In einem Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica erklärte der nationale Anti-Mafia-Staatsanwalt Franco Roberti , dass "der Islamische Staat wirklich eine Mafia ist", und dass Italien bei jungen Muslimen einschreiten müsse, "denn sonst werden wir uns in fünf bis zehn Jahren in der gleichen Situation wie in Brüssel oder den Pariser Vororten finden".
Die Hälfte aller eingesperrten Jugendlichen seien Moslems. Wie ihre Gleichaltrigen hätten sie Zugang zu den Radikalisierungsmaterialien im Internet. Der Leiter der Antimafia-Direktion DNA in Rom schlägt vor, die Behandlung der illegalen Einwanderung als Straftat abzuschaffen, fordert Beschleunigung der Asylverfahren und wirft auch die Frage der Legalisierung von leichten Drogen auf.
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Frisch pensionierte Generäle kommentieren gerne als Experten in Talkshows die Strategie ihrer Regierung im gerade laufenden Krieg. Sie wissen stets, was falsch ist, und wie man es besser machen sollte. Doch es wäre taktlos, sie zu fragen, warum sie nicht ihrem eigenen Rat gefolgt sind, als sie noch in Amt und Würden waren.
Keinen General, sondern einen ehemaligen Ministerialdirektor im Entwicklungsministerium, liess die Süddeutsche Zeitung (8.4.16) zu den “Fluchtursachen in den Herkunftsländern” zu Wort kommen. Michael Bohnet darf erklären, welche “konkreten Massnahmen” in der deutschen “Entwicklungspolitik” möglich wären, um die “Ursachen von Flucht” zu bekämpfen. Da wird der ganze Waschzettel abgearbeitet, von der Forderung zur “massiven” (!)“Umschichtung der deutschen Hilfe auf die ärmsten Länder” (von 25 auf 50 %) und die “Überwindung der Jugendarbeitslosigkeit” bis zur “ökologischen Degradation”.
Wenn es nicht tragisch wäre, klänge es komisch, dass es bei Bohnet im Falle Eritreas heisst “Eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern beider Regierungen” (Deutschland und Eritrea) “wurde inzwischen ins Leben gerufen, um Möglichkeiten in der Berufsbildung und bei erneuerbaren Energien auszuloten”. Toll! Dass tausende junge Eritreer ihr Leben auf der Flucht durch Sudan, Libyen und das Meer nach Deutschland riskieren, weil die Bundesrepublik kein Konsulat in Asmara unterhält, wird nicht erwähnt. Die zuständige deutsche Botschaft befindet sich in Nairobi, was von Asmara aus gesehen ungefähr so nahe ist wie der Mond.
Als zweite “konkrete Massnahme” fordert Bohnet die “Stabilisierung der Flüchtlingslager in Libanon, Jordanien, im Irak und in der Türkei”. Super! Damit sie nicht nach Deutschland kommen, soll es den Flüchtlingen in den Lagern bequem gemacht werden. Was es mit Flüchtlingslagern im Nahen Osten auf sich hat, beschrieb germanpages.de – Deutsche Rundschau vor Jahresfrist (Der Blinde Fleck, 4/4/15):
“Das, was mit Flüchtlingslagern geschieht, wenn man sie nicht rechtzeitig auflöst, illustriert die Geschichte der Palästinenser. Die Sonderorganisation der UN für die Palästina-Flüchtlinge UNRWA schreibt: "When the Agency began operations in 1950, it was responding to the needs of about 750,000 Palestine refugees. Today, some 5 million Palestine refugees are eligible for UNRWA services."
Seit 1950 haben Millionen Palästinenser, die Tüchtigsten und Glücklichsten, die Lager verlassen, haben sich selbständig gemacht, sind in die Golfstaaten, nach Amerika und Europa ausgewandert. Trotz Jahrzehnten dieser weltweiten Diaspora gibt es immer noch die Lager. Sie sind immer noch voll von Menschen, die sich als Flüchtlinge bezeichnen, die der Hilfe bedürfen, über sechzig Jahre nach der Entstehung Israels. Eine schreckliche Tatsache, und ein Ergebnis der hohen Fruchtbarkeit der Palästinenser.“
Professor Bohnet entdeckt jedoch eine traurige Tatsache: “Das Weltflüchtlingswerk UNHCR und das Welternährungsprogamm WFP, die die Flüchtlingslager in Gang halten und unterstützen, sind massiv unterfinanziert, derzeit zu 50 Prozent”.
Vor einem halben Jahr schrieb germanpages.de – Deutsche Rundschau:
“Es ist schwer begreiflich, wie die Berliner Regierung die jetzige Völkerwanderung provozieren konnte, indem sie den Hilfsorganisationen vor Ort die Beiträge verweigerte, die sie brauchen, um die Lage zu stabilisieren, und gleichzeitig die Einladung an alle Syrien-Flüchtlinge aussprach, nach Deutschland zu kommen. ...Mit ein paar hundert Millionen Dollar hätte man dem Welternährungsprogramm erlauben können, die Flüchtlinge mit menschenwürdigen Mindestrationen zu versorgen. Mit 2,8 Milliarden Dollar könnte man UNHCR ermöglichen, den schwer belasteten Gastländern unter die Arme zu greifen. Mit einer weiteren Milliarde könnte Unicef die Not der Kinder in Syrien lindern und weitere Fluchtzwänge mindern. Berlin könnte, aber es will nicht. Tief in deutschen Politikern und bei den Verwaltungsbonzen wurzelt die Abneigung gegen Multilateralität. Warum sollte die deutsche Regierung im Alleingang die Budgetlücken der multilateralen Hilfsorganisationen füllen? " (Schwachsinnige Flüchtlingspolitik , 29/9/15)
Es ist bedauerlich, dass ein Blatt wie die Süddeutsche Zeitung der Regierung und ihren Apologeten Raum für ihre Heuchelei bietet. Dabei wusste sie es besser : “Am 27. November gelangte auch die Süddeutsche Zeitung in einem Kommentar von Heribert Prantl “Knickrigkeit als Fluchtursache” zu der Erkenntnis, “was wirklich hülfe, wird nicht getan: die Flüchtlingslager in den Regionen nahe Syrien so auszustatten, dass Flüchtlinge dort leben können.” (sic) “
Dazu schrieb germanpages.de – Deutsche Rundschau: “Wäre das der SZ ein paar Monate früher eingefallen, so hätte sich vielleicht noch etwas in der übrigen Presse und in Berlin bewegt. Stattdessen: nichts. Deutschland diskutiert zwar erregt die Flüchtlingsfrage, Berlin aber wurstelt weiter mit seiner Flüchtlingspolitik und Kanzlerin Merkel versucht, im starken Gegenwind wenigstens teilweise das Gesicht zu wahren. In den Lagern in der Türkei, im Libanon und in Jordanien herrscht weiter das Elend, wie Prantl zurecht moniert. Noch schlechter geht es denen, die keinen Platz in den Lagern finden und sich auf der Strasse durchschlagen.“ (Geiz weiterhin Fluchtursache, 28/11/15)
Doch ganz hoffnungslos ist die deutsche “Entwicklungspolitik” nicht, denn Bohnet sagt: “Längerfristig müsste auch ein Rückkehrerprogramm konzipiert werden, anknüpfend an die positiven Erfahrungen, die Deutschland bei den Rückkehrerabkommen mit Chile 1990 und Vietnam 1995 gemacht hat”.
Na, dann konzipiert mal schön.
Heinrich von Loesch
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Quilliam is an independent Islam focused research organization based in U.K. Among the reports prepared by their experts, we found this study on the motivations of women joining Daesh, the so-called Islamic State. The following Executive Summary serves as an introduction to the full report.
Quilliam have set about researching the interplay between these two factors, namely Islamic State’s propaganda targeted at women, and the appeal of this propaganda to women.
The following report discusses the appeal of the Islamic State “caliphate” to women. To do this, the authors have embarked upon a close analysis of Islamic State’s official propaganda and unofficial proselytisers. In the process, four promises – empowerment, deliverance, participation and piety – are identified as the organisation’s key pull factors.
The promise of empowerment conveyed by Islamic State’s official and unofficial propaganda encourages women to understand joining the organisation as a means to reverse the ills that they face in life outside the “caliphate”. By joining Islamic State, the line goes, women can defiantly take charge of their lives in the same way that men can: through living in Islamic State’s “caliphate” and supporting its jihad by marrying a fighter, women are led to believe that they can emancipate themselves from kufr (disbelief).
The deliverance promise focuses on the idea that, by joining Islamic State, grievances that women suffer in the West are immediately resolved. Women can be freed from daily degradations and disbelief, and are instead assimilated into a tightknit collective sisterhood that will provide them with a network of support and friendship. Reflective of this, the ideas of redemption and deliverance tend to be directed to females by females.
The participation promise incentivizes women to join Islamic State even though their role is strictly non-military. It conveys a sense that there is more to the “caliphate’s” jihad than fighting and that, for women, there is a specific state-building role. A constant theme in Islamic State propaganda is that supporting the “caliphate”, making it grow and flourish, is the job of everyone. For women, this takes the role of providing, maintaining and educating its ”cubs”, the next generation of fighters, as well as supporting their soldier spouses.
The last promise of Islamic State’s women-orientated propaganda is piety, something built up the theological imperative to join the group. The alleged pristine nature of an “Islamic existence” in the “caliphate” is a means of justifying each stress and sacrifice and also acts as a means for recruiters to exert peer pressure to push others to make hijra (migrating).
These four themes alone do not cause female supporters of Islamic State in the West to make hijra. However, when combined with the group’s copious amounts of audio-visual propaganda, they play a crucial role in the rhetorical armoury of the “caliphate’s” recruiters.
The discussion on the radicalisation of women is overly gendered and, all too often, predicated on misconceptions. In reality, when it comes to joining violent extremist causes, women are susceptible to the very same processes as men: narratives, ideology, grievances, and various push and pull factors. Reflecting this, the last part of this report delivers policy recommendations on how we must reappraise our attempts to counter the twin processes of female radicalisation and recruitment, in line with general counter-radicalisation, but using women as specific entry points. The four promises used in Islamic State propaganda, and cited in this report, are not exhaustive. There are a multitude of factors that contribute to an individual’s radicalisation, of which propaganda can play an important part. As such, research into the key narratives employed by the “caliphate” can shine an important light on the motivations behind an individual’s journey to jihad.
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"Under The Black Flag" is a service by Radio Free Europe/Radio Liberty which provides daily news and analysis about Islamic State (IS) in Iraq, Syria, and beyond,
Faced with growing competition and rising battlefield casualties, the Islamic State (IS) militant group (Daesh) has taken a family-friendly approach to its efforts to draw fresh recruits from Central Asia.
Two videos released last week by the extremists' Russian-language propaganda wing make use of fatherly -- or grandfatherly -- militants to sell recruits on fighting for IS.
One 30-minute video, in Uzbek with Russian subtitles, features a veteran Uzbek militant in his 60s urging Uzbeks of all ages to come to IS-controlled territory.
A second, shorter, clip shows two Kazakh militants and their sons calling on Muslims to leave Kazakhstan and join them in Syria.
Recruitment Drive
The videos produced by Furat Media are part of an intensified drive by the IS group to recruit Central Asian militants.
This move is likely an attempt to replenish numbers after heavy battlefield losses in both Syria and Iraq.
It is also likely a response to increased competition in the recruitment of Central Asian militants from Al-Qaeda's Syrian affiliate, the Al-Nusra Front.
Though IS and Nusra share similar ideologies, they have demonstrated different strategies in Syria: while IS has declared a "caliphate," Nusra has focused on cooperating with other groups to defeat Syrian President Bashar al-Assad.
The focus on fighting Assad is a powerful recruitment message for Central Asians, including those already in Syria. Nusra absorbed a major Uzbek militant group, Katiba Tawhid wol-Jihod, in September 2015.
The drive also comes as IS recruitment of Central Asians is getting tougher amid security crackdowns, including one in which a group of 16 Uzbeks allegedly involved in recruiting for IS were arrested in Moscow on March 30.
Uzbeks living in Turkey, meanwhile, have reported being interrogated after flying home to Uzbekistan as part of heightened counterterrorism measures.
A Family Affair
Each of the new videos emphasizes that families can and should move to IS-controlled territory.
The Kazakh recruitment video opens with shots of militants with their children: a young teen, a toddler, and a baby. Both militants featured in the video say they moved to Syria with their families.
The first militant identifies himself as Marat Maulenov, who according to RFE/RL's Kazakh Service worked as a Russian teacher in a school in the South Kazakhstan region before traveling to Syria with his wife and six children.
The second militant says he is Rinat Zhumabekov, an ethnic Kazakh from Orsk in Russia's Orenburg Oblast. News reports say Zhumabekov disappeared after traveling to Turkey in August 2015 with his 8-year-old son.
Abu Amina, the veteran militant in the Uzbek recruitment video, emphasizes that he has brought his family with him to wage "jihad." He describes how he traveled with his 60-year-old wife, daughters, and grandchildren to IS-controlled Syria in 2015 after fighting for several years with Uzbek militants in Afghanistan. The video features shots of Abu Amina with a small boy, apparently his youngest grandson.
Deirdre Tynan of the International Crisis Group says there have been previous cases in Kazakhstan and Kyrgyzstan where family groups have traveled to Syria, or where some family members have left first and then others have joined later.
"I think this is also a key illustration that the appeal of life in Syria under Islamic State is not confined to those who would seek a combat role," Tynan tells RFE/RL.
Child Militants
A key message of both videos is that teenage militants are among the Central Asians fighting in IS-controlled lands, and that younger children are also getting involved in "jihad."
The Kazakh video shows shots of a teenage boy carrying a gun and a young child who threatens Kazakh President Nursultan Nazarbaev.
In the Uzbek video, veteran militant Abu Amina boasts that his teenage grandson is fighting alongside him in Syria and he says that boys as young as 14 are on the battlefield.
Prestige, Respect, And Trust
The videos use militants whose backgrounds are intended to inspire respect and trust among potential recruits to make the case that IS has the "correct" Islamist ideology, a tactic that is also a response to increased competition for recruitment with Nusra, which has accused IS of killing Muslims, among other crimes.
Zhumabekov from the Kazakh video says that he is a former law enforcement officer, while Abu Amina from the Uzbek recruitment video says that before joining IS he spent seven years in Pakistan and Afghanistan, where he fought alongside the notorious Uzbek militant Najmiddin Jalolov in the Islamic Jihad Union, a militant group affiliated to Al-Qaeda that conducted attacks in Uzbekistan.
Whether the recruitment drive will result in increased numbers of Central Asians joining the IS group remains to be seen. But the two videos have been widely spread online, reflecting Furat Media's increased reach via social media, including on the Telegram messaging service.
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Russland und die Türkei führen derzeit zwei Stellvertreterkriege: einen in Syrien und den anderen in Nagorno-Karabagh. Die Türkei unterstützt Aserbaidschan, Russland Armenien. Ausserdem sind Russland und die Türkei in einen scharfen Propagandakrieg verwickelt. In diesen Zusammenhang passt der folgende Beitrag des Nachrichtenportals EURASIANEWS.de.
Die Konfrontation Russlands mit der Türkei im syrischen Stellvertreterkrieg könnte ohnehin bereits bestehende Probleme mit muslimisch-türkisch geprägten Minderheiten im Nordkaukasus und im Ural nochmals verschärfen. Eine solche Entwicklung könnte ein signifikantes Risiko für die Wahrung der territorialen Integrität der Russischen Föderation darstellen.
Die schwächelnde russische Wirtschaft birgt auch eine politische und nicht zuletzt eine geografische Dimension für Moskau in sich. Der Grund für die Tiefenwirkung wirtschaftlicher Unwägbarkeiten ist in der multiethnischen Identität Russlands zu suchen und in der spezifischen Organisation der Staatsstruktur. Eurasianet glaubt, dass der russische Staat „zu zentralisiert“ sei. In Zeiten wirtschaftlicher Schwäche habe sich das System Moskau zu oft als zu „brüchig“ erwiesen, da sich der Kreml nicht einfach mehr die Loyalität aller Provinzfürsten erkaufen könne. Daher entwickeln geografisch entfernte und kulturell diverse Regionen politisch störrische Verhaltensmuster.
Ein gutes Beispiel für dieses Phänomen sind die chaotischen Jahre zwischen 1917 und 1991, als sich zahlreiche Minderheiten von Moskau distanzierten und loseisten oder dieses zumindest versuchten. In Moskau angesiedelte Denkfabriken indes glauben, dass eine solche Entwicklung im Zeichen internationaler Sanktionierungspolitik gegen Russland allmählich erneut einsetzen könnte.
Das „Institut für Nationale Strategie“ (INS) in Moskau entdeckte zahlreiche alarmierende soziopolitische Trends. So schrieb es in einem Bericht mit dem Titel „Zerrissenes Russland: Berichte über Ethnopolitik“:
„Die Expansion des radikalen Islamismus, die unkontrollierte Migration aus den südlichen Republiken der ehemaligen Sowjetunion, der Einfluss des entlang ethnischer Linien organisierten Verbrechens und unabhängige Geschäfte von Clans, die Verbreitung anti-russischer Stimmung durch ethnisch ideologisierte Scharfmacher, die Ambitionen von regionalen, ethnokratischen Eliten, die Aussicht auf militärische Konflikte stellen eine – wenn auch unvollständige – Liste der Herausforderungen dar, vor denen Russland steht.“
Am 27. Januar hielt das Institut unter dem Titel „Krise im Nahen Osten und die ethno-konfessionellen Risiken in Russland“ eine Konferenz ab, im Zuge derer die wichtigsten Erkenntnisse hinsichtlich der Integrität Russlands erläutert wurden. Die vielfältige Krise im Nahen Osten, deren Symptome unter anderem die Entstehung der Terrormiliz „Islamischer Staat“, Russlands militärische Verwicklung in den syrischen Bürgerkrieg und die zunehmenden Spannungen mit der Regionalmacht Türkei darstellen, haben die ohnehin komplexe ethno-religiöse Lage in Russland zusätzlich verschärft. Die Entwicklungen im Nahen Osten schaffen neue Sicherheitsrisiken für Moskau, argumentierten die Autoren der Studie.
Die neuen Risiken, die gegen Ende 2015 zunehmend sichtbar wurden, können in drei grobe Kategorien eingeteilt werden:
Die erste und am meisten Aufmerksamkeit auf sich vereinende Kategorie ist das bei der Konferenz besprochene Konzept der „alternativen Loyalitäten“.
In zahlreichen Regionen Russlands – meist muslimisch und von Turkvölkern besiedelt – wird die Loyalität gegenüber der Zentralregierung in Moskau und deren Politik unter breiten Segmenten der Lokalbevölkerung in Frage gestellt. Zudem haben sich die „Bedingungen für das Anwachsen politischen Protests“ in den besagten Regionen weiter vertieft. Des Weiteren werden „alternative Loyalitäten“ durch das insgesamt gegenüber Bevormundung resistent wirkende System aus religiösen, kulturellen und ökonomischen Netzwerken gehegt, dem insbesondere die Türkei zugehört, die ihrerseits wiederum enge kulturelle, ethnische und religiöse Beziehungen mit den Muslimen Russlands pflegt. Diese Loyalitätsproblematik entfaltet unter anderem Relevanz im Kampf um Einfluss in Russlands Wolgaregionen, dem Nordkaukasus und der Krim.
Die zweite Kategorie ist „Ethno-Nationalismus kombiniert mit der Tendenz nach mehr Unabhängigkeit lokaler politischer Eliten“. Lokale Eliten, insbesondere in Tatarstan, zögerten merklich, Moskaus Positionen im Konflikt mit der Türkei nach dem Abschuss eines russischen Bombers im türkisch-syrischen Grenzgebiet durch die türkische Luftwaffe im November 2015 zu unterstützen.
Die Studie schreibt:
„In den Regionen der Russischen Föderation, die traditionell von muslimisch geprägten Volksschichten besiedelt sind, geht die Stärkung der islamischen Identität eng mit einem ethno-nationalen Separatismus einher. Diese Regionen sind vor allem in den entsprechenden Wolgaprovinzen und im Nordkaukasus türkisch besiedelt.“
Die dritte Kategorie ist die einer möglichen Eskalation im Zusammenhang mit tagesaktuellen Fragen der Geopolitik:
Infolge des syrischen Bürgerkrieges könnte vor allem die Türkei versucht sein, die sozialen Spannungen entlang Russlands strategischen Fronten und „Zonen der Verwundbarkeit“- also etwa dem Südkaukasus, der zum Nordkaukasus führt, Zentralasien, von wo aus Zugang zu den russischen Regionen Tatarstan und Baschkortostan in der Wolga-Region besteht, und auf der Krim – zu eskalieren.
Im Südkaukasus und in Zentralasien finden sich ebenso zahlreiche Turkvölker, die auch auf politischer Ebene gute Beziehungen zur Türkei unterhalten. Die Schaffung anti-russischer Spannungen in den Außensphären Russlands könnte die ethno-politische Situation innerhalb von Russlands diesbezüglich problematischsten Regionen negativ beeinflussen.
Ungeachtet der schwerwiegenden Aussagen bleibt zu bemerken, dass das INS eine Denkfabrik von weitgehend ethno-nationalistisch inspirierten Analysten ist, die lange Zeit mit den so genannten „Jungen Konservativen“ im Land assoziiert wurde.
Der Vorsitzende der Denkfabrik ist Michail Remizow. Auch wenn Remizow ein vehementer Kritiker der Nationalitätenpolitik Putins ist, ist er Mitglied des Moskauer Expertenrates, der nicht zuletzt auch den russischen Präsidenten bei politischen Entscheidungen berät.