Nun ist es offiziell, was Türkeikenner von Anbeginn vermuteten: der blutige Putschversuch vom 15. Juli 2016 wurde nicht von dem in Pennsylvania lebenden Prediger Fethullah Gülen gesteuert. Die Times kam in den Besitz eines geheimen Berichts des EU Geheimdienst-Zentrums (Intcen) vom 24. August 2016. Der Bericht widerspricht dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der Gülen als Urheber des Putsches bezeichnet. Stattdessen sei der Putschversuch von einer Reihe von Opponenten Erdogans und seiner AK-Partei veranstaltet worden, darunter Offizieren gülenistischer und kemalistischer Orientierung, sowie Opportunisten.
Es sei unwahrscheinlich, heisst es in dem Bericht, dass Gülen selbst eine Rolle in dem Umsturzversuch gespielt habe. Seine Leute seien in den Streitkräften, die eine Bastion der laizistischen Kemalisten waren, nur schwach vertreten gewesen.
“Es ist unwahrscheinlich, dass Gülen wirklich die Fähigkeit und die Mittel hatte, solche Schritte zu unternehmen”, heisst es in dem Bericht. “Es gibt keinen Beweis, dass die Armee... und die Gülenisten bereit waren, zusammen zu arbeiten, um Erdogan zu stürzen. Die Gülen-Bewegung hängt sehr locker zusammen und ist ziemlich weit von der säkularen Opposition und der türkischen Armee entfernt”, heisst es laut Times in dem Bericht.
Nach Ansicht europäischer Geheimdienste waren es Gerüchte einer bevorstehenden Säuberung der Streitkräfte, die den Putschversuch seitens gülenistischer Offiziere, der von Kemalisten unterstützt wurde, auslösten. Daran seien Offiziere beteiligt gewesen, die Erdogans Kurden- und Syrienpolitik ablehnten.
Der Bericht stellt auch klar, dass die dem 15. Juli folgende umfassende Säuberungskampagne bereits vor dem Aufstand des Militärs geplant war. “Die riesige Verhaftungswelle war bereits vorher vorbereitet worden.”
"After news about the INTCEN report was published by London’s The Times newspaper and the euobserver website earlier this week week, the Turkish Foreign Ministry issued a statement on Saturday, describing the report as “baseless, one-sided and ignorant claims.”
Hintergrund
Auslöser der jetzigen Türkei-Krise war eine 2015 mutmasslich von Gülen gesteuerte Aktion, Erdogan, seine Familie und einige seiner Minister wegen Korruption vor Gericht zu bringen.
Statt sich vor Gericht zerren zu lassen, drehte Erdogan den Spiess um und “reinigte” Polizei und Justiz von allen Elementen, die in den Korruptionsvorwurf verwickelt waren. Vermutlich mit einer false-flag-Operation trat er einen neuen Kurdenkrieg los und gewann dadurch die Wahl im September 2015.
Er musste jedoch durch den Korruptionsvorwurf erkennen, wie dünn das Eis war, auf dem er sich bewegte, und wie gefährlich Gülen ihm geworden war.
Mit dem Rücken an der Wand stehend, beschloss er, die ganze riesige Gülen-Bewegung in der Türkei – und möglichst auch im Ausland – auszurotten. Dass ein blutiger Kurdenkrieg Opfer fordert, dass Abertausende ihre Freiheit und ihre Existenz verlieren wúrden, und dass die türkische Wirtschaft, das Militär, die Polizei und die Sicherheitsdienste unter der enormen Reinigung leiden würden -- vom Entsetzen des Auslandes und Millionen anständiger Türken abgesehen -- nahm er billigend in Kauf. Hauptsache, er persönlich und seine Mission, die Türkei zu islamisieren, würden gerettet werden.
Der Putschversuch, der ihm ermöglichte, einen Ausnahmezustand zu verhängen, wirkte wie ein Brandbeschleuniger: Massnahmen, die normalerweise Jahre erfordert hätten, liessen sich nun binnen Tagen und Wochen erzwingen. Kein Wunder, dass Erdogan den Putsch als ein “Gottesgeschenk” begrüsste.
Der Geheimbericht spricht nicht nur Gülen frei, sondern befreit auch Erdogan*) von dem Verdacht, er habe den Putschversuch selbst organisiert. Dieser Verdacht war nach dem Putsch von Gülen geäussert worden und schien nicht wenigen Beobachtern plausibel.
Noch hat Erdogan das Ziel der Alleinherrschaft nicht ganz erreicht. Ein Referendum im Frühling soll Erdogans neue Präsidialverfassung absegnen. Man erwartet für die Tage vor der Wahl spektakuläre Terrorakte, um das Volk auf Erdogan einzuschwören. Damit rechnet auch Gülen, der sein langes Schweigen gebrochen hat um zu verkünden, dass er mit der Ermordung eines führenden Oppositionspolitikers rechnet, und dass man ihm, Gülen, die Schuld in die Schuhe schieben werde. Politiker beider Oppositionsparteien MHP und CHP seien in Gefahr.
Dass die Türkei unter der Gewalt von drei konkurrierenden, weitgehend kriminellen Banden -- Gülenci, Erdoganci und der Kurdenmiliz PKK -- leidet, ist tragisch. Selbst wenn das Volk die Präsidialverfassung ablehnen sollte -- was unwahrscheinlich ist -- wäre keine Rückkehr zu irgendeiner Form von Demokratie in Sicht. Das Jahrhundert des von Kemal Atatürk verordneten Laizismus ist vorbei; jetzt droht ein Jahrhundert des politischen Islam. Als ob das nicht schlimm genug wäre, bestraft der zornige Kalif von Rakka den werdenden Kalifen von Ankara mit Terrorakten.
Update
*) Offenbart sehen hohe NATO-Offiziere das anders. Sie verdächtigen Erdogan, den Putsch arrangiert zu haben, wie eine norwegische Seite berichtet.
«The senior officers, three- and four-star generals, and those who worked with Turkey for 30-40 years and who mentored Turkish officers for four or five years, say they do not believe that there was a coup. If the Turkish Armed Forces wanted to carry out a coup, they would have succeeded. That’s a tradition in Turkey,» said a NATO source, without a hint of irony"
"Some 80-90 per cent of Turkish officers who served in NATO were relieved of their posts, aldrimer.no has learned from reliable sources. Many of those who dared to return home were jailed and a significant number were killed, according to NATO sources.
«Turkish officers who still have contact with NATO said that Erdogan had been planning the so-called coup for a year and had a list of people he wanted out.” said a NATO source. «I have so far not met anyone who believes there was a real coup attempt,» said the source."
Update II
Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu ist der Ansicht, dass Präsident Erdogan eiligst seine Verfassungsreform haben will, weil er Angst hat, vor Gericht gestellt und verurteilt zu werden:
"Main opposition Republican People’s Party (CHP) Chairman Kemal Kılıçdaroğlu said on Wednesday that President Recep Tayyip Erdoğan wants a constitutional amendment package to be approved in an upcoming referendum in early April as he is afraid to be put on trial for crimes in which he and his family members were involved.
Speaking with Deutsche Welle (DW) on Wednesday, Kılıçdaroğlu said Erdoğan wants the package to be approved as soon as possible because he knows he will be convicted if he is put on trial.
“He wants to secure his future. He cares about himself more than he does about the people. … Erdoğan’s main strategy is based on the idea of ‘if something happens tomorrow and he is put on trial’,” he said."
Ihsan al-Tawil
Written on .
Im Dunst eines weitgehend respektierten Waffenstillstands werden die Konturen eines neuen Syriens sichtbar. Die Teilung des Landes in mehrere verfeindete Zonen scheint unvermeidbar. Zone I dürfte Assadstan sein, das dicht besiedelte Kerngebiet zwischen Damaskus, Jordanien und Libanon, über Homs und Hama und die Provinz Latakia bis nach Aleppo reichend. Zone II wäre ein islamistisch regiertes Gebiet im Norden und Osten, das jetzt von islamischen Milizen und dem Daesh beherrscht wird. Zone III wäre das entlang der Grenze zur Türkei und dem Irak gelegene autonome Kurdengebiet.
Der Traum der Türkei, sich in Syrien eine eigene Zone auf Kosten der Kurden und des Daesh zu errichten, kann als gescheitert gelten. Das von Säuberungen geschwächte türkische Militär, dessen wehrpflichtige Rekruten wenig Kampfgeist zeigen, ist von den um ihre Existenz kämpfenden, kriegserfahrenen Daesh-Fanatikern und den Kurden böse gebeutelt worden; die deutschen Leopardpanzer der Türken hielten den russischen Abwehrwaffen des Daesh nicht Stand.
Bleiben also als wichtigste Trümmer des alten Syrien Zone I und Zone II. Die Zone II, die man auch Dschihadistan nennen könnte, wird voraussichtlich ein streng salafistisches Gebilde sein, das zwei Komponenten umfasst: die Dschihadisten vom Typ Al-Qaeda, die sich als stärkste Widerstandsgruppe erwiesen haben, und die überlebenden Kämpfer des Daesh, die nach der schrittweisen Zerstörung ihres Kalifats durch die Koalition, die Iraker und die Kurden eine neue Heimat suchen und bei den Vettern von Al-Qaeda finden werden.
Zone I, das unter russisch-iranischer Kuratel stehende Kernland der Assads, ist der Teil Syriens, der die profundeste Änderung durchmacht, wie wir das bereits 2013 erwartet haben:
“ Das Assad-Regime hat sich seit Jahrzehnten eine Strategie zu eigen gemacht, die auf die Praxis der Franzosen während der Mandatszeit zurückgeht, nämlich jeden Widerstand mit äusserster Brutalität nieder zu schlagen, einschliesslich der Auslöschung ganzer Bevölkerungsteile. Die 60.000 bisherigen Toten des Konflikts sind nach Assad'schen Masstäben vermutlich nur ein Vorgeschmack auf das, was eintritt, falls das Regime den Sieg erringt. Daran, dass Assad bereit ist, grosse Teile des Volkes zu opfern, kann nicht gezweifelt werden. Bürgerkriege, die mit solcher Härte geführt werden, gehen oft erst dann zu Ende, wenn ein Drittel der Bevölkerung tot ist. “
Dass Assad nicht nur "grosse Teile des Volkes opfert”, sondern auf eine Art von Genozid abzielt, wurde später klar. Im August 2016 schrieb die Rundschau:
“Bombardements von Krankenhäusern um zu verhindern, dass Verwundete kuriert werden, Bombardements von zivilen Vierteln mit Streubomben, um möglichst viele Zivilisten zu töten, Aushungern von belagerten Städten, Zerstörung von Wasserleitungen und Elektrizitätswerken, Behinderung von Hilfstransporten, Konfiszierung von medizinischem Material, damit die Kranken nicht versorgt werden können, angebliche Feuerpausen, die nicht eingehalten werden, Giftgas-Einsätze : eine Strategie, die sich gerade jetzt in Aleppo wieder manifestiert. Mangels eines besseren Ausdrucks kann man eine solche Strategie nur versuchten Genozid nennen.”
Ergebnis des Genozids ist die Entvölkerung des am meisten betroffenen Kriegsgebiets, also vor allem das Umland von Homs, der Wiege des islamischen Widerstands gegen die Assad-Herrschaft, aber auch das Umland von Damaskus, das Gebiet zur libanesischen Grenze hin, und – last but not least – Aleppo.
Entvölkerung ist ein relativer Begriff in einem Land wie Syrien, von dem es heisst:
“Wer die Hintergründe des Bürgerkriegs verstehen will, muss sich die Demografie ansehen. Syrien, ein prinzipiell armes Land mit grossen Wüstenzonen und ein bisschen langsam versiegendem Petroleum, leistet sich ein rekordnahes Bevölkerungswachstum. Seit 1935 hat sich die Bevölkerung auf 23 Millionen verzehnfacht. Erst seit 1995 ist die Geburtenrate von in Afrika üblichen Niveaus auf weniger als 30 Promille pro Jahr gesunken. Bis 1990 lag die Wachstumsrate der Bevölkerung stets über 30 Promille im Jahr, auch jetzt liegt sie noch über 20 Promille. Explosion ist in der Tat die beste Bezeichnung für Syriens demografisches Dilemma.”
Für Assad besteht also die Gefahr, dass das systematische Morden der frommen sunnitischen Bevölkerung umsonst war, weil sich binnen weniger Friedensjahre die Bevölkerung im Gefolge eines Nachkriegs-Babybooms rapide wieder auffüllen würde und seine Sippe irgendwann erneut gegen die Moslembrüder und ihre Gesinnungsfreunde kämpfen müsste.
Daher muss Assad verhindern, dass die im Ausland und vor allem die im Inland befindlichen Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren. Eine umfassende Kampagne, Flüchtlinge auszusperren, ist daher bereits seit Monaten im Gange. In den Tälern zwischen Damaskus und dem Libanon werden, wie der Guardian berichtete, die leerstehenden Häuser an Schiiten vergeben, die aus anderen Gebieten Syriens und aus dem Irak hergebracht wurden.
Der Irak, selbst ein Land mit grossem demografischen Überdruck, könnte ohne weiteres Hunderttausende Schiiten nach Syrien "exportieren”. Ihnen bietet Assadstan ein gelobtes Land: kostenlosen Grundbesitz, eine arabische Umgebung mit jahrtausende-alter Kultur und zahlreichen religiösen Schreinen, die den Schiiten heilig sind, wie etwa die Sayeda Zainab-Moschee in einem Vorort von Damaskus, in der nach schiitischem Glauben die Enkelin des Propheten und Tochter des schiitischen Religionsgründers Imam Ali, begraben ist.
Der Guardian zitiert libanesische Beamte, die verfolgt haben, wie in den vom Assad-Regime zurückeroberten Gebieten die Katasterämter systematisch abgefackelt wurden, damit heimkehrende Flüchtlinge kein Grundeigentum mehr geltend machen können. In Vierteln von Homs und an anderen Orten sei die Bevölkerung – so weit sie nicht geflohen war – vertrieben worden und Rückkehrern sei der Zugang verboten worden, weil sie nicht nachweisen konnten, dass sie dort gewohnt haben.
Drei Beteiligte des syrischen Kriegs sind daran interessiert, ein schiitisches Bollwerk gegen die Sunniten zu errichten: Assad als Alawit, einer Schia-nahen Sekte; die für ihn kämpfende Hezbollah, eine mächtige libanesische Schia-Miliz; und Assads Verbündeter, der schiitische Iran, der vor allem mit afghanischen Söldnern für Assad kämpft. Schiiten aus Afghanistan und Pakistan werden mit dem Versprechen eines Monatssolds von 500 Dollar und einem Aufenthaltsrecht geködert. Sie kämpfen in Syrien teilweise in der Fatemiyoun-Brigade, einer von iranischen Revolutionswächtern kommandierten Einheit, die sich in Aleppo und seinem Umland durch besondere Grausamkeit auszeichnete.
Den geflohenen Syrern bietet das neue Syrien wenig Grund zu Hoffnung. Wollen sie an ihren Heimatort zurückkehren, so haben sie die Wahl zwischen einem rachsüchtigen Assad-Regime, das sie nicht haben will, und einem dschihadistischen System, das die Scharia mittelalterlich anwendet und dem Takfir-Prinzip folgt, das jede religiöse Abweichung mit dem Tod bestraft. Eine Wahl zwischen Scylla und Charybdis.
Für Europa heisst das, dass Hunderttausende syrischer Flüchtlinge wohl da bleiben werden, wo sie jetzt sind, und dass möglicherweise weitere Tausende aus Syrien fliehen werden, wenn dort endlich ein Frieden der Erschöpfung herrscht. Das bedeutet das Ende der naiven Vorstellung europäischer Politiker, dass die meisten Syrer -- wie ehemals die Balkanflüchtlinge -- heimkehren würden, sobald Frieden eingetreten ist.
Ihsan al-Tawil
Written on .
"Turkey believes the gunman who killed 39 people in an attack on new year revellers in an Istanbul nightclub is an ethnic Uighur, a senior government official has said. Veysi Kaynak, one of several deputy prime ministers..." (Guardian)
Somewhat strange is the role of Uighurs in supporting Daesh, the Islamic State. Even more mysterious is Turkey's role as facilitator of the Uighur migration to Syria and Iraq. .Chances are that the Istanbul assassin entered Turkey on one of those 100,000 fake Turkish passports we reported about in April 2015. Here is our story:
Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL) militants were given more than 100,000 fake Turkish passports in order to travel to Turkey and then enter Syria to join ISIL, a daily reported on Thursday.
According to a story in the Meydan daily, A.G., an aide of Nurali T., a Uyghur Turk working for ISIL to provide militants with passports worldwide, Nurali T.'s office in İstanbul's Zeytinburnu district functions as an ISIL passport office. Each passport was sold for $200, A.G. told Meydan.
More than 50,000 Uyghur Turks came to Turkey with these fake passports from China via Thailand and Malaysia and entered Syria after staying a day in İstanbul, Meydan reported. A.G. claimed that most of the Uyghurs with fake passports were caught by police in Turkish airports but they were released in Turkey after their passports were seized. “The Uyghurs' release in Turkey is due to a secret [little-known] Turkish law on Uyghur Turks. More than 50,000 Uyghurs joined ISIL through this method,” A.G. added.
"It appears the Reina [nightclub] attack is not just a terrorist organisation's act, but there was also an intelligence organisation involved. It was an extremely planned and organised act," Norman Kurtulmus said during an interview. He did not indicate which intel organization he meant.
Abdullah Bozkurt thinks he knows who is behind several terror attacks in Turkey.
--ed
Written on .
Bei Roms Müllabfuhr AMA bewerben sich so viele um einen Arbeitsplatz, dass die AMA sich Akademiker aussuchen kann. Doch das ist nur ein Teil der Wirklichkeit. Ein paar von der Polizei abgehörte Telefongespräche enthüllten nämlich, dass Jobs bei der AMA gekauft werden können.
Eine Dame, die sich für 17.000 Euro eine Arbeit als Müllkutscherin gekauft hatte. beklagte sich, weil man ihrem Gespons nicht für weitere 9.000 Euro einen Posten geben wollte, wo doch insgesamt 26.000 Euro genug Geld für zwei seien. Nicht nur Posten werden verkauft, auch für Beförderungen muss bei der AMA gezahlt werden, oder man muss Mitglied der Gewerkschaft CISL sein, deren Vertreter nicht nur die Personalpolitk der städtischen Organisation beherrschen, sondern angeblich auch die Ausschreibungen für den Kauf neuer Fahrzeuge profitabel steuern.
Ein Sumpf der Korruption?
Nein, eher die Norm in weiten Teilen Italiens. Gaetano Serrano, ein junger Unternehmer, ist von Neapel nach Spanien ausgewandert, um dem heimischen System zu entgehen. “Das Modell Italien lässt Dich glauben, dass ein Arbeitsplatz ein Luxus ist, während er doch ein Recht darstellen sollte.” Schon seit Jahrzehnten werden in Neapel unbefristete Arbeitsplätze in staatlichen Versorgungsbetrieben verkauft.
Genauso normal ist es, dass Unternehmer von Kollegen gefragt werden, “An wen zahlst Du?”, wie Serrano berichtet, ein Hinweis auf Erpressung durch mafiose Banden. Serrano weiss, wovon er spricht. Der junge Mann aus Capodimonte arbeitete in Neapel als Verkäufer in Wochenmärkten, als Versicherungsvertreter, als Maurer, Fabrikarbeiter, Kellner und Hochzeitsfotograf. Ein echt neapolitanischer Werdegang: ein Dutzend Berufe gelernt, keinen richtig. “Neunzig Prozent dieser Jobs bedeuten unterbezahlte Schwarzarbeit”, sagt Serrano. “Als ich noch in Neapel lebte, kannte ich einen Freund, der 20.000 Euro für eine unbefristete Arbeit in einem grossen Supermarkt zahlte, um ein Gehalt von 800 Euro im Monat zu erhalten.”
Wer meint, solche Auswüchse der Ausbeutung seien halt ein Symptom der Unterentwicklung des italienischen Südens, irrt. In Turin, der Industriestadt des Nordens, ist soeben ein Skandal aufgeflogen. Akademisch qualifizierte Krankenpfleger wurden in privaten Kliniken als Arbeiter angestellt. Tagsüber arbeiten sie als Pflegepersonal, nachts als Reinigungskräfte. “Alle Räume müssen sauber und wohlduftend gehalten werden, auch die Aufzüge müssen geputzt werden”, heisst es in der Dienstvorschrift. Bruttogehalt 1000 bis 1100 Euro.
Arbeit -- eine Kostbarkeit
Richtige Arbeit mit Dauer-Vertrag ist in Italien eine Kostbarkeit. Am besten schneidet laut einer neuen Studie Bozen ab, wo 71 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung tatsächlich arbeitet. In Vibo Valentia in Kalabrien sind nur 34 Prozent der 15 bis 64-Jährigen beschäftigt. In Cosenza, ebenfalls in Kalabrien, sind 84 Prozent der jungen Frauen ohne Arbeit. Böse sieht es im Süden aus, was die Qualifikation der Arbeitskräfte anlangt. In Agrigent in Sizilien weisen nur 28 Prozent der Beschäftigten eine volle berufliche Ausbildung auf.
Widerstand gegen Ausbeutung und Klientelismus leisten viele Arbeitskräfte, indem sie sich mittels ärztlicher Atteste von den unangenehmen Aspekten ihrer Tätigkeit suspendieren lassen. In Palermo beispielsweise sind 270 Strassenreiniger von der Strassenarbeit befreit – sie schieben Dienst am Schreibtisch. In Kalabrien sitzt über die Hälfte der Mitarbeiter des sanitären Dienstes im Büro, ebenso wie die Hälfte des öffentlichen Schutzdienstes, der auch für den staatlichen Fuhrpark verantwortlich ist.
Ein Attest -- ich brauche ein Attest!
In ganz Italien sind 12 Prozent des staatlichen Sanitätsdienstes, rund 80.000 Personen, zumeist Frauen, von Teilen ihrer Arbeitspflicht befreit. Sie verstecken sich, wird gespottet. In Mailand gelang es 4 von 5 Inspektoren der Obst- und Gemüsemärkte, deren Arbeitszeit von 3 Uhr morgens bis 8 Uhr reicht, sich von der Nachtarbeit befreien zu lassen.
Ein Römer Beamter wurde gefragt, wie er es begründet, dass er seine Arbeitszeit vor allem in der Kaffeebar seines Amtes verbringt, wo er per telefonino seinen privaten Geschäften nachgeht. Empört bedeutet er dem Frager: "Beh, faccio la presenza!" Ungefähr übersetzt: "Ich leiste immerhin die Anwesenheit!"
Italiens Verwaltung und Italiens Wirtschaft – eine unendliche Geschichte.
Die Handelskammer von Palermo sucht zwecks Gründung einer Genosssenschaft 15 Schuhputzer (sciuscia im Dialekt , lustrascarpe in italienisch) für ein festes Gehalt von 1000 bis 1200 Euro pro Monat. Arbeitsplatz: Bahnhof, Flughafen, Amtsgericht, usw. Unter den Bewerbern "auch viele Akademiker mit Diplom".
Written on .
“This very expensive GLOBAL WARMING bullshit has got to stop,” Trump tweeted a year ago.
Both the rhetoric and the actions have provoked despair among many who fear a Trump presidency will tip the planet toward an overheated future, upending recent national and international efforts to stem emissions of heat-trapping carbon dioxide from burning coal, oil and natural gas.
But will a President Trump noticeably affect the globe’s climate in ways that, say, a President Hillary Clinton would not have?
In recent weeks, a variety of consultants tracking climate and energy policy have used models to help address that question. ProPublica asked Andrew P. Jones at Climate Interactive, a nonprofit hub for such analysis, to run one such comparison.
The chosen scenario assumes Trump’s actions could result in the United States only achieving half of its pledged reduction through 2030 under the Paris Agreement on climate change, the worldwide but voluntary pact aiming to avoid dangerous global warming that entered into force on Nov. 4.
In this scenario the difference — call it the Trump effect — comes to 11 billion tons of additional carbon dioxide emitted between 2016 and 2030. That number is huge — it’s the equivalent of more than five years’ worth of emissions from all American power plants, for instance.
But it’s almost vanishingly small in global context. Here’s why. Even if all signatories to the Paris pact met their commitments, the global total of CO2 emissions through 2030 would be 580 billion tons, with the United States accounting for 65 billion of those tons. The Trump difference could take American emissions to 76 billion tons, with that 11-billion-ton difference increasing cumulative global emissions by less than 2 percent.
This calculation assumes Trump’s effect is not as damaging as his rhetoric might suggest. Is that realistic? In interviews, more than half a dozen environmental economists and climate policy experts said yes.
They said this less because they see Trump moderating his stances and more because many of the targets set by Obama, and built on in Clinton campaign pledges, were based on shifts in energy use that are largely being driven by market forces or longstanding environmental laws that are relatively immune to the influence of any particular occupant of the White House.
These include polluting industries moving overseas, increasing industrial energy efficiency, a sustained shift away from coal to abundant, cleaner natural gas and wind, and a host of climate-friendly policies pursued by individual cities or states.
It’s notable that while Trump’s choice for secretary of energy, former Texas Gov. Rick Perry, is a climate change contrarian, he’s credited by clean-energy champions with overseeing an enormous expansion of wind energy in his state. “Texas is a huge wind state, the biggest by far, and Rick Perry put in these transmission lines and made it wind friendly and that’s why they have such cheap electricity and no problems with reliability — none,” said Hal Harvey, a longtime climate and energy analyst who has advised past Clinton and Bush administrations and run a clean-energy foundation.
For many, this all hardly justifies a sigh of relief.
Indeed, many environmentalists reject the idea that any encouraging trends toward better energy choices are happening on their own. Many coal-fired power plants, they note, were stopped from being built only by lawsuits and political pressure brought by activist opponents, said Kierán Suckling, the founder of the Center for Biological Diversity, which uses the courts to limit harm to public lands and ecosystems.
“Industry and Republicans certainly don’t believe in a secular trend. Instead they have poured enormous resources into trying to amend or repeal old laws, pass new industry-friendly laws, strike down and influence Obama’s policies, and prevent activists from enforcing laws and policies,” Suckling said.
With Republicans controlling the White House and Congress, environmental groups are, in effect, “lawyering up,” vowing to counter any “drill baby drill” efforts with a “sue baby sue” response.
In the end, as global carbon-dioxide tallies reflect, such courtroom sparring, while important, is unlikely to have a game-changing impact on climate trajectories.
Much the same thing can be said of the lasting impact of American presidents. For nearly three decades, White House occupants have pledged to move the needle on climate change one way or the other, without terribly dramatic results.
In the scorching summer of 1988, when global warming first hit headlines in a significant way, presidential candidate George H.W. Bush used a Michigan speech to pledge meaningful action curbing heat-trapping greenhouse gases, saying, “Those who think we are powerless to do anything about the greenhouse effect forget about the White House effect.”
Despite a host of actions since that summer, including President George H.W. Bush signing the foundational climate treaty in Rio in 1992, you’d be hard-pressed to find evidence of such an effect in emission rates.
Globally, the “great acceleration” in emissions (that’s a scientific description) has largely tracked the growth in human numbers and resource appetites — particularly a seemingly insatiable appetite for energy, more than 80 percent of which still comes from fossil fuels despite sustained efforts to spread efficiency and renewable choices.
William Nordhaus, a Yale economist long focused on climate change policy, calls the global situation a high-stakes “climate casino.” He just published a working paperconcluding that all policies so far have amounted to “minimal” steps that have had equally minimal effects.
Nearly three decades after that “White House effect” pledge, after eight years of sustained efforts by President Obama, including building a critical 2014 partnership with China, Nordhaus finds “there has been no major improvement in emissions trends as of the latest data.”
In the end, the main value of the climate calculations spurred by Trump’s election could be in refocusing attention on the true scope of the challenge, which some researchers have described as “super wicked” given how hard it has been, using conventional political, legal or diplomatic tools, to balance human energy needs and the climate system’s limits.
That plunge in emissions is necessary because unlike most other pollutants, carbon dioxide from fuel burning stays in circulation for centuries, building in the atmosphere like unpaid credit-card debt.
The real risk for climate change in a Trump presidency, according to close to a dozen experts interviewed for this story, lies less in impacts on specific policies like Obama’s Clean Power Plan and more in the realm of shifts in America’s position in international affairs.
Even if he doesn’t formally pull out of the climate treaty process, Trump could, for example, cancel payments pledged by the United States to a Green Climate Fund set up in 2010 to help the poorest developing countries build resilience to climate hazards and develop clean-energy systems.
President Obama has already paid in $500 million of the $3 billion commitment, with another $200 million potentially paid before he leaves office next month. Environmentalists last week pressed in an open letter for the full amount to be paid before Trump takes office.
“If the U.S. walks from its commitment, I would think it would be difficult for the other OECD countries to sustain donations, and if those donations are not sustained, developing countries will focus on growth as opposed to low carbon growth,” said Henry Lee, a Harvard scholar working in and studying climate policy for decades.
But in international affairs, Trump and his proposed secretary of state, Rex Tillerson, the Exxon chairman, will confront a world of intertwined interests in which climate change has moved from being an inconvenient environmental side issue in the early 1990s to a keystone focal point now, said Andrew Light, a George Mason University professorfocused on climate policy.
Light, who served on Obama administration negotiating teams in the run-up to the Paris accord, said such intertwined interests will be thrust upon the Trump administration starting this spring and summer in venues like the annual Group of 7 and Group of 20 meetings of the globe’s most powerful countries.
“Those groups have committed to action using very strong climate and energy language,” he said. “The way we got so many leaders to come to Paris and make this happen and ended up getting an even more ambitious agreement than we expected was by breaking climate diplomacy out of its silo — and making it sort of a peer issue to questions like trade and security. In this world you can’t just walk away from all this stuff.”
Given how Trump appears to be relishing his position as a wild card and a self-described master of the deal, it’s still impossible to say what will unfold starting January 20.
In a blistering speech to thousands of earth scientists in San Francisco earlier this month, California Gov. Jerry Brown vowed to fight Trump in the near term using that state’s influence on everything from automobile standards to the national laboratories, which are managed by the University of California system.
But he also accurately described the climate challenge for what it is: “This is not a battle of one day or one election. This is a long-term slog into the future.”