenige die Prüfungen überstehen und es nach Europa schaffen. Wie es dort weitergeht, das ist ein anderes Thema. Lieber illegal in Europa als legal in Afrika, so denken Viele. Lieber Tod als Heimkehr, sagen Andere.

Und die Nachfahren?

   Als in den 1840er Jahren die Kartoffelfäule Irlands grässliche Hungersnöte auslöste und Hunderttausende in die Flucht nach Amerika zwang, da krochen die Auswanderer halbtot und stinkend aus den Bäuchen der Segelclipper im Hafen von Boston. Jahrelang vegetierten sie in den Kellern von Boston, verachtet von den Einheimischen meist englischer Herkunft. Heute sehen sich die Nachfahren der Iren als stolze weisse Oberschicht-Klasse Amerikas.

Heinrich von Loesch

 

*)  Update

Die italienische Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta hat stolz verkündet, dass die von der Vorregierung angekündigte Militärmission in Niger nun dort eintreffen wird. Nach Agadez sollen zunächst 120 Soldaten. später bis zu 470 italienische Militärs entsandt werden. Ob es den Italienern gelingen wird, die Schmuggler, von denen Agadez lebt, brotlos zu machen, ist fraglich.



   Both Turkey and Iran are striving for a noble goal: the conversion of the world to Islam. While the increasingly religiously oriented ruler of Turkey, Recep Tayyip Erdogan, strives for world domination by the Sunnis, Iran's Supreme Ayatollah, Ali Khamenei, fights for a Shiite world. Both are convinced that they are commissioned by Allah and supported by Him in their struggle. However, in the reality of Syria, Iraq, Bahrain and Yemen, militants of the Sunnah and Shia collide with terrible consequences for the civilian population.

   A moment of reflection should make it clear to the leaders of the two competing faiths that the struggle against each other for supremacy in individual countries can only be detrimental to the overarching quest for world domination. As long as Sunnis and Shiites fight each other, Christians, Jews and agnostics can watch gloatingly. An idea which should rob Erdogan and Chamenei of their sleep. But it's not. Because the two gentlemen have long since come to an arrangement.

  Their countries share 500 kilometres of a common border which would permit to fight the Sunna/Schia conflict to the end. Instead, the two countries coexist peacefully and trade actively. Turkey has recently opened more border crossings into the neighboring country. While the Turks are persecuting their Shiite minorities and the Iranians are harassing their Sunnis - at the border they greet each other and cooperate against a common enemy: the Kurdish minority on both sides of the border. The peaceful attitude is also due to the realization that two powers of equal size (82 million inhabitants each), which are heavily armed should respect each other instead of being belligerent.

   In January 2014 Ayatollah Khamenei received the (then) Turkish Prime Minister Erdogan in Tehran. Erdogan sat on the sofa like a schoolboy and listened to the imposing full bearded El Seyyid Khamenei, the Pope of the Shiites. "Iran is like my second home," said Erdogan. He obviously admires the Islamic Republic and its almighty boss. Since 2014 Erdogan has been restlessly working to transform Turkey into a similar theocracy. He has understood that the ultimate goal of converting the world to Islam is not possible against the powerful Persians, but only jointly with them. And for Ali Khamenei this is a welcome development. In the constant conflict with the U.S., Saudi Arabia, the Emirates and Egypt, he needs allies, even if they are Sunnis who delight in accusing the Shiites of polytheism.

   In October 2017 Erdogan visited Tehran again and called for the bilateral trade to be increased from 10 to 30 billion dollars a year. Turkey imports Iranian oil and natural gas on a large scale, thereby breaking the US-American sanctions. The currency-hungry neighbor was supplied large quantities of gold by mafia traders with close ties to the Ankara cabinet, using the services of the state-owned Halkbank*).  The gold was subsequently converted in Dubai to foreign exchange, as the Turkish-Iranian trafficker Reza Zarrab, arrested and convicted in America, admitted in 2017 to Ankara's displeasure. In view of President Trump's renewed and tightened sanctions against Tehran, Turkey is once again Iran's most important gateway to the world, alongside China and North Korea.

   However, the fraternal love between Ankara and Tehran is costing Turkey dearly this time. Erdogan's refusal to support American sanctions and to refrain from any trade and financial transactions with Iran is the main reason for the current conflict between Washington and Ankara. It's officially about the arrested Pastor Brunson.

   In reality, however, Washington wants to put a stop to the autocrat Erdogan. For too long the State Department has watched Erdogan's imperialist aspirations. In his efforts to establish Turkey as a major power in Asia and Africa, he visited and massaged the governments of even such marginal countries as Mauritania and Madagascar. He is busy building mosques in the Balkans.  In Syria he is trying to carve out a corner of the neighboring country for criminal jihad militias. In Iraq, his military is fighting Kurdish guerrilla retreat positions. In Libya, he supports the Muslim Brothers groups in Tripolitania. He is a close friend of Hamas in Gaza and increasingly an enemy of Israel. In the Gulf, he supports Iran-friendly Qatar and protects it with troops from its neighbors Saudi Arabia and Abu Dhabi. In Europe, he mobilizes the Turkish diaspora as a national-religious fifth column.

  But that's not all. With Russia's construction of a nuclear power plant and the Turkish purchase of the Russian S 400 missile defence system, Erdogan has signaled that he does not consider NATO to be without alternatives. Turkey's withdrawal from NATO is no longer a question of whether, but only of when, given the current dispute between Washington and Ankara. NATO membership is incompatible with the pursuit of the role of a great power and with Islamic credibility.  The alliance constitutes a bondage that Erdogan will get rid of as soon as an appropriate opportunity arises. His people will cheer him, as always. NATO needs Turkey, but Turkey does not need NATO. Apart from Assad's Syria and the rebellious Kurds, she is surrounded by friends.

   Erdogan likes to hint at alternative orientations for Turkey. But what alliance could replace NATO? Pakistan offers itself and could possibly supply valuable nuclear armament technology. But Pakistan is chaotic and weak. China would be a good partner with its New Silk Road policy if only the Uighurs did not exist. Erdogan has acted as a protector and sympathizer of the Islamic Uighurs for years - to China's annoyance. So Russia seems the only possible NATO replacement. But Putin's Russia is as unreliable as Erdogan's Turkey. Not a good basis for an alliance.

   For the time being, Trump threw a spoke into the Turkish-Iranian wheel. Turkey must be interested in the continued existence of the Ayatollah regime in its neighboring country. If President Trump succeeds with his sanctions in unleashing a revolution of despair in Iran that will force the Ayatollahs back into the mosques, then Erdogan's Turkey would be the next target of Evangelical Trump fans. The NATO partnership would certainly not prevent Trump from taking robust action against the Muslim brothers regime in Ankara, with applause from Saudi Arabia and Egypt. New American weapons are already being withheld from Turkey.

   In Turkey's current economic crisis, Europe is well advised to hold its breath and avoid any support for Erdogan. It is also advisable to forget Turkey's NATO role as a supposedly "stabilising factor in the troubled Middle East". President Erdogan's Turkey is not stabilizing anything. anywhere -- on the contrary. The deployment of its troops in Syria, Iraq and Qatar can only cause difficulties and embarassment for NATO. Although the alliance is not permitted to kick out any member it should not be sad if a member leaves on its own.

   No one doubts that Turkey's current economic crisis is the result of Erdogan's irregular economic policy, which focuses on his aversion to interest rates. He is persistently fighting against interest rate hikes demanded in vain by the Central Bank in the face of prevailing inflation. This situation provides the well-to-do upper class, which has access to bank loans, with risk-free profitable transactions. They can borrow lira from the bank, buy dollars, euros or gold and pay off the loan months later with devalued lira.

   Erdogan's hostility toward interest is based on religion. The Qur'an and other writings prohibit interest transactions because they allegedly "exploit" the borrower. This is a way of thinking that was not unusual at the time of the prophet and before. At that time, the value of metal money was stable because it could not be increased at will. The term inflation, which characterises Turkey's economy today, did not exist.

   Erdogan is a man of strong opinions and the will to shape the world as it should be according to Sharia law. Since the Qur'an is never wrong, his economic policy must be successful because "the others have their dollars, but we have Allah!" The crisis, if he acknowledges it at all, could therefore only be a result of envy for Turkey's success and of sabotage by Christian and Jewish foreign countries. During the crisis it seems logical to him to request the religious and national support of his people and of Muslims worldwide  It remains to be seen how far he will succeed..

Ihsan al-Tawil

 

Update

*)    "...Turkey asked the U.S. to drop an ongoing investigation into Halkbank, one of the biggest state-owned Turkish banks. Halkbank faces major fines for allegedly violating U.S. sanctions on Iran. In exchange, the Turkish government would release Andrew Brunson, an American pastor..."

Officiellement, elles cherchent à lutter contre le terrorisme, mais les interventions des acteurs extérieurs s’inscrivent davantage dans la défense de leurs intérêts.

   L’empreinte militaire extérieure, notamment celle des États-Unis et de la France, s’accroît en Afrique de l’Ouest et particulièrement au Sahel. Pourtant, face à des opinions publiques de plus en plus hostiles à cette présence jugée envahissante, ces interventions risquent de s’avérer inefficaces ou, pire, contre-productives.

   Le 6 avril 2018, le président ghanéen Nana Akufo-Addo déclarait : « Il n’y aura pas de base militaire américaine au Ghana ». Il répondait ainsi aux protestations soulevées par la signature d’un accord de coopération en matière de défense avec les États-Unis. Quatre mois plus tôt, au Niger, les autorités avaient démenti avoir autorisé l’envoi de soldats italiens dans le Nord du pays, où des bases américaines et française étaient déjà positionnées.

   Autrefois limitées au conseil, à la formation et à l’équipement des armées nationales de la région, les forces militaires étrangères, depuis le déclenchement de la crise malienne de 2012, ont accru le déploiement de troupes au sol ainsi que l’installation des bases logistiques ou militaires. Au Mali, en 2013, l’intervention des troupes françaises dans le cadre de l’opération Serval a permis de stopper l'avancée des groupes extrémistes violents vers le sud du pays et leur éviction des grandes villes.  

Présenter cette zone du Sahel, comme la nouvelle frontière d’un « djihad » mondial comporte des risques importants

   Dans ce capharnaüm militaire, le Mali et le Niger, au carrefour de l’instabilité régionale, sont devenus des terrains privilégiés pour les puissances occidentales. Ces dernières, bien qu’ayant recours aux mêmes arguments sécuritaires pour justifier leur présence, poursuivent des objectifs parfois différents.

   Si la lutte contre le terrorisme demeure l’enjeu principal pour les Américains dans la région, il semble que des partenaires européens, comme l’Allemagne et l’Italie, soient aussi motivés par la question migratoire. L’annonce du gouvernement italien, en décembre 2017, de sa décision d’envoyer des troupes au Niger pour combattre le terrorisme répondrait davantage à une volonté d’exercer un contrôle plus étroit sur les flux migratoires. Selon l’Organisation internationale pour les migrations, plus de 75 % des migrants et réfugiés parvenus en Europe en 2017 sont entrés par l’Italie et nombreux sont ceux ayant transité par le Niger.

   La participation de l’Allemagne à la Mission multidimensionnelle intégrée des Nations unies pour la stabilisation au Mali (MINUSMA) avec un millier de soldats et l’ouverture d’une base logistique au Niger consolide sa présence au Sahel, une zone au cœur des dynamiques migratoires.

   La montée en puissance des groupes extrémistes violents et de la criminalité organisée au Sahel, ayant conduit au renforcement de la présence militaire étrangère, a été précédée d’un affaiblissement des États de la région. La situation de ces pays, qui font face à une mauvaise gouvernance caractérisée par une corruption endémique, un système de justice défaillant, une incapacité à fournir les services sociaux de base et à intégrer les espaces périphériques, favorise l’ancrage local et la résilience des groupes extrémistes violents de la violence auprès des populations.

 Au Mali, forces françaises sont de plus en plus critiquées par l’opinion publique.

   Si la France est intervenue à la demande des autorités maliennes de transition de l’époque, au nom d’un passé commun, elle l’a fait aussi et surtout pour protéger ses ressortissants et défendre ses intérêts stratégiques, y compris économiques, dans la région.

   À titre d’exemple, le pays continue d’importer du Niger voisin la majeure partie de l’uranium indispensable à son énergie nucléaire. L’intervention de la France, baptisée Serval, en janvier 2013, a laissé la place, six mois plus tard, à l’Opération Barkhane – au coût financier d’environ un million d’euros par jour – dont la zone d’action est élargie aux cinq pays du G5 Sahel : Burkina Faso, Mali, Mauritanie, Niger et Tchad.

   Tandis que la présence française est fortement médiatisée, d’autres pays tels que les États-Unis et l’Allemagne, se font plus discrets. En octobre 2017, quatre commandos américains et cinq militaires nigériens ont perdu la vie à Tongo Tongo, localité située à la frontière avec le Mali, dans une embuscade revendiquée par l’État islamique dans le Grand Sahara (EIGS). Cette attaque a révélé au grand public l’ampleur de la présence militaire des États-Unis au Niger, et plus largement dans la région.

   Elle a également démontré, une fois de plus, que les groupes terroristes, bien que traqués par les pays de la région et leurs alliés, conservent une capacité de nuisance et recourent à des modes opératoires de plus en plus complexes. Cependant, la présentation de cette zone du Sahel, dans la rhétorique qui a suivi l’attaque de Tongo Tongo, comme la nouvelle frontière d’un « djihad » mondial comporte des risques importants.

   De nombreuses études soulignent en effet la nécessité de prendre en compte les dynamiques locales dans le développement et l’expansion des groupes armés terroristes dans la région. Ces groupes exploitent, entre autres, les griefs des populations contre la gouvernance étatique ainsi que les tensions entre les différentes communautés socioprofessionnelles – à l’image des conflits pouvant opposer les éleveurs aux agriculteurs – pour s’ériger en garant de l’ordre social.

 La décision des États-Unis de donner plus d’autonomie aux troupes déployées sur le terrain paraît dangereuse.

   Par ailleurs, la décision des États-Unis de donner plus d’autonomie aux troupes déployées sur le terrain paraît dangereuse. Dans un tel contexte, les erreurs de ciblage risquent d’être exploitées par les groupes extrémistes violents pour consolider leur présence et d’affecter l'efficacité des interventions.

   Ces derniers mois, les signes d’un mécontentement populaire contre la présence militaire extérieure se sont multipliés dans la région. Accueillies dans un consensus quasi-général au Mali, en janvier 2013, les forces françaises sont de plus en plus critiquées par l’opinion publique.

   Cette hostilité a débouché sur l’émergence de mouvements de protestation au cours des derniers mois, à travers le pays, pour dénoncer la politique de la France, accusée parfois d’accointance avec les anciens groupes rebelles. Au Niger, également, des manifestants, répondant à l’appel d’une coalition d’organisations de la société civile, scandaient en février dernier : « Armées française, américaine et allemande, allez-vous en ! », accusant leurs autorités de brader la souveraineté du pays.

   La multiplication des interventions au Sahel répond d’abord à une volonté des puissances occidentales de défendre leurs intérêts stratégiques, qu’ils soient d’ordre sécuritaire, politique, diplomatique ou économique. Le masquer ou tenter de le dissimuler contribuerait davantage à renforcer l’image d’une région victime de simples calculs géopolitiques de la part d’acteurs extérieurs.

Ibrahim Maïga, Chercheur, ISS Bamako et Nadia Adam, Chercheure boursière, ISS Dakar

Article first published in ISS TODAY

 

   Beide, die Türkei und der Iran, streben ein hehres Ziel an: die Bekehrung der Welt zum Islam. Während der zunehmend religiös orientierte Herrscher der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, die Weltherrschaft der Sunniten anstrebt, kämpft der Ober-Ayatollah des Iran, Ali Chamenei, für eine schiitische Welt. Beide sind überzeugt, von Allah zu ihrem Kampf beauftragt und von ihm unterstützt zu sein. In der Wirklichkeit Syriens, des Irak, Bahreins und Jemens kollidieren die Speerspitzen der Sunna und der Schia mit schecklichen Folgen für die Zivilbevölkerung.

  Ein Augenblick des Nachdenkens müsste den Anführern der beiden konkurrierenden Glaubensrichtungen klar machen, dass der Kampf gegeneinander um die Vorherrschaft in einzelnen Ländern dem übergeordneten Streben nach Weltherrschaft nur abträglich sein kann. Solange Sunniten und Schiiten gegeneinander kämpfen, können Christen, Juden und Agnostiker schadenfroh zuschauen. Eine Vorstellung, die Erdogan und Chamenei den Schlaf rauben müsste. Tut es aber nicht. Denn die beiden Herren haben sich längst arrangiert.

  Ihre Länder besitzen 500 Kilometer gemeinsamer Grenze, über die man ausführlich den Sunna/Schia-Konflikt austragen könnte. Stattdessen koexistiert man friedlich und treibt regen Handel. Die Türkei hat sogar vor kurzem weitere Grenzübergänge ins Nachbarland eröffnet. Zwar verfolgen die Türken ihre schiitischen Minderheiten und drangsalieren die Iraner ihre Sunniten – aber an der Grenze grüsst man sich und kooperiert gegen einen gemeinsamen Feind: die kurdische Minderheit beiderseits der Grenze. Die friedliche Stimmung basiert auch auf der Erkenntnis, dass zwei gleich grossse Mächte (je rund 82 Millionen Einwohner), die noch dazu hochgerüstet sind, sich besser gegenseitig respektieren, als an Konflikt zu denken.

   Im Januar 2014 empfing Ayatollah Khamenei in Teheran den (damals) türkischen Regierungschef Erdogan. Brav wie ein Schulbub sass Erdogan auf dem Sofa und hörte dem imposanten Vollbart El Seyyid Khamenei, dem Papst der Schiiten, zu. “Iran ist wie meine zweite Heimat”, flötete Erdogan. Ganz offensichtlich bewundert er die Islamische Republik und ihren allmächtigen Chef.  Seit 2014 ist Erdogan jedenfalls rastlos am Werk, die Türkei in einen ähnlichen Gottesstaat zu verwandeln.  Er hat offenkundig begriffen, dass das oberste Ziel der Bekehrung der Welt zum Islam nicht gegen die mächtigen Perser, sondern nur mit ihnen zu erreichen ist.  Und Ali Khamenei kann es nur recht sein. Im Dauerkonflikt mit Saudi-Arabien, den Emiraten und Ägypten braucht er Verbündete, selbst wenn sie Sunniten sind, die den Schiiten genüsslich Vielgötterei vorwerfen.

   Im Oktober 2017 war Erdogan erneut in Teheran und forderte, den bilateralen Handel von 10 auf 30 Milliarden Dollar im Jahr auszuweiten.  In grossem Umfang importiert die Türkei iranisches Erdöl und Erdgas und bricht damit US-Amerikas Blockadeforderungen. Dem devisenhungrigen Nachbarn lieferten mafiose Händler mit engen Verbindungen in das Kabinett in Ankara grosse Mengen Goldes mit Hilfe der staatlichen Halkbank*), das in Dubai gegen Devisen verkauft wurde, wie der in Amerika verhaftete und verurteilte türkisch-iranische Schieber Reza Zarrab 2017 zur Unfreude Ankaras gestand. Angesichts der erneuten und verschärften Sanktionen Trumps gegen Teheran ist die Türkei wieder neben China und Nordkorea das wichtigste Tor des Iran zur Welt.

   Die brüderliche Liebe zwischen Ankara und Teheran kommt diesmal die Türkei jedoch teuer zu stehen. Erdogans Weigerung, die amerikanischen Sanktionen mitzutragen und auf jeglichen Handel und Geldgeschäfte mit dem Iran zu verzichten, ist der Hauptgrund des gegenwärtigen Konflikts zwischen Washington und Ankara. Offiziell geht es um den verhafteten Pastor Brunson. In Wirklichkeit jedoch möchte Washington dem Autokraten Erdogan einen Riegel vorschieben. Zu lange schon hat das State Department die imperialistischen Bestrebungen Erdogans beobachtet. Mit seinen Bemühungen, die Türkei als Grossmacht in Asien und Afrika zu etablieren, besuchte und massierte er die Regierungen selbst so marginaler Länder wir Mauretanien und Madagaskar. Auf dem Balkan baut er fleissig Moscheen und in Syrien versucht er, einen Zipfel des Nachbarlandes für kriminelle Dschihad-Milizen zu retten. Im Irak bekämpft sein Militär Rückzugspositionen der kurdischen Guerilla. In Libyen unterstützt er die Moslembrüder-Fraktion in Tripolitanien. Mit der Hamas in Gaza ist er eng befreundet und mit Israel zunehmend verfeindet. Im Golf unterstützt er das Iran-freundliche Qatar und schützt es mit Truppen vor seinen Nachbarn Saudi-Arabien und Abu Dhabi. In Europa mobilisiert er die türkische Diaspora als national-klerikale Fünfte Kolonne.

   Damit nicht genug. Mit Russlands Bau eines Atomkraftwerks und dem türkischen Kauf des russischen Raketen-Abwehrsystems S400 hat Erdogan signalisiert, dass er die NATO nicht als alternativlos ansieht. Der Austritt der Türkei aus der NATO ist angesichts des gegenwärtigen Zwists zwischen Washington und Ankara nicht mehr eine Frage des ob, sondern nur des wann. Die NATO-Mitgliedschaft ist mit dem Streben nach Grossmachtrolle und islamischer Glaubhaftigkeit nicht vereinbar, also eine Fessel, die Erdogan abstreifen wird, sobald sich eine passende Gelegenheit bietet. Sein Volk wird ihm dafür zujubeln, wie immer. Die NATO braucht zwar die Türkei, aber die Türkei braucht die NATO nicht. Von Assads Syrien und den aufmüpfigen Kurden abgesehen, ist sie von Freunden umgeben.

   Erdogan munkelt gerne von einer alternativen Orientierung der Türkei. Aber welches Bündnis könnte die NATO ersetzen? Pakistan bietet sich an und liefert womöglich wertvolle Atomrüstungstechnik. Aber Pakistan ist zerrissen und schwach. China wäre mit seiner neuen Seidenstrassen-Politik ein guter Partner, wenn nur die Uiguren nicht existierten. Erdogan hat sich jahrelang als Protektor und Sympathisant der islamischen Uiguren aufgespielt – zum Ärger Chinas. Also kommt nur Russland als NATO-Ersatz infrage. Aber das Russland Putins ist ein ebenso unsicherer Kantonist wie die Türkei Erdogans. Keine gute Basis für ein Bündnis. 

  Vorerst hat Trump dem Gespann Türkei-Iran einen Prügel in die Speichen geworfen. Die Türkei muss am weiteren Bestehen des Ayatollah-Regimes im Nachbarland interessiert sein. Sollte es Präsident Trump mit den Sanktionen gelingen, eine Revolution der Verzweiflung in Iran loszutreten, die die Mullahs zurück in die Moscheen zwingt, dann wäre Erdogans Türkei das nächste Ziel der evangelikalen Trump-Fans. Die NATO-Partnerschaft würde Trump sicherlich nicht hindern, robust gegen das Moslembrüder-Regime in Ankara vorzugehen, mit Applaus von Saudi-Arabien und Ägypten.  Schon jetzt werden neue amerikanische Waffen der Türkei vorenthalten.

   In der gegenwärtigen Wirtschaftskrise der Türkei ist Europa jedenfalls gut beraten, den Atem anzuhalten und jegliche Unterstützung Erdogans zu vermeiden. Auch empfiehlt sich, die NATO-Rolle der Türkei als angeblich "stabilisierenden Faktor im unruhigen Nahen Osten" zu vergessen.  Die Türkei des Präsidenten Erdogan stabilisiert nichts -- im Gegenteil. Der Einsatz ihrer Truppen in Syrien, im Irak und in Qatar kann der NATO nur Schwierigkeiten bereiten. Die Allianz kann zwar kein Mitglied ausstossen, aber sie sollte nicht traurig sein, wenn ein Mitglied von selbst geht.

  Niemand bezweifelt, dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise der Türkei die Folge von Erdogans regelwidriger Wirtschaftspolitik ist, in deren Zentrum seine Abneigung gegen Zins steht.  Beharrlich kämpft er gegen die Zinserhöhungen, die die Zentralbank angesichts der herrschenden Inflation vergeblich fordert. Damit beschert er der vermögenden Oberschicht, die Zugang zu Bankkrediten hat, risikolose Gewinngeschäfte.  Man leiht sich Lira bei der Bank, kauft damit Dollars, Euro oder Gold und tilgt den Kredit Monate später mit entwerteten Lira.

  Erdogans Zinsfeindschaft ist religiös begründet. Der Koran und andere Schriften verbieten Zinsgeschäfte weil sie den Kreditnehmer angeblich "ausbeuten".  Das ist eine Denkweise, die zur Zeit des Propheten und davor nicht lebensfremd war. Damals war das Metallgeld langfristig wertstabil, weil es nicht beliebig vermehrt werden konnte. Der Begriff Inflation, der heute die Türkei charakterisiert, existierte nicht.

  Erdogan ist ein Mann starker Überzeugungen und des Willens, die Welt so zu formen, wie sie gemäss der Scharia sein sollte. Da der Koran nie irrt, kann seine Wirtschaftspolitik nur die einzig erfolgreiche sein, denn "die Anderen haben ihren Dollar, aber wir haben Allah!"  Die Krise, so er sie überhaupt zur Kenntnis nimmt, kann daher nur eine Folge des Neides auf die Erfolge der Türkei und der Sabotage durch das christliche und jüdische Ausland sein. Es ist für ihn logisch, in der Krise den religiösen und nationalen Beistand seines Volkes und der Moslems weltweit einzufordern. Wie weit er damit Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten. 

Ihsan al-Tawil

 

Update

*)  "...Turkey asked the U.S. to drop an ongoing investigation into Halkbank, one of the biggest state-owned Turkish banks. Halkbank faces major fines for allegedly violating U.S. sanctions on Iran. In exchange, the Turkish government would release Andrew Brunson, an American pastor..." 

 

 

 

 
Precision agriculture, water conservation management, health research and management, automated machines and cyber security and defense are the new Israeli exports. I can see a bright future for such exports, but here are my two and a half cents on how we can do a better job at exporting our technology innovation.
Precision agriculture
   Having lived in Africa, the Middle East, Latin America, Asia and other parts of the world, to export precision agriculture you would need to export it to countries that have a culture of precision. Asian farmers or African farmers tend not to have that culture of precision. They often spent very few years in school, there are no watches in their house, a lot of times they don't have electricity in their villages, they don't have television, and there are few tools or items that they master with precision.
   To have a culture of precision you would need a culture of time and space, yet those very societies don't really have a culture of time and space. But what is the feature of tribal societies that might help us win contracts? They have a culture of imitation. That is if we can send our people to those villages, learn the local language, start a precision farm with locals using tacit verbal agreements, succeed at getting the farm to grow crops over a couple of years, you will then have local farmers start imitating the successful farm and start demanding some of that precision agriculture technology. Without the example of a successful farm, you will have farmers be very suspicious of farming technology such as precision irrigation or precision seed planting or precision harvesting.
Water conservation management
   I remember going to a remote African farm with a group of friends and we had taken several gifts with us. We brought things like soap, shampoo, hair conditioner, perfume, tooth paste and tooth brushes, and we had no idea the African farmers would view such products with so much novelty. No one knew how to use a tooth brush and you had children playing with tooth brushes and breaking them the very first day. Some thought shampoo was some kind of detergent and started cleaning the floor with it.
   So how do you teach water conversation management to a group of people accustomed to receiving free water, using it all, and praying they will receive more free water. Again tribal societies learn by imitation. We send out a local who immerses his or herself within the community, teaches one family how to conserve water, then other people will eventually start imitating such water management techniques.
   Furthermore, one of the problems with water is not just desalination, a lot of the water has problems with all kinds of pollution. So when bringing in water desalination machines, they would also need to boil and filter the water. In capitalist societies we tend to try to keep our water clean because water ownership tends to be private and if someone pollutes the water we take them to court. But in tribal or militarized societies, you can't take those who pollute your water to court.
Health research and management
   Again, we in free societies tend to go to doctors every now and then and do something called preventative medicine, but the culture is not very common on many countries around the world. In fact few countries have active medical systems or take their medical arsenals seriously. In most countries, you only see a doctor if you break a bone or can't get out of bed.
   So how to you promote a culture of health awareness? They say doctors are something for rich people, so we would need to target the national elites of each country when promoting medical innovation. It's the generals and the CEOs and the high-ranking political officials who tend to go to doctors, the average citizen can't afford to and it is socially taboo to see a doctor in many communities.
Automated machines
   I can imagine a handsome young man who graduated from a North American or European university drive a driverless car, or a city like Paris or New York city have driverless busses, or fortune 500 companies use automated machinery, but I don't really see the average John Doe being able to handle a driverless car, probably because there are too many buttons to press for him or her to understand how to operate the vehicle.
   A French supermarket once came up with these automatic cashiers in 2004, I used them once, it took me forever to press the right buttons, the queue behind me was getting anxious and irritated, and that was the last time I used an automatic cashier. So the idea for automated machines would be to test them at the local level before going global. Israel has plenty of small decent towns and small but decent businesses that could test the machinery, and if that works, people will start asking for the technology and imitating the model. Smartphones used to be a drag, but then Apple targeted college students to test them first, and by the time college students learned and mastered how to use them, they pretty much convinced everyone else to buy a smartphone.
Cyber security and defense
   Finally, most countries don't feel the need to backup their databases, even when they really should. Kind of like societies where you only see a doctor if you're stuck in bed or break a bone, most societies don't ask for cyber security unless a data breach really shakes things up.
   Cyber security kind of works like seat belts in cars. You have careful drivers, and you have reckless drivers. Careful drivers drive carefully but also take extra precautions by wearing seat belts. Reckless drivers drive recklessly and don't see the point is wearing seat belts. So the idea is to work with those who are careful and want to take extra precautions. Those who are reckless, well let them be reckless.