Seit 1949 gibt es das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Seit 74 Jahren kümmert sich diese Organisation um die Palästina-Flüchtlinge, von denen es 2019 laut UNRWA noch 5,6 Millionen gibt, darunter 1,9 Millionen, die derzeit Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen und 1,2 Millionen, die Nahrungsmittelhilfe erhalten. Es versteht sich von selbst, dass die Mitarbeiter der Hilfsorganisation überwiegend Palästinenser sind.
Gestatten Sie mir eine kleine persönliche Abschweifung:

Ihr Autor war selbst ein Flüchtling: Er wurde im Sommer 1946 in einem Viehwaggon von Österreich nach Deutschland (ins "Altreich") deportiert, zusammen mit Roma, die aus dem KZ Mauthausen befreit worden waren, und anderen DPs (Displaced Persons). Niemand, den ich kenne, würde sich heute, fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als Flüchtling bezeichnen. Soweit sie noch leben, sind sie alle irgendwo integriert, vielleicht erinnern sie sich an den guten Labskaus aus Corned Beef, den uns irgendeine Hilfsorganisation auf dem Bahnsteig spendiert hat, oder an die Lieder, die wir abends mit den Roma in der offenen Waggontür gesungen haben: "Heimat, deine Sterne...".
Ihr Autor fragt also: Wie kann es sein, dass es 74 Jahre nach dem Ende eines Krieges immer noch Flüchtlinge in Palästina gibt, oder "Geflüchtete", wie die Neuankömmlinge aus dem globalen Süden jetzt genannt werden.

Wer sind diese 5,6 Millionen, von denen die UNRWA spricht? 

Im Laufe des Krieges begann die Flucht oder Vertreibung vieler palästinensischer Araber. Die Gründung Israels gilt für die Palästinenser als Katastrophe (Nakba). Die jüdischen Flüchtlinge wurden größtenteils in den Staat Israel umgesiedelt; viele der arabischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen leben noch immer in Flüchtlingslagern, die von der UNRWA betrieben werden. (Wikipedia)

Ein paar Greise dürften die letzten Vertreter der ersten Generation sein. Bei den so genannten Flüchtlingen handelt es sich also fast ausschließlich um Vertreter der zweiten, dritten, vierten Generation von Palästinensern nach dem Ende des Krieges.

Die Bevölkerung des Gazastreifens weist eine hohe Wachstumsrate von 3,3 Prozent pro Jahr im Jahr 2019 auf. Das bedeutet eine Verdoppelung innerhalb von 21 Jahren. Derzeit leben 2,1 Millionen Menschen in Gaza.
Wie kommt es, dass einige dieser Menschen in Lagern leben und internationale Hilfe erhalten? Man kann davon ausgehen, dass ein Teil der ursprünglichen Lagerinsassen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte die Lager verlassen haben und sich außerhalb selbständig gemacht haben. Gleichzeitig hat aber die verbleibende Lagerbevölkerung stark zugenommen, so dass die Lager unter dem Strich nicht kleiner geworden sind.

Hier eine persönliche Abschweifung:

Die Palästinenser, die ich kenne, leben nicht in Lagern. Sie sind das Hilfspersonal der Scheichs am Persischen Golf. Sie sind den Menschen am Golf dank ihrer Bildung überlegen, sind gefragte Fachkräfte im Wettbewerb mit Ägyptern, sind Unternehmer oder Politiker wie Ahmad Shukeiri. Diese Palästinenser haben sich, genau wie die deutschen Flüchtlinge nach 1945, hochgearbeitet, ein erfolgreiches Leben geführt - und irgendwann vergessen, dass sie als Flüchtlinge angefangen haben.

Zurück zum Gazastreifen: Dort leben 2 Millionen Araber, die man gewöhnlich Palästinenser nennt. Flüchtlinge? Keine Frage, wenn es sich um Menschen handelt, die von israelischen Siedlern im Westjordanland vertrieben wurden und nach Gaza kamen. Aber die dritte, vierte Generation der Nachkommen der Opfer von 1948? Warum sollte man sie als Flüchtlinge bezeichnen? Sicherlich gibt es Bedürftige, aber warum sollte man die Bewohner der Lager immer noch Flüchtlinge nennen und ihnen ein spezielles UN-Hilfswerk widmen? Die Situation heute:

Fast 600.000 Binnenvertriebene sind in 150 Einrichtungen des Palästinensischen Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) im Gazastreifen untergebracht, teilte die UN-Agentur per X mit. Die Unterkünfte seien viermal so voll, wie es die Kapazität zuließe. "Viele Menschen schlafen auf der Straße, da die bestehenden Einrichtungen überlastet sind", hieß es. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden. (UNRWA)

Wer sind diese "Binnenflüchtlinge"? Wie viele von ihnen sind möglicherweise Opfer der israelischen Bombardierung des Gazastreifens, zusätzlich zu den ständigen Bewohnern der dritten und vierten Generation in den Lagern? Wie üblich sind die von der UNRWA gelieferten Informationen undurchsichtig.

Jeder, der wie der Autor UNRWA-Lager besucht hat, wird bestätigen, dass die Organisation gute Arbeit leistet. Sie sorgt für ihre Lagerinsassen; die Lager selbst sind längst zu dauerhaften Einrichtungen geworden. Ein Trostpflaster für die Araber?

Heinrich von Loesch
 
Update

Etwa 80 % der Bevölkerung der Enklave - 1,7 Millionen von 2,1 Millionen - sind Nachkommen von Flüchtlingen, die während des Krieges von 1948, der zur Gründung Israels führte, aus dem Gebiet des heutigen Israels geflohen sind - ein Ereignis, das die Araber als "Nakba" oder Katastrophe bezeichnen.

Viele flohen 1948 freiwillig, nachdem ihnen von den arabischen Armeen, die den Krieg begonnen hatten, versprochen worden war, dass sie innerhalb weniger Tage in ihre Häuser zurückkehren würden, während andere von der Haganah, dem  militärischen Arm des jüdischen Staates, gewaltsam vertrieben wurden. (Gianluca Pacchiani)

 

PS

Die Beziehungen zwischen dem UNRWA und der Hamas sind schlecht. Seit Jahren versucht die Hamas, die Hilfsorganisation für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. De facto hat sie die Pflicht der Regierung, die Bevölkerung des Gazastreifens zu versorgen, an die UNO abgetreten und die Steuereinnahmen weitgehend in die eigene Kriegskasse gelenkt. Es ist auch davon auszugehen, dass die Stürmung der UNRWA-Lebensmittellager und die Plünderungen von der Hamas initiiert wurden.

 

Kommentar

Ein palästinensischer Staat?

Außenminister Antony Blinken, Ex-Präsident Barack Obama und zahlreiche andere haben sich für einen eigenen palästinensischen Staat ausgesprochen.Die Vorgeschichte dieses Projekts ist lang:

Nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedeten die Vereinten Nationen (UN) 1947 einen Teilungsplan für das Mandatsgebiet Palästina, der die Schaffung unabhängiger arabischer und jüdischer Staaten und eines internationalisierten Jerusalem empfahl.

 Die israelische Unnachgiebigkeit, die Gewalt der Siedler im Westjordanland, der Verlust der politischen Autorität von Mahmoud Abbas, die Verachtung der Palästinenser für die Rolle der Palästinensischen Autonomiebehörde bei der Erfüllung der israelischen Sicherheitsanforderungen und der zerstörerischen Militär- und Siedlereinfälle, die Förderung der Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten am Persischen Golf durch die USA, ohne dass die palästinensische Frage als wesentlicher Bestandteil dieses Prozesses behandelt wurde, und das Auftauchen militanter Gruppen in den Städten des Westjordanlandes, die sich der Palästinensischen Autonomiebehörde widersetzen - all dies hatte tödliche Folgen.

Eine Gallup-Umfrage ergab, dass nur 24 % der im Westjordanland, im Gazastreifen und in Ostjerusalem lebenden Palästinenser eine Zwei-Staaten-Lösung befürworten, gegenüber 59 % im Jahr 2012. Junge Palästinenser waren deutlich weniger begeistert als ihre Eltern.

Warum also wird der separate Staat für die Palästinenser wieder lautstark gefordert, obwohl weder Israel noch die Palästinenser ihn wollen? Die Idee dieses Staates führt ein Eigenleben, losgelöst von der Realität, weil sie eine bequeme "Lösung" zu bieten scheint und deshalb immer wieder wie ein U-Boot auftaucht.

 

Die UNRWA?

Die UNRWA ist ein Ungeheuer aus Urzeiten. Die Organisation wurde gegründet, als es einen echten Bedarf für eine geflüchtete oder vertriebene Bevölkerung gab, und wurde jahrzehntelang als Trostpflaster für die Araber aufrechterhalten. Inzwischen hat sich die Welt verändert. Das Hochkommissariat für Flüchtlinge UNHCR, eine Organisation mit weltweiter Zuständigkeit, wurde gegründet.

Zweifellos ist das UNRWA jetzt besonders gefordert, denn der Gaza-Krieg hat viele hunderttausende neue Flüchtlinge hervorgebracht. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die Arbeit des UNRWA auf lange Sicht großen Schaden angerichtet hat. Millionen seiner Kunden haben Sozial-und Nahrungsmittelhilfe erhalten, die ihnen ein armes, aber sorgenfreies Leben ermöglichte. Generationen von arbeitsfähigen jungen Männern wuchsen ohne vollwertige Arbeit und Zukunftsperspektive auf und waren leichte Beute für radikale Ideen aller Art, die nur durch ihren Hass auf Israel, Amerika, den Westen und das UNRWA geeint wurden. Es ist an der Zeit, über die schrittweise Abschaffung des UNRWA nachzudenken oder über ihre Eingliederung in das UNHCR. .Was sollte jedoch mit den "Kunden" des UNWRA geschehen?

Wohin mit den Palästinensern?

In Gaza gibt es keine Alternative zu der Existenz in den Lagern und der Abhängigkeit von dem Hilfswerk. Im Prinzip sollte Auswanderung möglich sein. In Wirklichkeit jedoch will keiner der arabischen Staaten hundertausende oder Millionen Palästinenser aufnehmen, selbst wenn ihr Bildungsniveau eine Bereicherung der Wirtschaft versprechen würde. Ägypten ist mit seinen mehr als hundert Millionen bereits stark übervölkert. Die Monarchien am Golf haben Angst vor den republikanisch und islamistisch gesinnten Palästinensern. Die von den Hamas-Kriegern am 7. Oktober in Israel verübten Greuel haben den Ruf der Gaza-Bewohner schwer beschädigt und ihre Chancen, im Westen Unterschlupf zu finden, beeinträchtigt. Es scheint, als ob es in der Welt keinen Platz für Palästinenser gibt.

 

Noch einmal: die UNRWA

"Denn die USA sind auch dumm genug, die UN-Agentur UNRWA weiter zu finanzieren. Das ist eine der korruptesten Organisationen, die es bei der UNO gibt. Und das will schon etwas heißen. Allein im Jahr 2021 waren die USA der größte Einzelspender des UNRWA und schaufelten erstaunliche 338 Millionen Dollar.

Auch andere Länder wurden für dumm verkauft.
Die EU gibt in diesem Jahr mehr als 100 Millionen Dollar für Gaza aus. Aber selbst die EU-Länder geben dem UNRWA nicht so viel Geld wie die USA. Die USA sind bei weitem der größte Geber. Der nächstgrößte Geber ist Deutschland mit 176 Millionen Dollar, die jährlich an die Organisation gehen. Insgesamt haben die US-Organisationen in den letzten Jahren Milliarden von Dollar nach Gaza geleitet. Und all diese Gelder sind nicht in die Verbesserung des Lebens der Palästinenser geflossen, sondern in den Bau von Palästen für die Hamas und von Tunneln für ihre Waffen und Terroristen."

Douglas Murray -- New York Post
 
Heute, am 16. Oktober 2023 jährt sich zum 80. Mal das "rastrellamento", die Verhaftung der Juden Roms für den Transport in Viehwagen nach Auschwitz. Rom gedenkt seiner ermordeten Bürger mit auf die Stolpersteine gestreuten Blumen oder kleinen Blumentöpfen. 
In Rom gibt es 384 Stolpersteine für Einzelpersonen, die der deutschen Besatzung zum Opfer fielen. Die Steine gedenken der "Vernichtung durch die Nazis, unabhängig vom Grund der Verfolgung: Religion, Rasse, politischen Ideen oder sexueller Orientierung". (wikipedia)    Die Deutsche Rundschau stolperte über 3 Steine in Via Giovanni Miani im Viertel San Saba, unweit der Thermen des Caracalla und der Cestius-Pyramide. 

Aus der Rede von Mauro Galeazzi anlässlich der Verlegung der Stolpersteine

Hier, in der Via Miani 4, lebten drei Menschen: meine Tante Margherita Veneziani, die Schwester meiner Mutter, ihr Mann Piero Veneziani (sie waren Cousins) und ihr Sohn Guido, mein Cousin, der damals neun Jahre alt war; in diesem Haus wurden sie am 16. Oktober 1943 von den SS-Nazis verschleppt.

Via Miani5

In der Parallelstraße, Via Dandini 20, wurden die Großeltern am 2. Februar 1944 verschleppt; ich wurde in diesem Haus geboren und lebte dort, bis ich 12 Jahre alt war.

Um genau zu sein, wurden in diesem Haus in der Via Miani vier Personen entführt, und zwar an jenem Morgen auch eine weitere Schwester meiner Mutter, Marcella, die nicht auf der Liste stand, weil sie in der Via Dandini wohnte. Sie folgte den anderen spontan, weil ihr Neffe Guido sie nach Angaben ihrer Mutter unter Tränen bat, ihn nicht zu verlassen, und auch sie kehrte nicht zurück.

Meine Mutter war an diesem Morgen auch im Haus in der Via Miani, aber sie verließ es, bevor die SS eintraf, gegen 8 Uhr, weil sie zur Arbeit musste, und es war nur ein Zufall, dass sie nicht auch erwischt wurde.

Der Gedenkstein für Tante Marcella wird also in der Via Dandini eingelegt werden, wo sie wohnte. Verzeihen Sie mir, wenn ich zu lange rede, aber Sie haben mich gebeten, diese Geschichte zu erzählen, die nicht zuletzt wegen der historischen Tragweite eine ausführliche Darstellung verdient.

In der Via Dandini wohnten meine Großeltern Giacomo Veneziani und Celeste Sestieri,meine Mutter Leda und eine weitere Schwester meiner Mutter namens Luciana.

Ich möchte aus Respekt vor der historischen Wahrheit klarstellen, dass es diesmal nicht die SS war, die die Razzia durchführte, sondern die faschistische Polizei, und dass es hieß, sie sei durch einen Spion zustande gekommen, weil meine Familie erst seit wenigen Tagen zu Hause war, nachdem sie sich nach den tragischen Ereignissen vom 16. Oktober nicht weniger als drei Monate lang versteckt gehalten hatte.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich daran, dass meine Großmutter, meine Mutter Leda und meine Tante Luciana im Krankenhaus San Camillo untergetaucht waren, wo sie dank der Freundlichkeit eines Chefarztes etwa drei Monate lang untergebracht waren.

Morgens gingen meine Mutter und meine Tante zur Arbeit und kamen abends zurück. Da diese Situation nicht allzu lange andauern konnte und sie darauf vertrauten, dass der Sturm endgültig vorbei war, kehrten sie alle in ihr Haus in der Via Dandini zurück.

Deshalb glaubt man, dass die Verhaftung auf einen Spion zurückzuführen war, der damit Geld verdiente. Die Großeltern und Tante Luciana wurden dann von der faschistischen Polizei gefasst, aber das Schicksal war seltsam, denn meine Mutter war nicht da, sie war für die Familie einkaufen gegangen. 

Um die Wahrheit zu sagen, wurde sie auch durch die Hilfe einiger Anwohner gerettet, denn als sie nach Hause zurückkehrte, war der Polizeikommissar noch im Haus, und ein Wachmann ließ aus Mitleid einen Anwesenden meine Mutter mitnehmen und sie im obersten Stockwerk des Gebäudes verstecken.

So wurde meine Mutter zum zweiten Mal gerettet. Auch die Geschichte von Tante Luciana verdient es, an dieser Stelle erzählt zu werden, auch wegen der historischen Bezüge, die sie enthält. Luciana war heimlich mit einem Katholiken namens Gianni Santacolomba aus Cefalù (Sizilien) verheiratet, mit dem sie seit Jahren verlobt war und der durch eine tragische Fügung des Schicksals in einem Konzentrationslager in Deutschland ums Leben kam.

Er war in Wirklichkeit ein Offizier der italienischen Armee, der, als er zum Kampf nach Griechenland geschickt wurde, in die tragische Affäre von Kefalonia geriet, die jeder kennt. Nach dem Aufstand gegen die Deutschen wurde er, da er sich weigerte, mit den Nazis zu kollaborieren, nach Deutschland deportiert, wo er an Entbehrungen und Krankheit starb.

Ich bewahre noch viele Briefe von ihm aus dem Konzentrationslager auf, die an meine Tante adressiert waren. Und dass mein Großvater nicht wollte, dass sie heiraten! Nicht, weil Gianni katholisch war, sondern weil er nicht wollte, dass die Heirat mit einer Jüdin seine militärische Karriere gefährdete; so hat es mir meine Mutter erzählt.

Im Haus befand sich eine Heiratsurkunde, und meine Mutter, die wusste, wo sie versteckt war, holte sie nachts heraus und gab sie dem Kommissar.

Der Kommissar war gezwungen, Luciana auf der Grundlage des vom Vatikan gewünschten Gesetzes zum Schutz von Mischehen freizulassen.

Abschließend möchte ich sagen, dass wir heute hier sind, um sechs Menschen, darunter ein neunjähriges Kind, zu ehren und ihnen ihre Würde zurückzugeben, da sie auf grausame Weise ums Leben kamen, einige in den Gaskammern, andere, von denen wir nicht einmal wissen, wie sie ums Leben kamen, nur weil sie Juden waren; lassen Sie uns zumindest mit unserer symbolischen Geste, die in der Verlegung dieser Steine besteht, dafür sorgen, dass wir eine Spur ihres Weges in dieser Welt hinterlassen, damit sie und die Erinnerung an ihr Opfer nicht vergessen werden.

(M. Galeazzi)
 
Update, 1. November 2023
Unbekannte versuchten, zwei Stolpersteine in Rom in Brand zu setzen. Der Vorfall ereignete sich in Trastevere zum Gedenken an die Deportation von Michele Ezio Spizzichino und Amedeo Spagnoletto. Eine Frau, die in der Via Dandolo vorbeikam, bemerkte, dass die beiden Steine vollständig geschwärzt waren. Die Dynamik der Tat ist noch nicht geklärt. Die Steine sind inzwischen gereinigt worden.

 

Während Deutschland klein-klein mit Wind- und Sonnenenergie den Weg in die Dekarbonisierung sucht, klotzt Frankreich mit Atom. Billiger Strom für Deutschland?

Es ist die "Baustelle des Jahrhunderts". Frankreich bereitet sich darauf vor, mit dem Bau eines neuen Parks von mindestens sechs und wahrscheinlich vierzehn EPR 2 (European Pressurized Reactor, Druckwasserreaktor) Kernreaktoren zu beginnen.

Ein Projekt, das über mehrere Jahrzehnte hinweg rund 60 Milliarden Euro, 4000 Unternehmen und Hunderttausende von Fachkräften binden wird, um Elektronen zu produzieren, die noch im 22. Jahrhundert verbraucht werden.

"Wir müssen den Faden des großen Abenteuers der zivilen Kernenergie in Frankreich wieder aufnehmen", sagte Emmanuel Macron in seiner Rede am 10. Februar 2022 in Belfort, in der er diese neue Ambition endlich in Stein meißelte.

 

Polen strebt den Aufbau der größten konventionellen Armee Europas an. Seit der russischen Invasion hat Polen etwa 20 größere Waffenaufträge erteilt. Die letzte Unterzeichnung erfolgte Anfang September mit einem Vertrag über 486 US-amerikanische Himars-Raketenwerfer.

Washington genehmigte diesen Sommer auch die Lieferung von 96 Apache-Hubschraubern, zusätzlich zu 32 F-35-Tarnkappenjägern und 366 Abrams-Panzern. Während die französische Armee in der gleichen Zeit mühsam 200 Leclerc-Panzer aufstellt...

300.000 Heeressoldaten im nächsten Jahrzehnt

Neben diesem Arsenal will Warschau 4% seines BIP für die Verteidigung ausgeben, doppelt so viel wie Frankreich, um im nächsten Jahrzehnt 300.000 Heeressoldaten zu haben. Zum Vergleich: In Frankreich gibt es 200.000 Soldaten aller Streikräfte zusammen.

Europe 1

 

Wie die USA. Kanada, Australien und Argentinien ist die Europäische Union ein grosses Einwanderungsland. Sinkende Bevölkerungszahlen, sich leerende ländliche Gebiete, Arbeitskräftemangel, Jugendmangel, Überalterung sind Stichworte, die die EU beschreiben. Starke Wirtschaft ist ein pull-Faktor, der Millionen Menschen  aus armen Ländern nach Europa lockt. Europa braucht sie, aber will Europa sie auch haben?

Jein! Europa möchte gerne wenige Hochqualifizierte importieren, nicht aber niederqualifizierte Millionen. Selbst den Hochqualifizierten werden Hindernisse in den Weg gelegt.

Es ist unglaublich, dass die EU keine Politik aufweist die Einwanderungsgenehmigungen am Herkunftsort und legale Arbeitsverträge am Zielort ausstellt. (El Periódico de Catalunya)  

....um den Mangel langfristig in den Griff zu bekommen, bräuchte es deutlich mehr Anstrengung bei der Anwerbung, sagen die Arbeitsmarktforscher vom IW. Und das sei nicht immer einfach. "Hemmnis ist in einigen Ländern die überlange Wartezeit auf Visa, was arbeitsmarktorientierte Zuwanderung nach Deutschland stark erschwert", sagt Werner. "Aus Sicht von Zuwanderungsinteressierten haben andere Länder den Vorteil, dass mit einer Zuwanderung ein dauerhafter Aufenthalt gewährt wird, was in Deutschland wegen der Anerkennung bis zu acht Jahre dauern kann." (Tagesschau)

Europa hat den Wechsel der Paradigmen vom Menschenexport des 19. und 20. Jahrhunderts zum Menschenimport des 21. Jahrhunderts nicht verinnerlicht. Statt der vorübergehend gefeierten „Willkommenskultur“ (in Deutschland 2015/16) herrscht in der EU nach wie vor die reflexhafte Forderung im Stil früherer Jahrhunderte, Immigration abzuwehren, zu erschweren, ja zu verhindern. Alle Politiker haben dies anlässlich des Lampedusa-Besuchs von Meloni/von der Leyen erneut lauthals verkündet.

Aber ohne Einwanderung würde Europas Bevölkerung schrumpfen, wie Eurostat notiert:

Eine Tatsache, die man bedenken sollte: Ohne Migration wäre die europäische Bevölkerung 2019 um eine halbe Million geschrumpft, da 4,2 Millionen Kinder in der EU geboren wurden und 4,7 Millionen Menschen gestorben sind.

Praktisch verringert sich die eingeborene Bevölkerung der EU um 1 Promille pro Jahr, so nicht Einwanderung die Lücke füllt. Nun, dank positiver Netto-Wanderung wächst die EU-Bevölkerung sogar in manchen Jahren.

Der Paradigmenwechsel bereitet den Europäern zunehmend Bauchschmerzen. Nur die Schweizer sind es schon seit über einem Jahrhundert gewohnt, mit einem großen Anteil von „Ausländern“ (zeitweise 30 Prozent) zusammen zu leben. Die EU-Bürger erschrecken vor dräuenden Pappkameraden wie „Überfremdung“, „Umvolkung“, „Verdrängung“ und gar noch „Islamisierung“.

Dabei ist Migration Normalzustand menschlicher Gesellschaften. Das antike Rom nahm enorme Scharen Nordafrikaner („Numidier“, Asiaten und Ägypter auf. Es gab sogar einen arabischen Kaiser (Marcus Julius Philippus 244-249 AD)

Großbritannien wird derzeit von einem Politiker indischer Herkunft (Rishi Sunak) regiert, ohne dass die britische Seele dadurch Schaden genommen hätte. Unter den amerikanischen Präsidenten war Barack Obama zur Hälfte kenianischer Herkunft. Und wer weiss, ob nicht bald ein deutscher Kanzler Cem Özdemir oder Omid Nouripour heisssen könnte?

All das ändert wenig an der Tatsache, dass viele Europäer die Einwanderung problematisch finden und von den Politikern „Lösungen“ fordern. Welche „Lösungen“ gibt denn, zumindest in der Theorie?

-- Grenzen schließen, Migranten aussperren
-- Migranten akzeptieren, integrieren
-- Migranten fangen und wegsperren
-- Migranten repatriieren
-- Migranten irgendwo im Ausland abladen

Um die Angelegenheit zu komplizieren gib es auch noch mehrere Kategorien von Migranten

-- Wirtschaftsmigranten
-- Flüchtlinge/Asylsuchende
-- Minderjährige
-- Familienmitglieder

Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist jedoch die Zugehörigkeit zu einer von drei Kategorien:

-- legal Eingewanderte
-- illegal Eingewanderte
-- legal Eingewanderte, die nach Ablauf ihrer Aufenthaltserlaubnis das Land nicht verlassen (Visa overstayers)

„Lösungen“ werden von unterschiedlichen Ländern praktiziert oder versucht. Ungarn schließt mit einigem Erfolg seine Grenzen, Kroatien vesucht es.

Migranten ohne wenn und aber zu akzeptieren und zu integrieren ist in mehreren Ländern Praxis, aber nur hinsichtlich einer einzigen Ethnie: den Ukrainern.

Migranten zu repatriieren ist der Traum zahlloser Politiker und Meinungsaktivisten in sozialen Medien. Nur Spanien und Frankreich weisen in dieser Hinsicht einigen Erfolg auf.

Meist jedoch scheitert die „Rückführung“ an dem Umstand, dass das „Herkunftsland“ den Kandidaten keine Papiere ausstellt, sie nicht als Bürger anerkennt, oder sich schlicht weigert, sie zurückzunehmen. Oft scheitert die Rückführung auch an den Zuständen im Herkunftsland, wo den Rückgeführten Strafe, Misshandlung, Hunger, Tod oder Krieg droht.

Regierungs-Abkommen mit dem Herkunftsland sind selten und miunter das Papier nicht wert, auf dem sie publiziert sind, weil -- wie im Fall Tunesiens -- die Regierung die Bootsunternehmer statt sie zu bremsen eher noch ermutigt. Jeder Migrant, der nicht ertrinkt oder verdurstet ist fuer das Herkunftsland eine potentielle Quelle von Remittenten -- Geldüberweisungen an die Familie im Herkunftsland.

Migranten irgendwo abzuladen, versucht derzeit die britische Regierung. IInnenministerin Suella Braverman hat ein Abkommen mit Ruanda ausgehandelt, nach dem das afrikanische Land aus Großbritannien ausgewiesene Einwanderer aufnimmt. Dänemark folgt dem britischen Beispiel. Ob das Verfahren funktioniert und die Ruander die Fremden akzeptieren, muss sich erst noch erweisen. Dass das Experiment für die Zwangsverpflanzten eine Katastrophe bedeutet, steht wohl außer Zweifel.

Bleibt als letzte Möglichkeit die des Fangens und Wegsperrens. Wieder ist es Braverman, die das fest verankerte Schiff Bibby Stockholm in Dorset als Gefängnis für Asylsuchende benutzte. Prompt brachen auf dem Kahn Legionellen aus und die Migranten mussten an Land gebracht werden. Kaum verwunderlich, dass die Bezeichnung „inhumane Behandlung“ der Gefangenen noch zu den milderen Bewertungen der Aktion gehörten.

Angesichts der bisherigen Erfahrungen bleiben also im Prinzip nur zwei Erfolg verprechende Methoden des Umgangs mit Migration: entweder Grenzen schließen oder Migranten akzeptieren und integrieren.

Sperrung der Grenzen bedeutet einen erheblichen Aufwand für den fraglichen Staat, und das Medienecho ist -- wie Griechenland und Kroatien erfahren haben -- wenig schmeichelhaft. Die Mitwirkung der EU-Behörde Frontex wirft auch Schatten auf Brüssel.

Vollends undurchschaubar wird die Lage, wenn man zwischen legalen und illegalen Einwanderern unterscheidet. Was die Legalen anlangt, bietet der EU-Statistikdienst Eurostat detaillierte und positiv anmutende Zahlen. Alles halb so schlimm!

Die Eurostat-Daten der Durchsetzung der Einwanderungsvorschriften beziehen sich auf Drittstaatsangehörige oder Nicht-EU-Bürger, denen die Einreise an den Außengrenzen der EU verweigert wurde, auf Nicht-EU-Bürger, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaates aufhielten, und auf Nicht-EU-Bürger, die zum Verlassen des Hoheitsgebiets eines EU-Mitgliedstaates aufgefordert wurden.
Jeder dieser Indikatoren kann als offizielle Aufzeichnung von Personen betrachtet werden, die der Durchsetzung der EU-Einwanderungsvorschriften unterliegen.
Die Daten umfassen nicht die Einwanderer, die sich verstecken und nicht offiziell erfasst werden.
(Eurostat Media Support)

Da liegt der Hase im Pfeffer! Es gibt (verständlicherweise) keine Zahlen über die Illegalen, die sich verstecken. Es gibt nicht einmal grobe Schätzungen. Nichts!

Italien zum Beispiel. Gibt es im Belpaese 100.000 Illegale, oder 1 Million, oder 2 Millionen? Die riesige italienische Schattenwirtschaft beschäftigt Ausländer wie sie kommen, ohne lange zu fragen, ohne sie zu versichern oder gar anzumelden. Bezahlt wird bar auf die Pfote wenn gerade niemand zuschaut. Ausserdem gibt es die Mafias der Ausländer: den Souvenirhandel der Senegalesen, die Tankstellenjobs der Bangladeshi, die Straßenabschnitte der Roma, die Italien „Nomaden“ nennt: die Basarplätze der Pakistaner, die Callgirls der Nigerianer, die Krimskrams-Kettenläden der Chinesen, die Strandhändler der Marokkaner, alles bestens organisiert, profitabel und weitgehend „unsichtbar“.
Nur arme Teufel kommen durchnässt über das Meer oder staubbedeckt über die Landrouten. Die Fachkräfte, Manager und Prostituierte der Schattenwirtschaft fliegen als Studenten, als au-pair girls, Touristen oder Priester.

Offiziell gehört Italien nicht zu den europäischen Ländern mit dem höchsten Anteil an Migranten: das sind die Schweiz, Island, Norwegen und die Türkei. Der Anteil von Flüchtlingen an der Bevölkerung ist am höchsten in der Türkei, in Polen, Deutschland und Russland.

Doch Italien jammert laut, dass es bei der Unterbringung illegaler Einwanderer allein gelassen werde. Die deutsche Regierung erklärt hingegen süffisant, sie weigere sich, weitere Flüchtlinge aus Italien aufzunehmen, weil Deutschland viel mehr Geflüchtete beherberge als Italien und Italien gegen seine Pflicht verstoße, dort bereits registrierte Ankömmlinge aus Deutschland zurückzunehmen. Innenministerin Nancy Faeser dementiert.

Das deutsche Argument ist fadenscheinig. Bei ihren Kalküls benutzen die Deutschen die Zahlen von Eurostat, die die Illegalen ausschließen. Schon der Augenschein in beliebigen italienischen Städten verrät, dass der Migranten-Anteil hoch sein muss. Höher als in deutschen Städten.

Bislang waren Italiens Regierungen schlampig, was die Migranten anlangt. Sie kamen übers Meer, wurden registriert oder auch nicht, und dann weitergeschickt. Wohl die meisten reisten in andere Länder, etliche jedoch blieben da und verkrümelten sich in Italien. Zu ihnen gesellten sich weitere Illegale, die aus Kroatien oder Albanien herüber kamen.

Nun hat Regierungschefin Giorgia Meloni erkannt, dass sie keine europäische Hilfe beanspruchen kann, so lange ein Großteil der Migranten in Italien unsichtbar, unzählbar bleibt. Um zu verhindern, dass die Tausende, die in Lampedusa und an anderen italienischen Küsten täglich  ankommen, sich ebenfalls im Land verstecken, will sie Hochsicherheitsgefängnisse in wenig besiedelten Gegenden bauen, die Illegalen dort bis zu 18 Monate lang einkasteln und danach die nicht-Asyl-Gewürdigten sofort abschieben. Die Gouverneure der betroffenen Regionen protestieren und weigern sich. 
Vielleicht hofft Meloni, dass -- sobald sich die neue Regelung in Afrika und Asien herumgesprochen hat -- die Aussicht auf 18 Monate Konzentrationslager ohne Cappuccino und Tiramisu die potentiellen Migranten abschrecken wird.

Wie Meloni die harte Nuss der Repatriierung (oder ihren Ersatz in Ruanda) knacken will, bleibt offen. Die bisherige Erfahrung mit Tunesien verspricht wenig Erfolg.

Italiens Forderung nach einer Seeblockade könnte der einzige Weg sein, Europas Migrantenkrise einzudämmen, sagt ein Experte

Nile Gardiner, Direktor des Margaret Thatcher Center for Freedom der Heritage Foundation, erklärte gegenüber Fox News Digital, dass sich Meloni in Bezug auf die Krise in einer schwierigen Lage befinde, da der Großteil Europas in dieser Frage "schwach" sei und es ihm an Entschlossenheit fehle, das Problem anzugehen.

Letzten Endes sei Melonis entschlossenes Handeln die einzige Möglichkeit für Italien, die Krise zu bewältigen, und die italienische Marine sei in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen, so Gardiner.

"Das ist das Einzige, was sie tun können. Wenn sie darauf warten, dass die Europäische Union etwas unternimmt, wird Italien mit einer großen Zahl illegaler Migranten konfrontiert werden, die das Land überschwemmen", sagte Gardiner. "Die italienische Marine ist nicht so stark wie die britische oder die französische, aber sie hat immer noch die Möglichkeit, Migrantenschiffe an der Überfahrt zu hindern.

Gardiner meint, dass Italien -- um die Seeblockade zu verwirklichen -- aus der EU austreten müsste, was jedoch wenig wahrscheinlich erscheint.

Will man ein Fazit der gegenwärtigen Lage ziehen, so heißt es, dass es eigentlich nur eine realistische Möglichkeit gibt, mit der Einwanderungsproblematik umzugehen: die Ankömmlinge zu akzeptieren und zu integrieren. Europas Grenzen sind aus geografischen und wirtschaftlichen Gründen porös. Sie zu sperren ist unmöglich und unproduktiv. Europa kann nicht wie Australien die Grenzen schließen und die Illegalen auf einer Insel (Nauru) unbefristet internieren.

Europa kann angesichts des alltäglichen Einwanderungsdrucks nicht die Rosinen aus dem Kuchen -- die Hochqualifizierten -- picken sondern muss sich darauf verlassen, dass die Migranten -- vor allem die jungen Männer -- wissen, was sie wollen und das nicht Verbrechen oder Sex bedeutet, sondern Arbeit, Lohn und am Ende vielleicht Wohlstand.

Bislang ist die Einwanderungslage in der EU unproblematisch. Eurostat sagt:

Der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerung ist in der EU niedriger als in den meisten Ländern mit hohem Einkommen.

Das ist natürlich nur bedingt richtig, denn die Illegalen fehlen in der Rechnung.

Von der EU-Bevölkerung von rund 450 Millionen waren 2022 laut Eurostat 38 Millionen ausserhalb der EU geboren, also 8,5 Prozent. Denkt man die Illegalen dazu, dann kommt man wohl über 10 Prozent; aber nicht in jene stratosphärischen Regionen, von denen Populisten und Aktivisten in sozialen Medien fabulieren. Jedenfalls bleibt man weit unterhalb von Ziffern wie der Australiens, wo 29,2 Prozent der Einwohner außerhalb des Landes geboren sind.

Übersehen wird auch oft, dass der Einwanderung auch eine Auswanderung gegenüber steht, zum Beispiel in 2021:

2.26 million persons
immigrated to the EU
1.12 million persons
emigrated from the EU
1.14 million persons
total net immigration to the EU

Der Bevölkerungsgrösse der EU kam 2021 auswanderungsbedingt nur die Hälfte der gesamten Einwanderung zugute. Dass Einwanderung den natürlichen Rückgang der EU-Bevölkerung ausgleicht, ist auch nicht in allen Jahren der Fall.

 Ohne Migration wäre die europäische Bevölkerung 2019 um eine halbe Million geschrumpft, da in der EU 4,2 Millionen Kinder geboren wurden und 4,7 Millionen Menschen starben. In den Jahren 2020 und 2021 ist die EU-Bevölkerung sogar geschrumpft, was auf eine Kombination aus weniger Geburten, mehr Sterbefällen und einem geringeren Wanderungssaldo zurückzuführen ist.

Obwohl Eurostat in Sachen legaler Einwanderung deutlich Entwarnung gibt, sollte doch das Problem der illegalen Einwanderung im Auge behalten und europäisch statt einzelstaatlich behandelt werden. Der französische Innenminister Gérald Darmanin weigerte sich nach einem Besuch in Rom, Flüchtlinge aus Lampedusa aufzunehmen:

„Es gibt eine irreguläre Einwanderung nach Europa, nach Frankreich und Italien, die bekämpft werden muss, und es ist nicht so, dass man durch die Aufnahme von mehr Menschen einen Strom zum Versiegen bringt, der offensichtlich unsere Integrationsfähigkeit beeinträchtigt“, (Figaro Politique)

Ein klassisches Bild: ein Zustrom ohne Grenzen, der Europa überfordert. Sicherlich hat die Gleichzeitigkeit der Ukraine-Flucht und der Globale-Süden-Flucht das Problem verschärft. Den Ukraine-Flüchtlingen gewährt Europa Vorzugsbehandlung, von der Süd-Flüchtlinge nur träumen können.

Wenn Sie Ihren ständigen Wohnsitz in der Ukraine hatten und das Land ab dem 24. Februar 2022 verlassen haben, um dem Krieg zu entkommen, haben Sie möglicherweise Anspruch auf vorübergehenden Schutz in einem beliebigen EU-Land. Die Dauer des vorübergehenden Schutzes beträgt mindestens ein Jahr und kann je nach Lage in der Ukraine verlängert werden. Zu den Rechten nach der Richtlinie über vorübergehenden Schutz gehören eine Aufenthaltsgenehmigung, Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Wohnraum, medizinische Versorgung und Zugang zu Bildung für Kinder. Jeder, der sich legal in der EU aufhält, hat auch das Recht, ein einfaches Bankkonto zu eröffnen. Auch Sie haben das Recht, ein Basiskonto zu eröffnen.

Es ist klar, dass die Millionen Menschen aus der Ukraine einen guten Teil der Hilfskapazität Europas absorbieren und sich die Ankömmlinge vom Typ Lampedusa hinten anstellen müssen. Das ist zwar eine Art von Triage; dennoch kann man den Europäern nicht verdenken, dass sie ihren ukrainischen Vettern Vorrang geben, weil sie Genozidopfer sind. Auch kann man den "Süd"-Flüchtlingen nicht vermitteln, dass sie warten sollten bis der Ukraine-Krieg beendet ist, so er überhaupt im Zeithorizont einer Generation endet.

Was Europa derzeit erlebt, ist die größte Fluchtbewegung seit dem II. Weltkrieg. Das Eine zu tun, doch das Andere nicht zu lassen -- das ist die Herausforderung.

Europa wird sie annehmen, das verlangen sein Stolz und seine Menschlichkeit.

Heinrich von Loesch
Die EU hat auf tragische Weise deutlich gemacht, dass ihre Menschenrechtsverpflichtungen nicht für Migranten und Asylbewerber gelten - insbesondere, wenn sie aus Afrika oder dem Nahen Osten kommen. Ihr Tod, ihre Misshandlung und ihr Leiden werden als bessere Alternative angesehen, als sie auf europäischem Boden zu haben.
(Politico)
"Europa muss nun endlich umsetzen, worauf sich die Innenminister im Juni geeinigt haben: deutlich schnellere Asylverfahren, mehr Rückführungen, die sofort durchgeführt werden, und die Einrichtung von großen Auffanglagern an den Außengrenzen, in denen Migranten schlimmstenfalls mehrere Wochen lang in Baracken bleiben müssen, bis klar ist, ob sie bleiben dürfen oder zurückgeschickt werden müssen."
(KURIER)
"Es sind genau die falschen Rezepte, mit denen derzeit in Europa Wahlen gewonnen werden, die darauf abzielen, die Leichtgläubigen und Gleichgültigen in einer Europäischen Union zu überzeugen, die sich immer mehr der Führung einer reaktionären Front lokaler Nationalismen nähert."
(El Pais)
 
Blick in die Zukunft
Nehmen wir einmal unrealistisch an, die EU würde bald alle Grenzen für Migranten öffnen, sie ohne Wenn und Aber aufnehmen und sich erfolgreich um ihre Bedürfnisse kümmern.
Die Schlepper würden ihr Geschäft verlieren, die Reise nach Europa wäre billig. Die EU könnte sogar die Reisekosten subventionieren, um armen Menschen die Einwanderung zu ermöglichen.
Was würde die EU gewinnen? Millionen neuer Arbeitskräfte, die vom Herkunftsland aufgezogen und ausgebildet wurden: eine Subvention, die die EU erhält.
Die Arbeitskraft und der Fleiß der Neuankömmlinge sowie die Kaufkraft ihrer Nachfrage würden einen Wirtschaftsboom auslösen. Eine unkontrollierte Einwanderung, die die Bevölkerung der EU in zwei oder drei Jahrzehnten verdoppelt, hätte ein Wirtschaftswachstum zur Folge, das mit dem Chinas und der Vereinigten Staaten konkurrieren würde.
Wie sich dies mit den Ressourcen und der Umwelt des kleinen Erdteils Europa vereinbaren ließe, ist natürlich eine andere Frage. Europa würde auch sein Aussehen verändern; das heutige Europa wäre dann nur noch in Videos und Bildbänden zu sehen, als Trostpflaster für Nostalgiker.
                                                                                                                                                                                      -- ed