Da die Balkanroute weitgehend geschlossen ist, verlagert sich die illegale Einwanderung wieder auf die Mittelmeerrouten Libyen-Italien und Ägypten-Italien. Von Libyen aus starten überladene Kähne und Schlauchboote, die nur so lange schwimmen müssen, bis die nach Notruf herbeigeeilten Rettungsschiffe die Pasagiere übernehmen. Von Ägypten kommen ausrangierte Fischtrawler, ebenfalls überladen, und rufen den Retter-Shuttleservice herbei, sobald sie in internationalen Gewässern angelangt sind. So lange das Meer friedlich ist, gelingt die Rettung meistens.
Trotz der ausgefeilten Rettungsmaschinerie bleibt die Nordafrika-Route riskant, vor allem, wenn man die Wüste durchquert und Monate wartend in grauenvollen Lagern an der Küste Libyens verbracht hat.
Doch es geht auch anders. Bequem und ziemlich ungefährlich. Man braucht nichts ausser Geld. Davon allerdings ziemlich viel: etwa fünf Stellen pro Person.
Wie?
Zum Beispiel per Flugzeug. Sportflieger in Missolonghi, Westgriechenland, offerierten mit ihren Kleinmaschinen Flüge nach Bari oder Lecce in Apulien, Südostitalien. Ein genussvoller Flug mit Blick auf das Ionische Meer und seine Inseln. Erst nach Monaten fiel italienischen Zöllnern auf, dass diese Flüge häufiger und so regelmässig wie nach Plan eintrafen, und sie begannen, die Passagiere zu kontrollieren.
Mittlerweile hat sich diese Reisemethode aufs Meer verlagert.Findige türkische Unternehmen bieten sorgenfreie Überfahrten nach Italien: per Segelboot. Von Izmir, Antalya und Bodrum starten Sportfischerboote unter der Flagge irgendeines Uferstaats in Richtung Kalabrien und Apulien. An Bord eine Mannschaft erfahrener ukrainischer Seeleute, als Sportfischer getarnt, die ihr für Radar unsichtbares Boot, das in der Vielzahl der Berufs- und Sportboote unauffällig bleibt, irgendwo an Italiens Küsten landen, ihre Gäste wohlbehalten absetzen und wieder umdrehen für den nächsten lukrativen Segeltörn.
Das Konzept ist nicht neu. Schon 2015 brachten bretonische Fischer illegale Einwanderer an die englische Küste. Neu ist jedoch, dass die durch Menschenschmuggel gross und reich gewordenen kriminellen Organisationen in Izmir und Mersin das neue Verfahren verfeinert haben, gegen dessen perfekte Tarnung NATO-Flotten und Drohnen blind sind, wie die Staatsanwaltschaft von Syrakus feststellte, deren Arbeitsgruppe GICIC auf die Jagd auf Schlepper spezialisiert ist.
Klein aber fein und teuer ist der neue Weg nach Europa für Migranten, vor allem wohl Syrer, die in der Regel die Wohlhabendsten unter den nach Europa Strebenden sind. Es ist erstaunlich, dass aus Syrien nach so vielen Jahren Bürgerkrieg und Zerstörung immer noch Flüchtlinge kommen, die sich die Kosten einer solche Überfahrt leisten können. Eine Wohlhabenheit, die in der ärmlichen Türkei mitunter Staunen und Neid erregt hat und dazu führte, dass Syrer bei den Schleppern in Ägypten und Libyen viel höhere Tarife zahlen müssen als beispielsweise arme Afrikaner.
Dass der rürkische Präsident Tayyip Erdogan gebildete, wohlhabende und gesunde Syrer nicht mehr ausreisen lassen will, ist ein ungewolltes Kompliment an den arabischen Nachbarstaat und seinen einstigen Wohlstand unter der Regierung der Sippe al-Assad.
Benedikt Brenner
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Das türkische Militär hat eine Militäroperation mit Unterstützung der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ gestartet. Die Operation soll die Etablierung einer Pufferzone zum Ziel haben.
Die regierungsnahe türkische Tageszeitung „Yeni Safak“ behauptete, intensive türkische Armee-Operationen begannen in Nordsyrien zwischen den Grenzstädten Azez und Dscharablus gegen den IS. Das Militär beabsichtige, ein Gebiet von 18 Kilometern Länge und acht Kilometern Tiefe unter Kontrolle des IS freizukämpfen. Bislang bombardiert die extremistische Terrormiliz immer wieder die türkische Grenzstadt Kilis, was zu Unmut unter der Zivilbevölkerung führte. Zudem nahm der IS am Mittwoch von pro-türkischen Rebellen, arabischen und turkmenischen FSA-Milizen, östlich der Stadt Azez fünf Dörfer ein.
Die Tageszeitung sagte weiter aus, die Operationen werden von der US-geführten Anti-IS-Koalition unterstützt, allen voran den USA und Deutschland. Beide Staaten sollen der moderaten syrischen Opposition im Kampf gegen den IS Luftunterstützung geben.
Dem Plan zufolge wird die türkische Armee den IS mittels Artilleriegeschossen, Fernlenkgeschossen und Mörsern ins Visier nehmen.
Yeni Safak gilt zwar als regierungsnah aber nicht besonders zuverlässig. Ob die türkische Operation mit der Internationalen Koalition abgestimmt ist, wäre zu prüfen.
Update
Im Netz kursiert das möglicherweise russisch-inspirierte Gerücht, dass die Türkei die Pufferzone vor allem als Zuflucht und Sanktuarium für islamistische Terrorkämpfer von Daesh (IS), Al-Nusra u.a. nutzen will, falls diese Organisationen durch ihre Feinde vernichtet werden.
--ed
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Es ist erstaunlich, mit wieviel Blauäugigkeit manche Zeitgenossen die Flüchtlingskrise kommentieren. Da ist zum Beispiel Guntram Wolff, der Direktor des Wirtschaftsforschungs-Instituts Bruegel in Brüssel. Er liefert Ratschläge, wie die EU agieren sollte, damit das EU-Türkei-Abkommen zum Erfolg führt. (Wie der Deal funktionieren kann. SZ, 27. 4.)
Schon die Grundlage seiner Ideen ist falsch: Der Rückgang der Flüchtlingszahlen auf der Balkanroute hat nichts mit dem Abkommen zu tun: er ist das Ergebnis der Sperrung der Route und der Erkenntnis potentieller neuer Migranten, dass Griechenland nun eine Sackgasse ist, eine zunehmend unerfreuliche. Wenn man der Türkei helfen will. Flüchtlinge zu beherbergen, so ist das humanitär gerechtfertigt aber unwirksam, was Flüchtlingsbewegungen, Schlepper und griechische Inseln anlangt. Der von Wolff so freudig begrüsste “Deal” ist obsolet; der Zaun zwischen Idomeni und Gevgelija hat ihn überflüssig gemacht.
Wenn sich Kanzlerin Merkel immer noch um die Gunst der Türken bemüht, so klingelt sie an der falschen Adresse. Das neue Spiel ist wieder als alte: Libyen-Ägypten vs. Italien-Malta. Und damit sind Wolffs Empfehlungen sinnentleert. “Die EU muss jetzt Griechenland grosszügig helfen”, schreibt er. Warum? Knapp 50.000 Flüchtlinge und Migranten sitzen in Hellas fest, die Mehrzahl erbittet Asyl. Das ist kein grosses Problem für ein 11-Millionen-Land, das im Jahr 20.000 Einwohner verliert. Forderungen wie “Die EU muss...” gelten nicht mehr. In Sachen Flüchtlinge und Migranten gibt es keine EU mehr. Das müsste man in Brüssel almählich begreifen. Es gibt nur noch einzelne Staaten, die allesamt – mit teilweiser Ausnahme Deutschlands – keine Flüchtlinge mehr aufnehmen wollen. Oder wenn, dann nach dem Vorbild der USA oder der Schweiz nur in homöopathischen Dosen. Griechenland helfen? Solche Vorschläge ignorieren, dass die ewige Griechenpleite und die Reformresistenz seiner Regierungen die einstige philhellenische Begeisterung sogar in Frankreich gründlich erodiert haben.
“Unter dem gegenwärtigen Programm sollen bis Mitte Mai mindestens 20.000 Menschen aus Griechenland in andere EU-Länder umgesiedelt werden. Dies reicht jedoch nicht.” Bon dieu! Wie kann man sich in Brüssel solchen Träumen hingeben? Die “anderen EU-Länder” kalkulieren knallhart, dass sie nur eine neue Lawine von Bootsleuten in der Ägäis lostreten würden, wenn sie Griechenland Flüchtlinge abnehmen, denn damit würden sie die Tür nach Europa erneut öffnen. Man sollte den Hellenen zwar helfen, die 50.000 human unterzubringen, aber abnehmen darf man sie ihnen nicht.
“Die EU-Mitglieder müssen ihren Verpflichtungen...nachkommen...” Die EU-Mitglieder denken nicht im Traum daran. Die Visegrad-Staaten mauern, Ostdeutschland rebelliert, Norwegen bietet jedem Flüchtling 1200 Euro, wenn er das Land verlässt… Dänemark, Schweden, Grossbritannien, Spanien, Frankreich… Bleiben Deutschland und Italien, letzteres weil seine Seegrenzen weit offen sind und eine internationale Rettungs-Armada dort die Geretteten ablädt.
Man sollte in Brüssel, anstatt über die Türkei zu sinnieren, lieber überlegen, wie man Italien helfen kann zu verhindern, dass der Brenner und die anderen Alpenpässe das nächste Idomeni werden. Der Schlauch Bozen-Brenner bietet genug Möglichkeiten, Eisenbahn, Autobahn und Strasse zu kontrollieren. Italien hat genug unterbeschäftigte Carabinieri, Vigili und Poliziotti aller Art, um Kontrollen durchzuführen und sicherzustellen, dass die Österreicher nicht wegen einer Migrantenflut den Brenner sperren, was sie fraglos nach dem jetzigen Rechtsruck in Wien tun würden.
Der Brenner ist nicht nur Italiens wichtigste Nabelschnur zur Welt; solange bekannt ist, dass die Südtirolpassage für Migranten offen ist, werden überladene Boote Nordafrika auf Suche nach dem nächsten Rettungsschiff oder einem Zipfel Europas verlassen. So lange man irgendwie als Migrant von Bozen nach Österreich und weiter nach Deutschland gelangen kann, werden die Schleuser am Hauptbahnhof Mailand aktiv sein. Kommen ihre Kunden verzweifelt und schimpfend zurück, werden sie verschwinden.
Vielleicht gibt es ja doch irgendwann eine libysche Regierung und europäische Konsulate in Tripolis, wo echte Flüchtlinge Visa erhalten und per Flugzeug reisen können.
Benedikt Brenner
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Les chefs d'Etat s'en remettent à leurs proches pour tenir les leviers du pouvoir et penser l'avenir. Le phénomène touche désormais des pays qui à l'instar de la Guinée semblaient jusqu'à présent peu concernés.
Après avoir nommé, dès son premier mandat, son fils unique Mohamed Alpha Condé comme conseiller spécial au palais Sekoutoureya, Alpha Condé ne jure que par son cousin Gabriel Curtis. Depuis février 2014, ce financier formé à l'université McGill (Canada) et à la Columbia University (Etats-Unis) pilote l'influente Agence de promotion des investissementsprivés (APIP) chargée d'ouvrir le pays aux opérateurs étrangers. Curtis ne quitte plus le chef d'Etat guinéen notamment lors de ses missions à l'étranger.
Réélu en octobre pour un second mandat, Alpha Condé, 78 ans, mise en outre plus que jamais sur sa première épouse peule, Mama Kanni Diallo, rare femme de pouvoir à ne pas verser dans le caritatif. Ministre du plan, celle-ci a récupéré début avril, au sein de son département, l'influente direction nationale des investissements publics du ministère de l'économie et des finances. Cette restructuration permet parallèlement à Alpha Condé d'adresser un signe fort aux peuls, au moment où il entreprend un rapprochement avec cette communauté proche de son opposant Cellou Dalein Diallo.
A Abidjan, Alassane Ouattara s'appuie sur son frère cadet Téné Birahima Ouattara, inamovible ministre d'Etat chargé des affaires présidentielles au palais du Plateau. Tour de contrôle du régime ivoirien, il gère aussi bien les finances et les fonds souverains que l’agenda et les rendez-vous médicaux du chef de l’État. Il pilote également les dossiers relavant de la sécurité du pays, d'où sa présence au CNS. D'autres membres du clan ont ainsi été "placés", comme la nièce Masséré Touré, directrice de la communication du palais. Gendre d'Alassane Ouattara, Benedict Senger dirige quant à lui depuis 2011 la filiale du groupe Webb Fontaine, attributaire du juteux contrat de vérification des importations en Côte d'Ivoire.
Enfin, en Gabon,Ali Bongo a "casé" de nombreux demi-frères à des postes stratégiques à l'instar de Frédéric Bongo, patron des services de renseignements de la garde républicaine ou Alex Bernard Bongo, DG de l'ANINF. Ces derniers seront appelés à jouer un rôle de premier plan à l'occasion de la présidentielle du mois d'août.
Die Syrien-Gespräche in Genf mögen aussichtslos sein, aber immerhin gibt es sie, und das ist das Verdienst der Beharrlichkeit eines Mannes, den die Vereinten Nationen mit der Aufgabe betraut haben, Unvereinbares vereinbar zu machen: Staffan de Mistura. Wo Kofi Annan und Lakhdar Brahimi entnervt aufgaben, gibt de Mistura nie auf. Das ist das Geheimnis seiner UN-Karriere: Mut und Beharrlichkeit. Nach einer langen Laufbahn in mehreren UN-Organisationen ernannte ihn der Generalsekretär zu seinem Sondergesandten im Irak (2007), in Afghanistan (2010) und schliesslich in Syrien (2014).
Diese Himmelfahrtskommandos überstand de Mistura bislang mit Mut und Glück, ohne einem der Attentate auf UN-Einrichtungen zum Opfer zu fallen.
Geboren als Schwede und aufgewachsen in Italien, wurde de Mistura 1999 ehrenhalber die italienische Staatsangehörigkeit verliehen. Seine Familie gehört zum dalmatinischen Adel aus venezianischer Zeit. Sein Vater, Emil Domingo de Mistura, wurde in Bari, Apulien geboren, kam angeblich durch einen albanischen Stiefvater ins Land der Skipetaren, diente im Heer des Königs Zog von Albanien und wurde Chef der Leibwache. Als der Zweite Weltkrieg mit Zogs Flucht zu König Faruk nach Ägypten endete, chauffierte de Mistura die hübsche Königin Geraldine durch Griechenland nach Ägypten.
Als Flüchtling später nach Schweden gekommen, heiratete er eine Schwedin. Ihr jüngster Sohn war Staffan, geboren 1947. In den sechziger Jahren findet sich "Emilio" in Rom und dient als hervorragend vernetzter Agent E102 dem BND, wenn man dem Bericht von Hans Langemann, einem ehemaligen Agentenführer im Bundesnachrichtendienst BND, glauben will. Emilio trug den Titel Marchese (Markgraf).
Sein Sohn “Stefano”, Agent E125, wurde angeblich von Langemann in die USA und nach Mexiko geschickt und im Rahmen der Nachwuchspflege in ein englisches Internat gesteckt, wie Ralf Anders in Deep Politics Forum berichtet. “Stefano” soll auch dem BND über seinen ersten UN-Job bei der FAO in Rom berichtet haben, worüber es mutmasslich wenig zu berichten gab.
Bei der UN-Ernährungsorganisation war er stellvertretender Kabinettschef. schon damals jeder Zoll ein Diplomat, stets elegant mit einem Hang zu Masshemden mit besonders hohem Kragen (damals war hoher Kragen Mode). Er beherrschte mit leichtem Lispeln sieben Sprachen, darunter auch das in seinem Umfeld wichtige Deutsch.
Seine lange Karriere bekam erst spät einen Knick, als er – inzwischen Unterstaatssekretär im italienischen Aussenministerium geworden – 2013 im Auftrag des italienischen Premiers Mario Monti mit indischen Behörden über das Schicksal zweier italienischer Schützen der Kriegsmarine verhandeln musste, die zwei indische Fischer vor der Küste von Kerala erschossen hatten. Die Schützen befanden sich als Wachpersonal an Bord eines Tankers und hielten die Fischer für Piraten. Der Streit Italiens mit der indischen Justiz, bei der den Schützen die Todesstrafe droht, hält seit Jahren an. De Mistura wurde freilich von der Aussenministerin des Kabinetts Renzi, Federica Mogherini, abberufen, nachdem er angeblich in einem Interview die Schuld der Schützen zugegeben hatte. Jedenfalls war de Mistura in Italien heftiger Kritik ausgesetzt.
Kaum hatte er sich als schwedischer Honorarkonsul und Leiter der Axel-Munthe Stiftung und der Villa San Michele auf Capri zur Ruhe gesetzt – stets das Image des Grandseigneurs wahrend mit Massanzügen und einem Zwicker statt Brille, seinem Markenzeichen,– als ihn Ban Ki-moon 2014 nach Syrien schickte.
Es war nicht leicht, in die Schuhe seines Vorgängers Lakhdar Brahimi zu schlüpfen, eines ehemaligen Aussenministers Algeriens, der im Nahen Osten hoch angesehen ist. Brahimi scheiterte an der Sturheit, mit der sich Assad weigerte, über sein Abtreten auch nur zu diskutieren. De Mistura hatte zwar wenig Erfolg mit seinem Vorhaben, kleine örtliche Waffenstillstände zum Schutz der Bevölkerung auszuhandeln, die zu einer umfassenden Lösung führen sollten. Doch der mit der Dauer des Konflikts steigende Leidensdruck half de Mistura, wenigstens einen wichtigen Teil der Konfliktparteien und ihrer Sponsoren in Genf an einen Tisch zu bringen und einen teilweisen Waffenstillstand zu erreichen.
Der Waffenstillstand dauert im Prinzip immer noch, obwohl die Parteien versuchen, mit begrenzten Aktionen ihre Einflusszonen so zu arrondieren, dass im Falle der erwarteten Teilung des Landes lebensfähige Einheiten entstehen. Die Wiederaufnahme der Genfer Gespräche wird behindert nicht nur durch Assads kategorische Weigerung, abzutreten, sondern auch durch die Aufständischen, die den Verhandlungsleiter de Mistura beschuldigen, Assad zu nahe zu sein. Dabei vergessen sie, dass die Vereinten Nationen ein Klub von Regierungen sind, und de Mistura den Generalsekretär vertritt.