Demografie

Der Islam ist die zweitwichtigste Religion in Frankreich. Je nach Definition schwankt die Zahl der Muslime zwischen fünf und acht Millionen bei einer Gesamtbevölkerung von 66 Millionen. Jean-Paul Gourévitch, ein führender Migrationsforscher, gibt für das europäische Frankreich 7,7 Millionen Moslems an. Etwa dreieinhalb Millionen gelten bei ihm als praktizierende Moslems, davon etwa 72.000 bis 160.000 als Salafisten und potentielle Dschihadisten  Die Polizei erklärt, sie müsste 5000 Radikale überwachen, hat aber nicht die Kapazität dafür.  Laut offiziellen Angaben  vom Dezember 2014 sind rund 1200 Einwohner Frankreichs aktive Dschihadisten, davon 390 im  Krieg in Syrien und Irak, davon 60 Tote.  Von dort sind 234 bisher zurückgekehrt, davon 185 nach Frankreich.

   Die Geschichte des Islam in Frankreich beginnt 1830 mit der Besetzung Algeriens zur Unterdrückung der Piraterie. Schon im I. Weltkrieg, vor allem aber im II. Weltkrieg kämpften Truppen aus islamischen und anderen Kolonien für Frankreich.  Der Chef der Freien Franzosen, Charles de Gaulle, versprach den Nicht-Algeriern unter ihnen als Lohn die französische Staatsbürgerschaft. Die Algerier waren damals bereits Bürger Frankreichs.

   Nach dem Krieg wollte Frankreich von dem Versprechen nichts mehr wissen. Dann kam der Algerienkrieg, den de Gaulle, nunmehr Präsident, mit einem Machtwort beendete, Algerien in die Freiheit entliess und damit 9 Millionen ehemaliger Bürger die französische Staatsangehörigkeit entzog. Warum er das tat? Weil er, um sein berühmtes Bonmot zu zitieren, nicht wolle, dass sein Wohnort Colombey-les-Deux-Eglises (Colombey der zwei Kirchen) eines Tages "Colombey-les-Deux-Mosquees" (..der zwei Moscheen) heissen werde.

   De Gaulle wusste, wovon der sprach. Noch heute haben die Musliminnen der ersten eingewanderten Generation in Frankreich 3,3 Kinder im Durchschnitt; bei der restlichen Bevölkerung sind es 2 Kinder. In den Folgegenerationen sinkt die Fruchtbarkeit  in Richtung auf das landesübliche Niveau.

   Wer ist nach französischer Definition ein Moslem?  Religion ist kein demografisches Kriterium, denn sie wird weder erfragt, noch gezählt. Also rechnet man die Einwanderer erster Generation aus islamischen Ländern plus ihrer Kinder und teilweise auch Kindeskinder zusammen, zieht religiöse Minderheiten (Christen, Juden) ab, addiert Konvertiten, und erhält so einen Begriff, der viel mit Kultur, Lebensstil, Folklore, aber nicht zwingend mit Religion zu tun hat.

   Es ist denkbar, dass die Anzahl der praktizierenden Moslems in Frankreich trotz Zuwanderung und hoher Fruchtbarkeit nicht ansteigt, weil die christlich-laizistische Mehrheitskultur eine starke Erosionskraft ausübt, die vor allem die Folgegenerationen dem Glauben der Eltern entfremdet. Während also die Minderheit der sogenannten Muslime anteilig zunimmt, kann es sein, dass die Zahl der Moscheenbesucher stagniert.

Integration

   Im Vergleich zu Deutschland fällt in Frankreich zunächst die gute Integration der Minderheiten auf. Die öffentlichen Dienste, Polizei, Militär und Bürokratie sind stark mit Afrikanern und Arabern durchsetzt. Der von den Charlie-Attentätern erschossene Polizist war nicht zufällig ein Moslem. Schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts offerierte sich Frankreich nicht nur als traditionelles Einwanderungsland für Arbeiter und Handwerker, sondern bot auch -- ganz anders als Deutschland --  den Eliten der Auswanderungsländer eine zweite Heimat, oft sogar politisches Asyl. Die Politiker, Intellektuellen und Künstler halfen ihren Landsleuten, zueinander zu finden, die Kultur der Heimat aufrecht zu erhalten, ihr Selbstbewusstsein zu wahren.

   Dennoch, der Brückenschlag zwischen Immigranten und Restbevölkerung gelang nur teilweise. Vor allem die jungen Menschen der zweiten und die dritten Generation entdeckten, dass sie von der Égalité der Franzosen weit entfernt waren. Das schmerzt. Wenn man den falschen (beispielsweise arabischen) Namen hat, die falsche Postleitzahl (banlieue), das falsche Gesicht (gueule d'Arabe -- Araberfresse), dann ist es schwer, fast unmöglich, einen guten Job zu bekommen. Diskriminierung brütet Hass bei jenen, die glaubten, gleich zu gleich geboren zu sein. Dies entdeckten die Français de souche, die "Blutsfranzosen" spätestens nach den jüngsten Attentaten. Nur im Ausland verschwimmen die Unterschiede: dem Marokkaner aus Frankreich, der in Amerika ein französisches Restaurant eröffnet, wird niemand sein Gesicht oder seinen Namen vorhalten. Hauptsache, sein Akzent ist französisch und sein Essen auch.

   Ist für einen jungen Araber oder Afrikaner aus den Vorstädten der soziale Aufstieg schwierig, so ist dort schon das Leben an sich für junge Frauen mühsam und gefährlich. Während der Islam einem Mann erlaubt, auch eine Frau anderer Religion zu heiraten, ist es einer Muslima verboten, einen Mann von anderer Religion zu ehelichen. Das erklärt sich aus der patriarchalischen Struktur der Religion: durch Heirat wird die Frau Eigentum des Mannes, und wenn der kein Moslem ist, verliert sie ihre Religion. Dies aber darf sie nicht, denn ein Austritt aus dem Islam ist nicht vorgesehen, gilt als Apostasie und wird prinzipiell mit dem Tode bestraft.  Von Ausstossung aus der Familie bis zum Ehrenmord reicht das Spektrum der Strafen, die eine Abweichlerin riskiert.

   Dennoch suchen und finden junge Araberinnen, "beurettes" genannt  (von "beur", slang für Araber), den Weg zur Selbstverwirklichung und den Aufstieg aus meist bescheidenen Anfängen, wie etwa Rachida Dati, aus marokkanischer Familie stammend, erst Richterin, danach Justizministerin und jetzt Europa-Abgeordnete. Ausserdem Ikone der alleinerziehenden Mütter.  Da sie anpassungswilliger und weniger zornig sind als gleichaltrige Männer, fällt Frauen der Aufstieg mitunter leichter.

Kohabitation

   "In Frankreich ist es schlimm", sagt Benoît C., ein Elsässer Unternehmer. "Die Depression, die Hoffnungslosigkeit. Jedesmal, wenn ich die Grenze nach Deutschland passiere, atme ich auf. Der Druck fällt weg. Dort sind die Menschen zufrieden, alles funktioniert. Wenn ich könnte, würde ich nach Deutschland auswandern. J'aime l'Allemagne."

   Schon lange war die Stimmung in Frankreich schlecht. Und dann die Pariser Attentate. Hinter einem Vorhang von Staatstrauer, Patriotismus und Verbrüderungsgesten zeigt sich die bedrohliche Realität: Angriffe auf Moscheen; Militär, das eingesetzt wird; eine Polizei, die aufrüstet und "Krieg gegen den Terror" verkündet; junge Araber, die ebenfalls den Krieg ausrufen, die ein Ende der Diskriminierung fordern. Imame und Islamverbände, die ihr Mitleid mit den Opfern und ihre Loyalität zur Republik beteuern, und Français de souche, die solche Beteuerungen wie üblich nicht glauben mögen.  Stimmen wie die des türkischen Premiers Ahmet Davutoglu, der die Todesopfer von Paris gegen die toten Muslime der Kriege im Irak, in Syrien und Libyen und durch die Militärherrschaft in Ägypten aufrechnet.  So sehen es auch IS und Al-Qaeda und andere, die sich bemühen, die Gräben zwischen Mehrheit und Minderheit in Frankreich zu vertiefen.

   Und dann ist da die Unsicherheit. Die Furcht. Und ein Buch "Al-Qaïda en France", das über die Geheimorganisation in Frankreich berichtet.  Skepsis verdienen stets Enthüllungen über Al-Qaeda, die Mafia oder andere Geheimbünde, wenn deren Autoren nicht unter Personenschutz stehen und immer noch leben.  Trotz der gebotenen vorsicht trifft der Bericht von Samuel Laurent den Nerv einer Öffentlichkeit, die vernommen hat, dass die Pariser Morde von Al-Qaeda im Jemen bestellt wurden.

   Der Autor behauptet in einem Gespräch in der Zeitschrift Politicodie Organisation verfüge über Scharfschützen aus Syrien, die mit Präzisionswaffen eine hochgestellte Person wie etwa Präsident Hollande aus mehreren Kilometern Entfernung töten könnten. Jeder Attentäter werde nur einmal eingesetzt und dürfe dann zu Allah auffahren. Ein Sprecher mit Decknamen Abou Hassan wird zitiert, nach dessen Angaben die Organisation zahlreiche Schläfer in Frankreich besitzt, die jederzeit bereit seien für Attentate gegen Personen oder Gebäude. Im Vergleich zu den Sicherheitsvorkehrungen der Assad-Regierung in Syrien sei der französische Staat lächerlich ungeschützt und ein leichtes Opfer. Für der Endphase der Kampagne plane Al-Qaeda eine Attentatsserie im ganzen Land, die möglichst viele Zivilopfer abschlachtet und zu breiter Solidarisierung der muslimischen Massen mit Al-Qaeda führen soll. Insiderwissen oder Delirium?

   Für die Umsicht der Organisation scheint in der Tat der Umstand zu sprechen, dass die Frauen der Kouachi-Brüder ahnungslos waren, nichts über die jahrelangen terroristischen Beziehungen ihrer Männer wussten und von den Attentaten erst mit Schrecken am Fernseher erfuhren. Eine Version, die der Polizei bislang glaubhaft erscheint.

   Die Kohabitation der Majorität mit der Minorität in Frankreich ist gefährdet. Noch gibt es in Colombey keine Moschee, aber Aussenbezirke der Industriestädte sind überwiegend von Moslems bevölkert. Viel wird davon abhängen, ob die Mehrheit der Moslems ab jetzt bereit ist, die eigenen Reihen zu überwachen und Terroristen zu melden, bevor sie zuschlagen und Dschihadisten, bevor sie abreisen können. Dabei handelt es sich weniger um die potentiellen Attentäter, sondern um die HintermännerImame und "Garagenscheichs" (Sonja Zekri, SZ), die das Fussvolk indoktrinieren und die organisatorischen Verbindungen herstellen.

   Viel wird von diesen praktischen Loyalitätsbeweisen der Minderheit abhängen. Ebenso wichtig wird eine Anti-Diskriminierungspolitik der Mehrheit sein. Es reicht nicht, Bäume in den Banlieues zu pflanzen und Autobus-Haltestellen einzurichten. Frankreich braucht eine Art von "affirmative action" amerikanischen und kanadischen Vorbilds, die kraftvoller ist als bisherige Versuche zur "discrimination positive".  Eine glaubhafte Anstrengung würde vielen helfen und Druck ablassen, selbst wenn Gegner wettern, dies sei nur eine weitere Form des Rassismus. Auch wenn die Français de souche dabei Erbhöfe verlieren würden. Der Friede im Lande und seine künftige Entwicklung sind es wert.

Heinrich von Loesch

Update

Obwohl in den Tagen nach den Attentaten Imame und Vorsitzende islamischer Vereinigungen sich bemühten, den Opfern der Anschläge ihr Mitgefühl auszusprechen; so sehr sie auch beteuerten, die Masse der Moslems sei friedfertig und verurteile die Gewalttaten, so fragte man sich doch, wie wohl die Gläubigen das Geschehen im engen Familienkreis beurteilen.  Wer Zweifel hatte, sieht sich nun bestätigt: die staatlich verordnete Schweigeminute für die Terroropfer in den französischen Schulen wurde in zahlreichen Grund- und Mittelschulen massiv gestört durch Geräusche und Rufe von "Allahu Akhbar".  Den verdutzten Lehrern wurde laut Canard enchaîné erklärt,  die Karikaturisten hätten den Tod verdient. Kindermund tut Eltern kund. Ganze Klassen in der Banlieue von Paris boykottierten die Schweigeminute. Aus dem berüchtigtenVorort Clichy-sous-Bois berichtete Le Parisien, dass einige Schüler den Terror gar für ein fake hielten, ein Komplott gegen ihre Religion. 

Nicht nur in  Paris, nicht nur in Frankreich stellt sich die Frage, wie manche Moslems das Geschehen beurteilen. Ein deutschsprachiges Internetportal wird hauptsächlich von jungen Frauen genutzt, darunter zahlreiche Muslimas. In dem politischen Forum fand in einem Thread  "Terror, Mohammed und Charlie Hebdo - je suis Charlie"  tagelang eine lebhafte Diskussion statt.  Darin konnte man neben sehr viel Vernünftigem auch lesen:

"Diese Taten wurden nicht von Muslimen verübt, diese wurden gemacht, damit man den Islam schlecht dastellt und man sich von dieser Religion und Gott, fernhält."

oder:

"WARUM WIRD IMMER DER ISLAM IN DEN SCHMUTZ GEZOGEN?? WARUM WIRD DER ISLAM BELEIDIGT???? WARUM SAGEN DIE MENSCHEN DAS DER ISLAM AN ALLEM SCHULD IST???? Warum müssen WIR immer ruhig bleiben wenn man etwas falsches über uns sagt und wenn ihr was über den Islam sagt dann nennt ihr es 'MEINUNGSFREIHEIT' !!! "

oder:

"wir sind friedlich wie alle anderen menschen aber was soll man machen wenn viele Länder usw uns provozieren? Natürlich wird dann der ein oder andere was dagegen machen & unsere Propheten zu beleidigen & irgendwelche Zeichnungen mit den man sich über den Islam witzig macht geht einfach mal garnicht !"

und:

"Die unbeteiligten, wie zum Beispiel im Supermarkt, haben mein vollkommenes Beileid und es tut mir leid.
Aber dieser Kerl, der auch verantwortlich für diese Satiren ist, nein, mit ihm nicht.
Ich weiß wie es sich für euch anhören mag, aber so sehe ich das. 
Irgendwo muss ja mal eine Grenze gezogen werden. Und wenn da jmd ist, der respektlose Karikaturen von Propheten und vielen anderen zeichnet, und über Religionen spottet, überschreitet er nunmal die grenze. Da ist es schwer Mitleid aufzubringen.... Jeder hat seine Meinung und darf sie äußern, dennoch sollte man für manche Dinge ein wenig mehr Respekt aufbringen, und das tun die Franzosen nicht.  Mal sehen was da noch so alles kommt."

Nicht begeistert von der Ankündigung der italienischen Zeitung Il Fatto Quotidiano, dass sie die Charlie-Karikaturen nachdrucken will, sind die Mitbewohner des Hauses in Rom, in dem sich die Redaktion befindet. Sie haben protestiert.

 

 

 

 

 

 

 

 

   Plusieurs chaînes de télévision locales libyennes ont récemment diffusé des photos et des vidéos de combattants de l'Etat islamique (EIIL) arrêtés ou abattus lors des combats avec l'armée libyenne à Benghazi. Selon des informations, ces terroristes seraient originaires de Syrie, d'Algérie, de Tunisie et d'Egypte.

 

   Un combattant algérien de Daesh appelé Abu Younis Djilali Mansour a été abattu le mois dernier dans le quartier d'al-Hawari à Benghazi, ont indiqué les autorités. Sa mort avait été annoncée le 15 décembre par le Libya Herald.   Deux jours plus tard, le porte-parole de la Chambre des représentants de Libye avait déclaré sur al-Arabiya que vingt pour cent des combattants des groupes terroristes locaux étaient des étrangers.

  Le Centre médical de Benghazi a déjà remis à l'armée libyenne un rapport officiel contenant quarante passeports de combattants d'Ansar al-Sharia de diverses nationalités arabes tués lors des combats.

   "Il a été dit que des groupes et des éléments non libyens combattent aux côtés des groupes extrémistes en Libye, et que les forces armées conduites par le général Haftar ont déjà arrêté et abattu certains d'entre eux", a expliqué Mahmoud Abdelmoula, journaliste de 43 ans. "C'est un fait connu que les groupes extrémistes participent aux combats dans plusieurs pays, dans la mesure où il s'agit de groupes transfrontaliers entretenant des liens avec des Libyens ayant combattu en Afghanistan, en Irak, au Mali et en Syrie, ce qui nous incite à corroborer ces informations", a-t-il poursuivi.

   "Toutes les indications, y compris leur manière de combattre et leur participation à divers conflits, confirment qu'ils servent dans les rangs de groupes extrémistes transfrontaliers. Ils se chargent même de la planification et de la direction des combats."  Il a par ailleurs souligné que les leaders d'Ansar al-Sharia et du Conseil de la Shura des révolutionnaires de Benghazi avaient "accusé l'Etat, l'armée, la police et la justice de kufr, et déclaré que la démocratie et les élections relevaient également du kufr et devaient être éliminées".

   "L'EIIL et al-Qaida sont regroupés sous le nom d'Ansar al-Sharia, et ces deux groupes ne croient ni en l'Etat national ni au nationalisme, et n'ont de ce fait aucun scrupule à demander l'aide d'étrangers", explique al-Sadek Ben Ali, employé de 42 ans.

   "Oui, ce sont des combattants étrangers, pour la plupart venus de Tunisie, comme le montre la vidéo de l'attaque contre le camp des forces d'opérations spéciales. Quant à la manière dont ils entrent dans le pays, ils bénéficient de l'aide de réseaux de trafics d'êtres humaines au sud de Jaghbub et dans les aéroports de Misrata et Mitiga", ajoute-t-il.  Il poursuit en expliquant que "le colonel al-Daghari, pilote d'un hélicoptère de la police, a été assassiné parce qu'il avait remis un rapport détaillé, avec des photos, montrant les points de passage de ces mercenaires".

   "La Libye est un pays de transit pour l'entraînement et l'armement des extrémistes venus d'Afrique du Nord, d'Europe du Sud, d'Afrique et d'Asie", explique Nasser Belhassen, journaliste de 38 ans.l poursuit en mettant en garde contre les jihadistes qui rentrent des champs de bataille au Levant : "Au départ, ils avaient été envoyés en Syrie et en Irak en transitant par la Turquie, mais aujourd'hui, nous constatons une migration inverse en direction de la Libye, pour y combattre l'armée qui a commencé à resserrer l'étau sur eux."

   "Les camps d'entraînement les plus connus sont situés dans la région de Nawfaliya, près de Syrte, ainsi qu'à Sabratha et Derna", ajoute-t-il. "Il ne s'agit pas de renseignements secrets, mais d'informations confirmées transmises par les médias occidentaux, arabes et locaux."

Nadia Radwan à Benghazi pour Magharebia

Ach Herr, gib uns das Fünfte Reich, das Vierte ist dem Dritten gleich!   (Volksmund, um 1947)

Gibt es wirklich das Quarto Reich der italienischen Links- und Rechtsintellektuellen?  Die Unterjochung der schwachen Südländer durch Deutschland mit Hilfe des Euro, wie genüsslich von der Daily Mail erkannt und von vielen nachgeplappert?

 

   Es gibt zahlreiche Argumente, weshalb weder Deutschland, noch der Euro an der Misere Italiens und Griechenlands schuld sind. Spanien und Portugal sind ja bekanntlich auf gutem Wege und brauchen keine Vierte-Reich-Legenden (mehr). Im Gegensatz zu Griechenland und Italien hat sich ihr Verhältnis zu Deutschland deutlich entspannt. Das ignorieren Italiens Links- und Rechtsausleger, die sich im nationalen Leid suhlen und fremde Sündenböcke züchten.

   Es nicht nötig, ins Detail zu gehen. Italien hat sich seinerzeit gewaltig angestrengt, um in den Euro zu kommen. Fakt ist auch, dass Italiens wirtschaftliche Stagnation schon lange vor dem Euro begann. Was also ist schief gelaufen und läuft täglich weiter schief?

   Wie in Hellas hat die Ankunft des Euro in Italien einen Konsumrausch ausgelöst. Erstmals konnten sich die Italiener als vollwertige Europäer fühlen. Sie mussten keine schwachbrüstigen Lire mehr umtauschen, wenn sie ins Ausland fuhren. Die Konsumgüter der Welt bemühten sich, ins Land zu kommen und wurden zum preiswerten Alltagsgut. Südafrikanischer Wein und schwedische Autos -- senza problemi. Ein ganzes Volk vollzog einen salto di classe, einen sozialen Aufstieg. Mit dem neuen Stolz stiegen die Ansprüche. Der Urlaub in Kenia, die Ferienwohnung am Meer oder in den Alpen, das Zweitauto für den Schultransport der Kinder und das shopping im französischen Supermarkt. Vielleicht sogar die illegale rumänische oder Filipino-Haushaltshilfe. Irgendwo musste gespart werden, um all das zu finanzieren, am besten durch Vermeidung von Steuern.

   Dem Konsumrausch im privaten Bereich entsprach sein Äquivalent im staatlichen Sektor. Der Euro brachte ja die niedrigen Zinsen des Welt-Geldmarkts nach Italien. Schulden machen wurde über Nacht billig. Die Hypothek für das Strandhäuschen, die Neuverschuldung des Staates, der Provinzen und Gemeinden, alles liess sich preiswert finanzieren. Also langte man fröhlich zu. Die Parteien verteilten grosszügig Wahlgeschenke. Die Renten- und Gesundheitssysteme wurden aufgebläht; die Defizite stiegen ins Unermessliche. Die Bürokratie florierte und festigte ihre Position als Zuchtmeister der Nation bei gleichzeitiger Selbstbeglückung und Schonung. Banken, Versicherungen, Berufskammern und Versorgungsbetriebe stärkten ihre Monopole und Oligopole. Öffentliche Transportmittel, Gas, Strom und Telefonie erklommen europäische Führungspositionen bei den Tarifen und in der Unzuverlässigkeit. Service: der Verbraucher verdiente einen Tritt, und wehe, wenn er sich auch noch beschwerte.

   Es waren, alles in allem, Italiens goldene Jahre. Die Gewerkschaften trumpften auf, die Löhne und Gehälter stiegen, die Produktivität schrumpfte, zumindest im Vergleich mit dem europäischen Ausland. Der Binnennarkt war ja konsumfreudig und tröstete über den Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit hinweg. Dank der aufgeblähten Immobilienpreise rechneten sich die Italiener reich und wählten immer wieder den Magier des Kolosses mit den tönernen Füssen, Silvio Berlusconi. Bis zum Beinahe-Crash.

   Jahr um Jahr verging mit der wohlfeilen Tröstung, der nächste Aufschwung lauere schon um die Ecke. Doch statt aufwärts ging es immer nur weiter abwärts. Die drittgrösste Volkswirtschaft der EU, die zweitgrösste Industriemacht konnte, wollte nicht begreifen, dass sie das Maximum ihrer Leistungsfähigkeit überschritten hatte. Nach jeder Rezession war doch immer eine Erholung gekommen, warum diesmal nicht?

   Verzweifelt wurde nach einer Erklärung gesucht. Man fand sie, indem man die ökonomische Theorie auf den Kopf stellte. Das Gegenteil von dem, was man vorher zu wissen glaubte, wurde nun chic, zumindest an den linken und rechten Fransen der italienischen Politik. Wer zu viele Schulden gemacht hatte, sollte nicht sparen und tilgen, sondern noch mehr Schulden machen. Schuldig war nicht, wer über seine Verhältnisse gelebt hatte, sondern wer ihm die Mittel dazu gegeben hatte, die bösen Euros und die billigen deutschen Käse und Autos.

   Wieder einmal prophezeit jetzt ISTAT, das italienische Statistikamt, dass Anfang 2015 die Rezession enden wird. Es soll aufwärts gehen ohne ernsthafte Reformen, ohne den Gürtel wirklich enger zu schnallen, auf die gewohnte weiche italienische Art. Gerade haben die saldi begonnen, der grosse Schlussverkauf, und die Händler meinen, es laufe besser als erwartet (oder befürchtet). Na also.

   Wenn es auch diesmal nicht klappt, dann ist bestimmt wieder das Quarto Reich schuld. Das Italien nicht nur aussaugt und hörig halten will, sondern es dafür auch noch kritisiert.

Benedikt Brenner

L’aumento della disoccupazione giovanile determinato dalla crisi negli Stati del Sud Europa è stato drammatico. Restare disoccupati a lungo può rendere difficile la ricollocazione, anche per i cambiamenti nella struttura produttiva dei paesi. La bolla immobiliare e i lavoratori a bassa istruzione.

 

 

GIOVANI DISOCCUPATI PER AREE DELL’EUROZONA

L’ovvio corollario della debolezza economica europea è un tasso di disoccupazione elevato, cresciuto dal 7,5 per cento del 2007 al 12 per cento nel 2013, e che non accenna a scendere (è stimato intorno all’11,6 per cento per il 2014).
Ma se la disoccupazione totale è aumentata, quella giovanile è letteralmente esplosa. Il tasso di disoccupazione tra i giovani di 25 anni o meno è cresciuto dal 15 per cento a circa il 25 per cento tra il 2007 e il 2013. La figura 1 mostra il dato di disoccupazione giovanile aggregato (linea nera) a confronto con lo stesso dato calcolato per tre sotto-gruppi: Nord (qui formato da Germania, Austria, Finlandia e Paesi Bassi), Sud (Grecia, Irlanda, Portogallo, Spagna e Italia) e un ipotetico Centro intermedio (qui Francia e Spagna). Ne emerge chiaramente l’impressionante divergenza interna all’area euro.

 

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Fonte: Eurostat;

Nota: North = Germania, Paesi Bassi, Austria, Finlandia; Centre = Francia; Belgio; South = Grecia; Irlanda; Spagna; Portogallo; Italia

Dopo essere aumentato lievemente nel 2009, il tasso di disoccupazione giovanile nei paesi del Nord è oggi agli stessi livelli del 2000. Nel nostro ipotetico Centro, la disoccupazione giovanile è aumentata rispetto ai livelli pre-crisi, ma in maniera relativamente moderata, passando da un po’ meno del 20 per cento nel 2007 al 25 per cento nel 2013. Nel Sud, l’aumento è stato drammatico: il tasso di disoccupazione giovanile – che prima della crisi stava diminuendo, seppure molto lentamente – è saltato a quota 45 per cento nel 2013. E le cose peggiorano se, all’interno del gruppo, si guarda a livello di singoli paesi, dove la disoccupazione giovanile raggiunge tassi anche del 58 per cento in Grecia e 55 per cento in Spagna.

 

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Fonte: Eurostat;

Nota: North = Germania, Paesi Bassi, Austria, Finlandia; Centre = Francia; Belgio; South = Grecia; Irlanda; Spagna; Portogallo; Italia

 

I RISCHI DI LUNGO PERIODO

Nel Sud dell’area euro, la disoccupazione giovanile non solo è aumentata, ma è diventata più persistente. La percentuale di coloro che sono stati disoccupati per più di un anno è cresciuta molto nel corso della crisi e tutta la distribuzione nel Sud dell’Eurozona si è spostata su periodi di disoccupazione più lunghi. Se nel 2007 i disoccupati per più di un anno erano il 25 per cento del totale, nel 2013 avevano raggiunto il 45 per cento. La percentuale di giovani disoccupati per periodi più brevi (in particolare per meno di un mese o per uno-tre mesi) si è invece drasticamente ridotta.

 

Questo è particolarmente preoccupante perché i lavoratori che perdono il loro lavoro durante una recessione possono rimanere disoccupati tanto a lungo che le loroskillsdiventano obsolete.Studicondotti recentemente sul mercato del lavoro americano suggeriscono che rimanerne fuori per troppo tempo ha un effetto di segnalazione avversa e riduce le probabilità di essere rioccupati, poiché a parità di esperienza i datori di lavoro tendono a preferire sistematicamente chi è stato disoccupato per meno tempo. Questo fattore potrebbe essere ancora più rilevante per i lavoratori giovani con poca esperienza, per cui il rischio che una parte rilevante della disoccupazione giovanile attuale diventi strutturale non è da sottovalutare.

 

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Fonte: Eurostat;

Nota: North = Germania, Paesi Bassi, Austria, Finlandia; Centre = Francia; Belgio; South = Grecia; Irlanda; Spagna; Portogallo; Italia

 

Inoltre, una parte dei disoccupati nei paesi del Sud potrebbe non essere più facilmente ri-occupabile, a causa del cambiamento nella struttura produttiva indotta dalla crisi.
La disoccupazione è aumentata molto nei paesi del Sud, a tutti i livelli d’istruzione, seppure molto di più tra i lavoratori con istruzione più bassa. Ma la cosa interessante da notare è che, prima della crisi, il tasso di disoccupazione tra i lavoratori con livelli d’istruzione base era molto più basso nel Sud che nel Nord e nel Centro. Questo potrebbe riflettere il boom pre-crisi di settori tradizionalmenteunskilled, come quello delle costruzioni. L’economista spagnolo Luis Garicano, per esempio, ha mostrato l’esistenza di una distorsione nelle decisioni d’investimento in capitale umano dei giovani spagnoli prima della crisi, legato al boom del settore immobiliare. Essendo molto più facile e conveniente trovare un lavoro in questo settore surriscaldato, la Spagna ha visto un aumento del tasso di abbandono dell’istruzione superiore (cosa molto rara in un paese sviluppato). Ed è proprio in Spagna, Grecia e Irlanda, dove la bolla immobiliare pre-crisi è stata più pronunciata, che il tasso di disoccupazione è aumentato maggiormente tra i lavoratori con istruzione bassa. Ma essendo legata allo scoppio della bolla immobiliare, che difficilmente e poco auspicabilmente si ripeterà a breve, parte di questa disoccupazione potrebbe essere difficile da riassorbire anche quando il ciclo economico migliorerà.

 

Lo scenario, quindi, è piuttosto nero. Recentemente si è discusso parecchio della possibilità di creare uno schema europeo di assicurazione contro la disoccupazione (unemployment insurance). Se un meccanismo di compensazione simile fosse stato messo in piedi prima della crisi, forse avrebbe potuto aiutare a mitigarne gli effetti sul mercato del lavoro dei paesi del Sud. Ma ormai è tardi, e le differenze indotte dalla crisi rendono politicamente inattuabile uno schema di questo tipo perché nel contesto attuale si caratterizzerebbe come un enorme trasferimento tra paesi a bassa disoccupazione verso paesi ad alta disoccupazione. Anche un rafforzamento delle politiche attive sul mercato del lavoro (Active Labour Market Policies) potrebbe aiutare, ma la platea di interessati è talmente ampia nei paesi ad alta disoccupazione che i costi sarebbero insostenibili: l’investimento dei paesi dell’Eurozona in questo tipo di strumenti è già limitato, e i vincoli fiscali di certo non ne faciliteranno un aumento, almeno nell’immediato futuro.

 

Trovare una via d’uscita da questo circolo vizioso non è facile, ma è prioritario, prima che troppi siano portati a concludere che l’Eurozona non è un paese per giovani.

 

—— Silvia Merler/La Voce.info

 English

 

Es hat keinen Sinn, darum herumzureden, es zu beschönigen oder auf die lange Bank zu schieben. Europa hat ein Problem, das sich nicht wie so viele andere Probleme mit Investitionen, Umgewöhnung oder Modernisierung lösen lässt. Das Problem heisst illegale Zuwanderung.

   Man spricht von Flüchtlingen. Von Asylbewerbern. Von Armutszuwanderern. Von Opfern des Klimawandels. Man trauert um Tausende, die im Mittelmeer ertrunken sind. Um Opfer krimineller Schlepperbanden. Man bedauert Durchgangsländer, die von der Zuwanderungswelle überschwemmt werden. Man kritisiert primitive Notaufnahmelager und rüdes Personal. Man ist empört über fremdenfeindliche Gruppen und Demonstrationen. Doch dies ist alles nur der Anfang. Ein Vorgeschmack von dem, was kommen wird.

   Europa hat das Pech, im Süden und Südosten an die geburtenstärksten Bevölkerungsgruppen zu grenzen, die es auf der Welt gibt: Araber, Iraner/Pakistaner und Afrikaner.  Ein Beispiel für die demographische Wucht dieser Region: In Napoleons Tagen wurde Ägyptens Bevölkerung auf 2,4 bis 4 Millionen geschätzt. Um 1930 belief sie sich auf 15 Millionen. 1952, als Nasser die Monarchie stürzte, waren es schon 23 Millionen. Um 1985 waren 50 Millionen erreicht.  Heute sind es 85 Millionen auf einem fruchtbaren Anbaugebiet von der Grösse Baden-Württembergs.  (Update: 100 Millionen, Februar 2020)  Seit 1985 ist die Zahl der Geburten je Ägypterin bei 3,0 bis 3,5 gleich geblieben. Wie viele Menschen werden in 2030, 2050 am Nil leben wollen?

   Kein Demograf, der Verfasser eingeschlossen, hat um 1960 erwartet, dass Ägyptens Bevölkerung jemals eine Grösse ähnlich der heutigen erreichen könnte. Damals galt die "Theorie des demografischen Übergangs", gemäss der alle Bevölkerungen nach der Periode starken Wachstums einen mählichen bis starken Rückgang des Wachstums erleben würden, der in ein Gleichgewicht mündet. 

   Der Verfasser selbst schrieb 1962: "Aus einer Untersuchung des Bevölkerungswachstums Ägyptens gewannen wir die Überzeugung, dass die Bevölkerung Ägyptens sich bisher in einer Weise verhalten hat, die mit den Prinzipien der Theorie (vom demografischen Übergang) im Einklang steht, und dass wir aus diesem Grunde für die Zukunft einen Rückgang des Bevölkerungswachstums in Ägypten erwarten und einem Abschluss dieses Zyklus entgegensehen können."(1)

   Falsch. Total falsch, wie man ein halbes Jahrhundert später weiss. Das Bevölkerungswachstum hat alle Versuche, es theoretisch, statistisch oder biologisch zu begreifen, lächerlich gemacht. Dabei ist Ägypten nicht einmal ein krasser Fall. Syrien, Palästina und Iran waren zumindest zeitweise Beispiele noch stärkeren Wachstums, von Afrika südlich der Sahara ganz zu schweigen.

   Es ist wohlbekannt, dass sich das Bevölkerungswachstum wie ein schwer beladenes Schiff verhält: einmal in Fahrt gekommen, ist es auf Jahrzehnte hinaus nicht zu stoppen. In Ländern, in denen das Durchschnittsalter bei 16-25 Jahren liegt, sorgt das enorme Fortpflanzungspotenzial selbst bei sinkender Fruchtbarkeit je Frau noch lange Zeit für weiteres Wachstum.

The Future of World Religions: Population Growth Projections, 2010-2050

   Wiewohl es gute Gründe gibt, langfristigen Bevölkerungsprojektionen zu misstrauen, gibt doch immer wieder Versuche, mit verbesserter Methodologie realistischere Prognosen zu wagen. Für die Vereinten Nationen sind solche Projektionen eine periodische Pflichtübung; ihre Zahlen werden weltweit respektiert. Kürzlich haben sich zwei Umweltforscher aus anderer Perspektive der Mühe unterzogen, unter Berücksichtigung aller Zweifel und Einwände realistische Projektionen für die Weltbevölkerung bis 2100 zu errechnen.

   Corey J.A. Bradshaw (U. Adelaide)  und Barry W. Brook (U. Tasmania) (2) wollten wissen, mit welchem Artenverlust man in der Zukunft wo rechnen muss. Da der Artenverlust mit der Dichte der menschlichen Bevölkerung zunimmt, mussten die Autoren erforschen, wo welche Bevölkerungsdichte zu erwarten ist. Dazu mussten sie den Globus in Regionen aufteilen und für jede Region die Bevölkerungsentwicklung unter unterschiedlichen Bedingungen ermitteln.

   Durch diesen Ansatz ergab sich ein Spektrum neuartiger und realistisch anmutender Szenarien der künftigen Entwicklung der Weltbevölkerung. Für unsere Betrachtung sind weder die Ergebnisse hinsichtlich des Artenverlusts relevant, noch die Globalprojektion der Weltbevölkerung für das Jahr 2100. Uns interessiert vor allem, was die Autoren hinsichtlich des Bevölkerungswachstums im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika ermittelt haben.

   Das allerdings ist erschreckend. Auf Basis der Statistiken der Vereinten Nationen ermittelten die Autoren eine Reihe von Szenarien, die von business as usual bis zur zwangsweisen Einführung der Ein-Kind-Familie chinesischen Musters reicht.  Das business as usual- Szenario berechnet Bevölkerungszuwächse unter der Annahme, dass alles weiterläuft wie bisher, was den allmählichen Rückgang der Sterblichkeit und der Fruchtbarkeit anlangt. 

   Für das westliche und nördliche Afrika (Region 1) erwartet das Szenario bis 2100 eine Zunahme der Bevölkerung auf das Siebenfache, nämlich 3 Milliarden Menschen. Für das östliche und südliche Afrika wird eine Steigerung auf das 5,6 fache erwartet, ebenfalls auf 3 Milliarden.  Die Region 7 (Afghanistan, Ägypten, Irak, Marokko, Pakistan, Somalia , Sudan, Jemen, Mittelmeerländer Europas)  erlebt eine Zunahme auf das 3,5 fache oder 1,4 Milliarden. Bemerkenswerterweise steigt Region 1 zum zweitdichtest besiedelten Gebiet der Welt auf, nach dem indischen Subkontinent (Region 12). In der dünn bevölkerten Region 6, die die Arabische Halbinsel einschliesslich Syriens, Jordaniens, Libyens und Tunesiens umfasst, tritt eine Vermehrung auf das 1,7 fache ein.  Alle anderen Bevölkerungen der Welt schrumpfen entweder oder nehmen nur gering (unter oder auf das Doppelte) zu. Nur die Andenländer (Region 5) verzeichnen eine Zunahme auf das 2,3 fache.

   Wichtiger sind die Ergebnisse des "realistischen" Szenarios 2a, das einen Rückgang der Sterblichkeit bis 2100 auf die Hälfte des Anfangswertes (2013) vorsieht, sowie einen Rückgang der Fruchtbarkeit von 2,37 Kindern je Frau auf 2,00 Kinder, dem Trend der letzten Jahrzehnte entsprechend. Auch das Erstgeburtsalter steigt linear bis 2100 an.

   Interessanterweise unterscheiden sich die Ergebnisse der beiden Szenarien 1 und 2a nicht wesentlich. Für 2050 ergeben sich Weltbevölkerungen von 9,3 bzw. 9,23 Milliarden. Am Ende des Jahrhunderts wäre die Erde von 10,42 Milliarden (1) oder 10,35 Milliarden (2a) bevölkert.

   Eine Haupterkenntnis der Studie liegt darin, dass zeitweiliges Massensterben durch Katastrophen wie einem Weltkrieg, einer  Pandemie oder wegen im Gefolge von Klimaschäden steigender Kindersterblichkeit das Wachstum nur gering vermindert. Auch durch bevölkerungspolitische Massnahmen kann wenig erreicht werden. Lediglich eine drakonische, weltweit für alle Familien geltende Ein-Kind-Regel chinesischen Modells würde die maximale Grösse der Menschheit auf knapp 9 Milliarden um 2056 beschränken, gefolgt von einer Schrumpfung auf rund 7 Milliarden 2100.

   Die Ergebnisse von Bradshaw und Brook decken sich weitgehend mit den jüngsten Projektionen der Vereinten Nationen (3), die das künftige Wachstum der Weltbevölkerung nach oben revidiert haben. Danach wird sich die Bevölkerung Afrikas bis 2050 auf 2,4 Milliarden mehr als verdoppeln und  danach weiter stark auf 4,2 Milliarden wachsen, so dass um 2100 mehr als jeder Dritte ein Afrikaner sein würde.  Von den 31 Ländern, in denen die Frauen derzeit noch mehr als fünf Kinder haben, liegen 29 in Afrika.  In Niger und Somalia sind mehr als sieben Kinder die Norm.

   Während heute Asien fast viermal so viele Einwohner zählt wie Afrika, gäbe es um 2050 bereits rund halb so viele Afrikaner wie Asiaten, und um 2100 hätten die Afrikaner nach der mittleren Variante der UN mit den Asiaten fast gleichgezogen. Bei Bradshaw und Brook wäre Afrika gegen Ende des Jahrhunderts sogar der volkreichste Kontinent. Was den Nahen und Mittleren Osten anlangt, rechnen Bradshaw und Brook mit kräftiger Vermehrung auf das 3,5 fache für Region 7 und das 1,75 fache für Region 6.

   Insgesamt jedenfalls dürfte sich in Afrika ein Bevölkerungsdruck von bislang ungekannter Wucht aufbauen. Nigeria, das 1950 ein Viertel so viele Menschen zählte wie die USA, besässe um 2100 mit knapp einer Milliarde mehr als die doppelte Einwohnerzahl der ebenfalls rasch wachsenden USA. Auch im Mittleren Osten ist  mit starker Vermehrung zu rechnen.  Daraus ergibt sich die Frage, welche Konsequenzen die Demografie unserer südlichen und südöstlichen Nachbarn für Europa haben wird.

   Will man die heutige illegale Zuwanderung als Ausgangspunkt der Betrachtung nehmen, so fällt auf, dass der Nahe Osten viele politische Flüchtlinge schickt, während Afrika südlich der Sahara und Asien überwiegend Wirtschaftsmigranten nach Europa entsenden. Man könnte also annehmen, dass sich das nahöstliche Problem erledigt, sobald dort wieder Frieden einkehrt. Das aber ist unwahrscheinlich, denn eine wesentliche Ursache der Auseinandersetzungen ist ja das frühere Bevölkerungswachstum, das sich in der Gegenwart durch die Präsenz starker Kohorten junger Männer bei hoher Arbeitslosigkeit äussert. Krieg, Kriminalität, Terror und Drogenhandel, oder aber Flucht und Auswanderung, sind für viele die einzige Alternative zum Elend. Solange diese Kohorten nicht in die höheren Ränge der Alterspyramide abgewandert sind, wird es im Nahen Osten keine Ruhe geben.

   In Afrika zeigt sich eine Entwicklung in ähnlicher Richtung. Das Bevölkerungswachstum, das sich seit den achtziger Jahren noch beschleunigt hat, sprengt in vielen Ländern die Sozialstrukturen und die traditionelle Wirtschaft.  Daraus ergibt sich einerseits ein positiver Zwang zur Modernisierung und Entflechtung patriarchalischer Strukturen, andererseits bilden sich die gefürchteten Heere arbeitsloser junger Männer auf der Suche nach einer wie auch immer gearteten Existenz.  Die Lord's Resistance Army in Uganda, Al Shabaab in Somalia, Séléka in der Zentralafrikanischen Republik, Boko Haram in Nigeria und die Stammeskrieger im Südsudan sind nur einige der bekanntesten gewalttätigen Milizen, die vom Viehdiebstahl über die Sklaverei bis zum Drogenhandel und zur Lösegelderpressung leben. Das Überangebot an jungen Männern führt zu Brutalität und Massenmorden. Im ersten Golfkrieg zwischen Irak und Iran (1980-88) trieben die Perser (nach Jahrzehnten starken Bevölkerungswachstums) "menschliche Wellen" als Minenhunde in die irakischen Minenfelder. Tausende kamen um. Typisch ist auch die Verwendung von Kindern als Kämpfer und Kanonenfutter, beispielsweise bei der Lord's Resistance Army, im Ostkongo und jetzt bei dem IS und Séléka.

   Andererseits erleben mehrere Länder Afrikas derzeit einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung, getragen durch Telekommunikation, Bankenwesen und Landwirtschaft. Mit der allmählichen Ausbreitung einer modernen Wirtschaft bilden sich für Familien Alternativen zur traditionellen Altersvorsorge durch Kinder und Investition in Humankapital.  China hat mit dem Ein-Kind-System die Ersparnisse der Familien weg vom Nachwuchs in die Banken gelenkt und damit den mit Abstand grössten Kapitalstock aller Entwicklungsländer gebildet und seinen Aufstieg zur weltgrössten Wirtschaft finanziert.  Auch in Afrika würde jeder wirtschaftliche Fortschritt Ersparnisse weg von der Fortpflanzung und in die Geldwirtschaft lenken.  Doch dies gilt auch im Umkehrschluss: wo sich Chaos und Zerstörung ausbreiten, ist mit vermehrter Humankapitalbildung der Familien zu rechnen, wie in Somalia, im Jemen und wohl auch in Syrien und im Irak.

   Geraume Zeit war der Strom der offiziellen Zuwanderer aus anderen Regionen nach Europa laut UN recht stabil. In Italien halbierte sich die Zahl offizieller Einwanderer als Folge der Krise auf 250.000 (2012), während sie in Deutschland auf 400.000 stieg.  Dafür nahm Italien eine stark steigende Zahl illegaler Einwanderer auf, 150.000 in 2014. Während, wie die OECD betont, Europa aus demografischen und Arbeitsmarkt-Gründen eine zunehmende offizielle Einwanderung junger und möglichst qualifizierter Arbeitskräfte benötigt und fördert, wird die massive illegale Einwanderung kritisch gesehen. Obwohl mehrheitlich junge Menschen ungebeten ankommen, handelt es sich um Personen, die aus unterschiedlichen Gründen kein Visum erhalten oder beantragen konnten. Dies begründet Vorsicht im Umgang mit ihnen. Was im Einzelfall kein sonderliches Problem darstellt, das durch Notaufnahme, Sozialhilfe, Rechtsprechung und gegebenenfalls Aufnahme oder Abschiebung gelöst werden kann, weitet sich zur Krise aus, wenn die Illegalen Tag für Tag zu hunderten ankommen, wie es in Italien, Griechenland und in der Folge in Deutschland geschieht.

   Selbst Unkonventionelles ereignet sich mitunter. Im Dezember 2014 floh eine Gruppe syrischer Akademiker samt Familien Richtung Europa. Als sie in Istanbul ankamen, sahen sie ein grosses italienisches Kreuzfahrtschiff im Hafen liegen. Sie erkundigten sich und erfuhren, dass Kabinen auf dem Luxusdampfer billiger waren als die Tarife der Schlepper nach Griechenland.  Sie kauften 1. Klasse-Passagen, kamen mit ihren syrischen Pässen irgendwie an Bord und stiegen in Bari aus. Die italienischen Zöllner waren verblüfft. Noch nie hatten sie Herrschaften, elegant gekleidet, die französisch und englisch sprachen, um Asyl bitten sehen. Sie nahmen wie üblich die Personalien auf, schickten die Syrer in das Notaufnahmelager, aus dem sie wenige Stunden später spurlos Richtung Norden verschwunden waren.

   Eine zunehmend besser organisierte Schlepperindustrie nutzt zynisch die Seenotrettung der Europäer als kostenlosen und sicheren "Fährdienst". Je energischer Europa die Illegalen abwehrt, umso teurer werden die Schleppertarife für potentielle Immigranten, die sich bis in die Türkei oder nach Nordafrika durchgeschlagen haben.

   Bis jetzt ist das Geschehen europaweit noch überschaubar. Aber was wird geschehen, falls sich im Gefolge zunehmender Konflikte und des Bevölkerungswachstums der Andrang der Illegalen weiter verstärkt? Man darf nicht übersehen, dass dank der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Teilen Afrikas nicht nur Auswanderungskandidaten umgestimmt und zum Dableiben bewegt werden können, sondern dass den Entschlossenen, die sich doch auf den Weg machen wollen, grössere Mittel für die Bestechung von Behörden und Schleppern zur Verfügung stehen. Die Konsequenz ist klar: während früher ausschliesslich alte Fischkutter und Schlauchboote als Einweg-Vehikel dienten, verwenden Schlepper jetzt  für den Transport ihrer Kunden alte Hochseefrachter, die sie im Meer nach Verschwinden der Mannschaft steuerlos treiben lassen. Bald werden sie wohl auch Flugzeuge und Fallschirme einsetzen. In Zusammenarbeit mit der lokalen Mafia verfügen die Schlepper über Strukturen in Süditalien, die die angekommenen Mannschaften vor der Polizei verbergen und "recyceln".

   Die Überfahrt kann man im arabischen Facebook buchen. Die Schiffe nach Italien starten fahrplanmässig alle zwei bis drei Tage in den türkischen Häfen Istanbul, Mersin und Antalya. Die Schlepper sind Syrer und akzeptieren Bezahlung (Tarif: US$ 8000)  in der Türkei in bar oder auch an regulären Bankschaltern, wie die Passagiere des Frachters Blue Sky M. nach ihrer Ankunft in Gallipoli laut Il Fatto Quotidiano berichteten. 

    Schon jetzt wird die europäische Abwehrtruppe Frontex für ihre xenophobe Aufgabenstellung kritisiert. Schon jetzt gelingt es Italien nicht, sich aus dem mediterranen Rettungsdienst Mare Nostrum herauszuwinden. Die italienische Nordliga ergeht sich gerne in der Vision, Flüchtlingsboote zu bombardieren anstatt abzuschleppen.  In Griechenland hat der Fremdenhass zur Gründung der Rechtspartei Χρυσή Αυγή (Goldene Morgenröte), geführt. In Sachsen demonstrieren unterfremdete Bürger gegen Überfremdung. In Frankreich bereitet sich der islamfeindliche Front National auf die baldige Machtübernahme vor.

   Bislang ist vieles davon noch eher Populismus und Folklore als Reaktion auf eine existenzielle Bedrohung. Was aber, wenn in kommenden Jahren der Strom der Illegalen anschwillt? Wenn in Nordafrika Menschenmauern an den Küsten stehen, die auf das Schiff ihrer Träume oder ihres Verderbens warten? Was will Europa dann tun?

Heinrich von Loesch

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(1) Heinrich v. Loesch: Ernährung und Bevölkerung in der Entwicklung der ägyptischen Wirtschaft. Diss. LMU, S. 47f.

(2) Human population reduction is not a quick fix for environmental problems.  Bradshaw and Brook 10.1073/pnas.1410465111

(3) World Population Prospects: The 2012 Revision,    http://esa.un.org/wpp/

 

Update

 

Iran: Proposed laws reduce women to ‘baby making machines’ in misguided attempts to boost population

Women in Iran could face significant restrictions on their use of contraceptives and be further excluded from the labour market unless they have had a child, if two proposed laws are approved, says a new report by Amnesty International published today.

“The bills reinforce discriminatory stereotypes of women, and mark an unprecedented move by the state to interfere in people’s personal lives. In their zealous quest to project an image of military might and geopolitical strength by attempting to increase birth rates, Iran’s authorities are trampling all over the fundamental rights of women - even the marital bed is not out of bounds.”

The Bill to Increase Fertility Rates and Prevent Population Decline (Bill 446) outlaws voluntary sterilization, which is believed to be the second most common method of modern contraception in Iran, and blocks access to information about contraception, denying women the opportunity to make informed decisions about having children.

Coupled with the elimination of state funding for Iran’s family planning programme, which had, up until 2012, provided millions of women in the country with access to affordable modern contraception, the move would undoubtedly result in greater numbers of unwanted pregnancies, forcing more women to seek illegal and unsafe abortions. Lack of access to condoms, which were previously dispensed through urban clinics and rural health houses funded by Iran’s Family and Population Planning Programme, would also lead to a rise in sexually transmitted infections, including HIV.

The bill was passed in parliament with an overwhelming majority in August 2014 and is undergoing amendments as recommended by the Guardian Council, a body which needs to approve it before it can become law.

Without such access, women will either have to carry their pregnancies to term when it is not their choice to do so; or risk their life and health by undergoing unsafe, clandestine abortions.

Amnesty International, 11 March 2015

 

Flüchtlingszahlen

Schleswig-Holstein hält die vorhergesagten Flüchtlingszahlen für zu niedrig. "Ich bin derzeit weit entfernt von den Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge", sagte Innenminister Stefan Studt (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. "Wenn wir unsere Zahlen hochrechnen, müssen wir 2015 in Deutschland mit 500.000 bis 550.000 neuen Asylbewerbern rechnen und nicht nur mit 300.000, wie vom Bundesamt angegeben."

Update

Fertility, mortality, migration, and population scenarios for 195 countries and territories from 2017 to 2100

In the reference scenario, sub-Saharan Africa and north Africa and the Middle East were the only super-regions forecasted to have higher populations in 2100 than in 2017 (3·07 billion [95% UI 2·48–3·84] people in sub-Saharan Africa and 978 million [715–1404] in north Africa and the Middle East

The Lancet

 

BRÜSSEL - Eine Mauer gegen Migranten auch in Europa. Das Beispiel Trump hat in der Union Schule gemacht, und so haben vorgestern, am Vorabend des Rates der EU-Innenminister in Luxemburg, 12 Länder einen Brief an die Kommission geschickt, in dem sie ausdrücklich neue Maßnahmen in dieser Angelegenheit fordern, angefangen mit dem Bau einer "Mauer" an den südöstlichen Grenzen Europas. Die zwölf Unterzeichner sind Österreich, Zypern, Dänemark, Griechenland, Litauen, Polen, Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland und die Slowakei.